Assjah

-Traumbilder-

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Mit unsicheren, stockenden Schritten betrat Arithiel die steinerne, verschlungene Brücke, die wie ein Koloss aus dem weißen milchigen Nebel aufragte. Zum ersten Mal war es ihm gestattet worden in die Nähe dieses heiligen Bauwerkes, welches die Menschenwelt mit der seinen verband, zu gehen oder sie zu überqueren. Er sah hinab zu den kleinen weißen Steinen, die den Weg unter seinen Füßen säumten und verwirrende Muster bildeten, die er mit den Augen kaum verfolgen konnte. Gerade einmal drei Meter breit war der Weg, umgeben von einem hüfthohen Geländer, welches den Schimmer von Elfenbein hatte. Sein Blick richtete sich auf und versuchte das Ende zu erkennen, doch der Weg vor ihm verschwand in der Unendlichkeit des Nebels und verschluckte alles, was mehr als drei Meter entfernt war. Er konnte weder sehen, was sich unterhalb der Brücke befand, noch einschätzen, wie lang diese noch sein mochte. Seit er ein Kind war, hatte man ihm von diesem Übergang erzählt, dem Weg, den die verstorbenen Seelen gingen, wenn sie in die höheren Welten gelangten. Die Funktion dieses einzigartigen Monuments war so weitreichend, dass es ihm schwer fiel, die wahre Bedeutung richtig einzuschätzen. Es war nicht nur ein Weg; die Brücke blickte in die Unergründlichkeit der Seelen, die frei und rein waren und entschied erst dann, welchen Weg diese gehen sollten. Himmel, Unterwelt oder doch Wiedergeburt? Arithiel war fasziniert und verängstigt sogleich, wusste er doch ganz genau, dass er vor langer Zeit ebenfalls diesen Weg über die Brücke angetreten hatte. Doch das war im Moment nicht von Bedeutung, lag zu weit in der Vergangenheit und außerhalb seiner Erinnerung.
Bedächtig und vorsichtig schritt er über die Steine, hatte fast das Gefühl diese würden seinem Gewicht nicht standhalten und obgleich er sich sicher war, dass nichts diese Brücke zerstören konnte, fühlte er sich unruhig und nervös. Das Geländer wirkte zerbrechlich, die Konstruktion mehr als waghalsig in seinen Augen. Seine Finger glitten durch seine langen weißen Haare, die er zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Nur einige wenige Strähnen, hatten sich aus dem festen Zusammenschluss gelöst und fielen in sein weißes, makelloses Gesicht. Arithiel hatte wie die meisten Engel ein androgynes Gesicht, seine riesigen blaugrauen Augen waren umrahmt von schwarzen dichten Wimpern und seine hohen Wangenknochen verliehen dem Gesicht etwas Katzenhaftes. Arithiels Körper war zierlich, für Kämpfe jeglicher Art ungeeignet und es entsprach auch nicht seiner Natur mit dem Schwert gegen Dämonen zu kämpfen. Seine Waffen waren die Worte und Sätze, Sprachgewandtheit und Ansprachen und dieser Begabung folgend war er Diplomat geworden. Dies war auch der Grund für seine Reise zu diesem legendären, magischem Gebilde, das er nun ehrfürchtig überschritt.
Die Brücke zu sehen und zu betreten, war seit jeher ein Traum für ihn gewesen, die Ursache jedoch weit wenig friedlicher Natur. Die nun schon seit Monaten tobende Schlacht auf der anderen Seite dieses wichtigen Bauwerks hatte sowohl bei den Truppen aus Kusch, als auch bei dem Heer der Unterwelt viele Opfer gefordert. Arithiel wusste um die Toten die betrauert wurden, ebenso hatte man ihm gesagt, gegen wen die himmlischen Truppen kämpften. Es schien nur eine kleine Dämoneneinheit zu sein, doch ihr Heerführer war bekannt für seine Unberechenbarkeit und Kälte. Kaum einer konnte sagen, wer diesen Kampf begonnen hatte, auch die Hintergründe lagen im Dunkeln, ähnlich wie das Ende der Brücke seinem offenen Blick verborgen blieb.
Arithiel hatte das Amt eines Diplomaten noch nicht lange es würde sein erstes Aufeinandertreffen mit richtigen Dämonen sein. Er atmete tief durch und schloss für eine Sekunde die Augen. Er konnte die aufsteigende Nervosität kaum mehr unterdrücken und dies fiel auch seinem Begleiter auf, der bislang stumm und nachdenklich neben ihm her gegangen war.
“Du wirkst verstört.” Hamiels tiefe Stimme drang nur langsam zu seinem nachdenklichen Unterbewusstsein vor und holte ihn zurück in das Hier und Jetzt. “Du musst dir keine Gedanken machen, ich passe schon auf, dass dir dieser Dämon nichts antut.”
“Ich weiß, hab Dank.” Arithiel klare hohe Stimme verklang schnell und geistesabwesend besah dieser sich wieder die Brücke. “Sie ist anders, als ich sie mir vorgestellt habe.”, versuchte er das Thema zu wechseln.
“Was siehst du denn?”, wollte nun Hamiel wissen und musterte seinen Begleiter von der Seite her. “Und wie hast du sie dir vorgestellt?”
“Sie ist weiß, fein geschwunden und aus Stein. Ich hatte sie mir breiter und größer vorgestellt.” Er tastete vorsichtig nach dem elfenbeinfarbenen Geländer und strich darüber.
“Ganz anders als bei mir.” Hamiel ließ den Blick schweifen. “Ich sehe eine hölzerne Brücke vor mir, überdacht, so breit, dass ein ganzes Heer darauf Platz hätte. Die Säulen an den Seiten sind verziert mit Schnitzereien und im Boden sind Symbole des Lichtes eingebrannt worden.”
“Ein wirklich interessanter Ort.”, stellte Arithiel fest, der nur die leichten Biegungen des weißen Weges vor sich sah. Die Geschichten aus den Büchern entsprachen also der Wahrheit, die Brücke zeigte sich für jedes Wesen in einer anderen Gestalt, Form und Farbe. Ob nun als breite Steinmauer oder als schmaler Steg, er hatte so viele Berichte und Beschreibungen gehört, dass es fast unmöglich gewesen war, sie sich die vorzustellen, wenn man sie nicht selbst gesehen hatte.
“Wir sind gleich da.” Hamiel deutete mit der Hand nach vorne und tatsächlich ragten hinter der nächsten Windung zwei Säulen auf, die das Ende des Weges ankündeten. Schneller als Arithiel es gedacht hatte, erreichten sie den Ausgang und während mit jedem Meter der Nebel merklich vor ihren Augen verschwand, wuchs erneut die Nervosität in Arithiel. Er hatte bisher wenig über diese Schlacht am Fuße der Brücke gehört und obgleich sie bereits über zwei Monate wütete, war kaum etwas über die eigentliche Ursache der Schlacht bekannt. Sie hatte Opfer auf beiden Seiten gefordert, wirkte sinnlos und alles andere als gerechtfertigt und nun sollte ein Rat nach den Ursachen der Kämpfe forschen. Arithiel selbst war bisher nie als Diplomat eingesetzt worden, somit war dies das erste Mal, dass ihm eine solche Rolle übertragen und er Teil eines Zusammenschlusses zwischen Dämonen und Engeln wurde. Der Rat bestand aus jeweils drei neutralen Personen der jeweiligen Seite- ein Diplomat, ein Krieger und ein Berater. Man hoffte der verfahrenen Situation nun mit Diplomatie entgegenzukommen, um weitere Tote auf den jeweiligen Seiten zu verhindern. Der junge Engel hatte gehört, dass der Heerführer der Dämonen Teil des Rates sein sollte. Diese befehligte ein Heer von fast dreihundert Dämonen und war schon seit Beginn Teil dieser Schlacht. 
Die weiten Ebenen vor der Brücke, dem einzigen Übergang in die Höheren Welten boten den einzigen Platz für einen solchen Kampf und waren durchaus sehr oft für Kriege und Schlachten genutzt worden. Doch nun galt es eine solche Auseinandersetzung zu beenden und herauszufinden, wie es überhaupt zu einer solchen Situation kommen konnte.
Sie ließen die Säulen hinter sich und konnten mit einem Blick das gesamte Ausmaß der Schlacht überblicken. Der braune Boden war zerstört und mit Kratern und tiefen Gräben übersäht, zahlreiche Bäume und Pflanzen hatten ihren festen Griff aus der Erde lösen müssen und waren umgestürzt und eine graue Wolke schwebte über der Landschaft, die sich bis weit zum Horizont erstreckte. Obgleich er mehrere Kilometer entfernt war, glaubte Arithiel sogar die blutgetränkte Erde riechen zu können, doch er wusste, dass dies unmöglich war. Die Heerlager lagen entfernt voneinander und die Atmosphäre war zum zerreißen gespannt. Arithiel spürte das, obwohl er nie in der Nähe solcher Kämpfe war. Die Stille allein war bezeichnend genug.
“Sie haben sich nicht an den Waffenstillstand gehalten.”, erklang Hamiels gereizte Stimme und er sah sich mit einem zornigen Blick um. Arithiel entdeckte erst jetzt Verletzte und tote Körper die in die jeweiligen Lager geschleppt wurden, scheinbar hatte bis vor wenigen Minuten noch ein Kampf getobt der erneut auf beiden Seiten Opfer gefordert hatte.
“Ich sehe es. Nicht unbedingt die beste Grundlage, um mit den Nachforschungen zu beginnen.” Arithiel deutete auf die Planen und Zelte, die ganz in der Nähe standen und notdürftig für den eilig zusammengerufenen Rat aufgebaut worden waren. Aus den Schatten dieser Planen trat auch eine kleine Gruppe Engel und machte sich auf den Weg die Neuankömmlinge zu begrüßen.
“Ihr seid Teilnehmer des Rates, nehme ich an?”, erklang eine Stimme, als sie Arithiel und Hamiel erreichten. 
“Das ist richtig. Mein Name ist Arithiel und ich soll hier als Diplomat agieren. Erzählt mir was bis eben hier geschehen ist.” Er sah sich nur kurz um und deutete mit einem Nicken auf die Schlachtfelder.
“Die Dämonen haben den Waffenstillstand nicht eingehalten. Es hat Verletzte auf beiden Seiten gegeben.” Der Engel der gesprochen hatte war größer als Arithiel, trug sehr einfache Kleidung und hatte Mühe sein Haar zu bändigen. Er war augenscheinlich kein Krieger sondern gehörte eher zu denjenigen, die den Kampf mit Magie beeinflussten und den Gegner vielmehr Zauberei entgegensetzten, als Waffengewalt. Arithiel nickte nur, wirkte jedoch nicht von den Worten überzeugt, dazu wusste er zu genau, dass keine Seite zugeben würde den Kampf begonnen zu haben.
“Wer wird am Rat teilnehmen?”
“Ihr natürlich, ein Diplomat der Unterwelt, unser Heerführer Thariel und sein Berater Khalil, Matescuu der Anführer der Dämonen und sein Begleiter Utuk. Fast alle sind schon da, lediglich der Diplomat aus Styx ist noch nicht eingetroffen. Natürlich ist aufgrund des Zwischenfalls keiner der Krieger oder Berater direkt hier. Beide sind bei ihren Männern, aber wir werden ihnen eine Nachricht zukommen lassen, dass Ihr eingetroffen seid.”
Sie erreichten das kleine Lager und Arithiel stellte nicht wirklich überrascht fest, dass neben der kleinen Gruppe Engel nur noch eine weitere Einheit Dämonen wartete. Als sie Arithiel sahen, machte sich ein Botschafter auf den Weg, um ihren Heerführer von der Ankunft des Diplomaten in Kenntnis zu setzen. Er wurde in eines der Zelte geführt und schon bald alleine gelassen. Hamiel verabschiedete sich und machte sich auf den Weg zum eigentlichen Lager der Truppen. Er war mit Verstärkung hierher gesandt worden, um Thariel beim Kampf zu unterstützen, hoffte aber, dass dies unnötig sein würde. 
Arithiel beschloss sich genauer über die Situation aufklären zu lassen und schon ein wenig Vorarbeit zu leisten. Er wusste nicht viel über diese Schlacht, nur vage Informationen waren an ihn herangetragen worden, zu wenig um eine ordentliche Friedensverhandlung zu führen.
Sein Gespräch mit der kleinen Gruppe, die ihn abgeholt hatte, trug nicht sonderlich viele Früchte, die Antworten waren verstockt und von Wut und Hass geprägt und es fiel ihm schwer ein neutrales Bild über die Lage zu erhalten. Die Parteien waren zu gespalten und die Anspannung war bis hierher zu spüren und er fragte sich, warum nicht früher auf eine friedliche, diplomatische Lösung bestanden wurde. Es war unübersehbar, dass die Situationen hier verfahren waren und sich über die letzten Tage hin verschärft hatten. 

Als es Abend wurde, tauchten endlich weitere Teilnehmer des Rates auf und zum ersten Mal sah sich Arithiel direkt den Dämonen gegenüber. Hatten sich bisher die Truppenmitglieder der Unterwelt von den Zelten der Engel und damit ihm und seinen Bewachern ferngehalten, so kam nun der Heerführer Matescuu selbst zu dem kleinen Lager am Fuße der Brücke; mehr noch, er kam direkt auf ihn zu. Er war größer, als Arithiel es erwartet hatte überragte Arithiel um nahezu zwei Köpfe und war annähernd doppelt zu breit. Sein muskulöser Körper war von den vielen Kämpfen und Schlachten gezeichnet und nur zu stolz schien er die Narben auf der bronzefarbenen Haut zu präsentieren, die Arme, Brust und Rücken zierten. Der schwarze Umhang fiel über seine breiten Schultern und ragte fast bis zum Boden hinab, die dunkle Hose und die hohen Stiefel waren aus schwerem Stoff hergestellt und er trug einen Biedenhänder an der Hüfte, sowie einen Dolch. Nur schwarze lederne Handschuhe konnte der Diplomat sehen, Matescuu hatte absichtlich auf ein Hemd oder Wams verzichtet. Die langen, lockigen, schwarzbraunen Haare waren zu einem Zopf zusammengefasst und nur einige Strähnen hingen ihm wirr in das harte, kalte Gesicht, das eisern zu den Planen blickte. Die kühlen, kalkulierenden Augen brauchten nur Sekunden, um die Situation abzuschätzen und für einige Momente erwiderte er Arithiels Blick, der ihn offen ansah und seinen Blick kaum von dem Dämon abwenden konnte. Faszination und Neugier breitete sich in Arithiels Kopf aus und mit wenigen Schritten war Matescuu bis auf zwei Meter an ihn herangetreten. Nur beiläufig nahm der Diplomat die kleinere Gestalt hinter Matescuu wahr, einen etwas älteren Dämonen, der glatte schwarze Haare hatte und mit einem misstrauischen Blick den Engel nicht aus den Augen ließ. Arithiel war sich sicher, dass es sich dabei um Utuk handeln musste, den Berater Matescuus und bereits jetzt mochte er den verschlagenen Ausdruck in dem schmalen, schlangenhaften Gesicht nicht.
Matescuu musterte den Engel unverhohlen mit einem neutralen und ruhigen Blick und neigte dann leicht den Kopf.
„Mein Name ist Matescuu.“, sprach er leise, aber durchaus klar und deutlich. Seine Stimme war ebenso beeindruckend, wie sein Auftreten- sicher, tief und fest. „Ihr seid der Diplomat aus Kusch?“ Es war eine rhetorische Frage, dennoch nickte Arithiel leicht und lächelte ein wenig unsicher.
„Ich bin Arithiel. Ich freue mich sehr eure Bekanntschaft zu machen.“ Beide Parteien wussten, dass dies nur die üblichen Höflichkeitsfloskeln waren und der Anstand eine solche Behandlung des jeweils anderen verlangte und gerade Matescuu hielt sich sklavisch an diese unausgesprochenen Regeln. Er verhielt sich neutral, sein Gesicht offenbarte keine Gefühlsregung und seine Mimik und Gestik zeugte von immenser Selbstdisziplin. „Was ist hier vorgefallen?“ Arithiel deutete auf die Schlachtfelder und Matescuu folgte nur kurz seinem Blick, behielt jedoch anschließend den Engel im Auge. Er musterte den Diplomaten genau, überflog die zierliche Gestalt, die so zerbrechlich wirkte, die langen weißen Haare und die hellen Augen. Er hatte es nicht mit einem Kämpfer zu tun, doch der klare, wache Blick des Engels bestärkte ihn in seiner Annahme, dass Arithiel sich gut in diese Sache einfinden würde. Als er erfahren hatte, dass der Gesandte des Himmels ein unerfahrener Diplomat sein würde, war er zornig gewesen und hatte sich kurze Zeit gehen lassen. Sein Heer war nie sonderlich groß, doch er kannte jeden seiner Krieger, wusste um die Vergangenheiten und jeder Tote, den er zu beklagen hatte war schwer für ihn gewesen. Dass diese Schlacht bisher so viele unnütze Opfer gefordert hatte, sorgte für einen verstärkten Zuspruch seinerseits in der Bildung eines Rates um die Umstände der kriegerischen Aktivitäten überhaupt zu klären. Er wollte Gewissheit und nicht noch mehr seiner Männer und Frauen in den Tod führen. Der heutige Zwischenfall kurz vor Eintreffen des Diplomaten war ärgerlich, doch die erhitzten Gemüter kochten viel zu sehr und kaum einer konnte seinen Zorn zurückhalten, eine Sache die Matescuu eigentlich immer gelang. Er hatte sich immer unter Kontrolle, es war zwingend für seine Position sich nicht reizen oder aus der Ruhe bringen zu lassen.
„Ein kleiner Zwischenfall, der bedauerlicherweise zu einem kurzen Kampf geführt hat.“, antwortete er verspätet auf die Frage des Engels.
„Zwischenfall? Und wer war an diesem Zwischenfall Schuld?“
„Was wurde euch denn erzählt? Sicherlich, dass meine Männer die Truppen des Himmels angegriffen haben, oder?“ Er musste das kurze Nicken Arithiels nicht abwarten, er wusste die Antwort schon vorher. „Aber dem war nicht so, ich habe meine Männer unter Kontrolle!“ Seine Stimme klang ein wenig barsch und ein Funken Zorn schwang in ihr mit, aber der Dämon hatte sich augenblicklich wieder unter Kontrolle. „Die Wahrheit herauszufinden, liegt bei euch.“
Arithiel fixierte ihn und schloss die Augen. Aus einem irrealen Grund schenkte er dem Heerführer Glauben und fühlte sich in seiner Annahme bestätigt. Er kannte die Geschichten um Matescuus Heer und um den Krieger der es anführte. Er hatte seine Männer stets unter Kontrolle und würde so einen sinnlosen Vergeltungsschlag niemals akzeptieren. Matescuu war ein strenger, aber auch gerechter Heerführer und duldete kein sinnloses Gemetzel, egal wie sehr er die Engel hasste.
Schließlich wandte sich der Dämon wortlos ab und machte sich mit Utuk auf den Weg in sein Zelt. Sein Berater sprach leise in der Sprache der Unterwelt mit ihm und Arithiel verstand nichts von dem, was die beiden Dämonen besprachen. Doch bemerkte er, dass Matescuu ungehalten und verärgert reagierte, konnte jedoch nicht einschätzen, was dafür der Grund war.

Arithiel sah Matescuu erst Stunden später zur ersten Ratssitzung wieder. Er hatte ausführlich mit Thariel gesprochen, doch auch hier stieß er auf die Behauptung, dass die Dämonen den Streit begonnen hatten. Der Diplomat hatte den Ausführungen des Heerführers schweigend gelauscht, jedoch keinen Kommentar zu den Schilderungen abgegeben. Die Erscheinung des Dämons spukte ihm so nachhaltig durch den Kopf, dass es ihm schwer fiel zu konzentrieren, zudem hatte er das vollkommen abstrakte Gefühl zu Matescuu zu gehören und spürte förmlich die Verbindung zwischen ihnen, die unmöglich existieren konnte. Sie kannten sich nicht, waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht und hatten keinerlei Berührungspunkte, dennoch konnte Arithiel seinen unbändigen Drang den Dämonen kennenzulernen nicht unterdrücken.
Die erste Sitzung verlief problematisch. Der Diplomat aus Styx war weder eingetroffen, noch hatte man Nachricht über dessen Verbleib erhalten. Eine bedrückende Atmosphäre lastete auf der Gruppe und Arithiel, der als Einziger der Runde kein Krieger war, fühlte sich beklommen, besonders da die Unterredungen von Kälte und Hass geprägt waren. Sicherlich, jeder wahrte die Form, unterdrückte seinen Zorn, dennoch wusste er schon jetzt, dass auf diesem Weg kein Frieden geschlossen, geschweige denn überhaupt nach den Ursachen des Krieges gesucht werden konnte. Der dämonische Diplomat war wichtig für die weiteren Entwicklungen, denn der junge Engel konnte unmöglich alleine versuchen die Streitigkeiten beizulegen und sich auf die Suche nach den Motiven der Kämpfe begeben.
„Aufgrund der ersten Unruhen auf den Feldern der Brücke wurden wir hierher geschickt. Als ich und mein Heer eintrafen, hat man von Seiten der Dämonen bereits Stellung bezogen.“, erklärte Thariel, der Matescuu in gewisser Weise ähnlich war. Er hatte denselben Körperbau und obgleich er sich um Ruhe bemühte, war ihm deutlich anzusehen, dass er Matescuu weder achtete noch schätzte. „Der Krieg wurde nicht von uns begonnen, wir kamen nur hinzu, nachdem man erfahren hatte, dass die dämonischen Truppen eine kriegerische Handlung planten.“
„Es geht hier nicht um Schuldzuweisungen. Wir sind hier, um herauszufinden, was passiert ist und was jetzt zu tun ist.“, wand Arithiel ein und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Gespräche drehten sich im Kreis, die Aussagen waren zu konträr, um sie miteinander in Einklang zu bringen und keiner der beiden Heerführer schien zu lügen. Irgendetwas stimmte hier nicht.
„Aber darin liegt doch die Lösung, Junge.“, sprach Thariel, ohne auf den jungen Diplomaten einzugehen. „Sie waren da, also sind sie auch Grund dieser sinnlosen Schlacht.“
„Das muss erst bewiesen werden. Wir kamen dazu, als eure Truppen schon da waren.“, entgegnete Matescuu und beobachtete die Gesichtszüge seines Gegners. Die beiden starrten sich wortlos an, doch ihre Blicke sprachen Bände. Ein sinnvolles Gespräch wurde immer unwahrscheinlicher, der Zorn auf die heutigen Kämpfe und damit das Brechen des Waffenstillstands kostete den beiden Heerführern momentan die Geduld und Ruhe, um diesem Rat beizuwohnen. Arithiel war sich sicher, dass auf diesem Wege gar keine Einigung stattfinden würde. Zu tief war der Hass in den Gedanken der gegnerischen Truppen verwurzelt und mit jedem Tag schlugen die Wogen höher und rissen immer mehr Krieger mit sich. Doch aus irgendeinem Grund konnte Arithiel niemanden erkennen, der sich hinter falschen Sätzen versteckte. Beide Auslegungen über den Ablauf waren überzeugend, flossen ab einem gewissen Punkt ineinander über, doch die Ursachen waren stets so definiert bei den anderen zu suchen, dass sich Arithiel fragte, ob nicht noch jemand seine Hände im Spiel hatte. Diese Schlacht basierte vollkommen auf Hass und jeder Kampf trug nur dazu bei diesen zu steigern. Er schloss für einen Moment die Augen und sinnierte über die bisherigen Aussagen. Er kam zu keinerlei Ergebnis. Eine weitere Macht war auszuschließen, es gab nichts was einen solchen Krieg schüren konnte. Hier konnten sich nur Engel und Dämonen aufhalten, Menschen oder andersartige Wesen vermochten es vor ihrem Tod nicht hierher zu finden. Falls es doch eine dieser Rassen sein sollte, worin lag der Grund die höheren Welten gegeneinander aufzuhetzen. Die Kämpfe hier wirkten sich auch nachteilig auf die Menschenwelt aus.
„Ich bin der Meinung, wir sollten die Unterredungen für heute beenden.“, schlug Arithiel nach einer Weile vor. „Ich bezweifle, dass wir momentan zu irgendwelchen Ergebnissen kommen, zudem sollten wir warten, bis der Rat komplett ist.“ Sein Blick überflog jeden Anwesenden und er nahm ein schwaches Nicken seitens Thariel wahr.
„Gut, dann werde ich dorthin zurück gehen, wo ich gebraucht werde.“ Matescuu erhob sich in einer unerwartet eleganten Bewegung, schob den schweren Stuhl zurück und wandte sich zum Gehen. „Bei meinen Männern; ich werde morgen wieder hier sein.“
Thariel und sein Begleiter Khalil erhoben sich ebenfalls und verließen schweigend das Ratszelt. Es war mit Abstand das größte Zelt des kleinen Lagers. Schwere Planen verdeckten den Eingang und das neutrale Grau der Stoffe verschwamm nun fast mit dem silbrigen Dämmerlicht. Arithiel trat ebenfalls nach draußen, holte anschließend tief Luft und schloss für eine Sekunde die Augen. Es war angenehm mild hier und die jetzige Ruhe wirkte sich auch positiv auf seinen Gemütszustand auf. Die erste Sitzung war wirklich nicht gut verlaufen, aber er hatte die vagen Hoffnungen, dass sich das morgen bessern würde.
„Wir sehen uns morgen, junger Diplomat.“ Die plötzliche Berührung an seiner Schulter, ließ Arithiel aufblicken und noch bevor er überhaupt erkennen konnte, wer mit ihm sprach, durchzuckte ihn eine seltsame Vision und er sah Bilder vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen, die er weder zuordnen, noch begreifen konnte. Er sah Matescuu, konnte seine Silhouette nur zu deutlich zwischen all den dunklen Flammen erkennen. Der Dämon war deutlich jünger, ein wenig schmächtiger, doch damals schon diszipliniert und trainiert. Der Engel besah sich die Situation- Matescuu als Sieger eines Kampfes, sein Gegner lag auf dem Boden, lebte wahrscheinlich nicht mehr. Der Heerführer betrachtete nur Sekunden lang seine linke Hand, ballte sie dann zornig zur Faust und gerade, als Arithiel das Gesicht des Dämons sehen konnte, zeriss das Traumbild und schleuderte ihn zurück.
Gleich einem Stromschlag stoben die beiden auseinander. Arithiel starrte Matescuu an, doch auch dieser blickte verwirrt auf die zierliche Person vor sich, die schwer atmete und gleichermaßen konsterniert war, wie er selbst. Allein diese Berührung hatte ein Siegel aufgebrochen, das spürte Matescuu. Er hatte den Engel zuvor weder berührt noch zufällig gestreift, erst in dem Augenblick des Abschiedes hatte er ihm die schwere Hand auf die Schulter gelegt. Er war mehr seinem Gefühl gefolgt, als dass er es wirklich willentlich getan hatte, doch hätte er gewusst, dass dies eine solche Reaktion hervorrufen würde, er hätte es unterlassen. Matescuu hatte es nicht verhindern können, einen Teil von Arithiels Vergangenheit zu sehen und dieser Umstand verwirrte ihn. Er hatte so viele Engel berührt, und sei es nur im Kampf und noch nie hatte er eine solche Vision gehabt. Er konnte nicht einmal genau sagen, warum er sich von dem Diplomaten verabschiedet hatte, doch es war wie ein unbändiger Drang in ihm gewesen, den anderen zu berühren.
„Arithiel? Ist alles in Ordnung?“ Khalil, der Begleiter Thariels stand plötzlich neben dem Engel und musterte ihn besorgt. Zufällig war er Zeuge dieses seltsamen Schauspieles, doch augenscheinlich war er nicht der einzige Verwirrte, auch die beiden Anderen starrten sich nur verstört an und versuchten zu verstehen, was eben geschehen war.
„Es ist nichts. Alles in Ordnung.“, murmelte Arithiel und atmete tief durch. Fahrig strich er sich die weißen Haare aus der Stirn und sammelte sich. „Euch auch eine angenehme Nacht.“
Matescuu bedachte den Diplomaten mit einem undeutbaren Blick, eher er sich ohne ein weiteres Wort abwandte und das kleine Lager mit herrischen Schritten verließ.

Die dunklen Locken woben sich in die weißen Strähnen und verschmolzen mit ihnen zu einer seltsamen Einheit, die seltsam vollkommen wirkte. Arithiel genoss die Umarmung des Mannes, der ihm sofort aufgefallen war, als er ihn bei der ersten Ratsversammlung kennengelernt hatte. Sein Interesse an diesem starken Krieger war geweckt worden und noch am selben Abend spürte er ein leicht mulmiges Gefühl in der Magengegend, die ersten Anzeichen für eine Verliebtheit, die er jedoch nicht zuzuordnen vermochte.
Nun jedoch war er bei Matescuu in einem der Zelte, fern ab von den Truppenlagern und bis auf einige Wachen war er allein mit dem Dämon, der ihm unaufhörlich über die weiße unversehrte Haut streichelte. Arithiel hatte bereits jede sichtbare Narbe des Dämons berührt, war mit den kühlen Fingern über die erhitzte Haut gefahren berührt und selbst jetzt erkundeten seine Hände den sehnigen Körper des anderen und genossen die leichte Gänsehaut, die er dadurch hervorrufen konnte. Herrische Lippen pressten sich plötzlich auf seine und nur zu gerne ließ der Engel den Kuss zu. Er gab sich dem Umwerben der Zunge hin, erwiderte den Kuss fordernd und schon bald war dieser auf eine ihm unbekannte Art erregend und intim zugleich. Er klammerte sich an die Schulter Matescuus, ließ sich zurücksinken und zog den Dämon mit sich.
Nur zu gerne ließ sich Matescuu zwischen den gespreizten Beinen des Diplomaten nieder, der scheinbar nur allzu deutlich mehr wollte, als nur Streicheleinheiten und für einige Sekunden hatte der Dämon Einblick in die Gedankenwelt des Engels. Er sah eine gerade erst erwachende Liebe, ebenso unbändige Lust und Neugier, Faszination und Angst. Eigentlich hätten diese Gefühl Matescuu verschrecken sollen, doch er ließ sich auf Arithiel ein. Warum er das tat, konnte er nicht sagen. Er mochte Engel nicht, da machte dieser hier keine Ausnahme, doch etwas verband sie, das spürte der Heerführer deutlich, doch er konnte nicht genau sagen, was es war.
Arithiel bekam nichts von den Gedanken des Dämons mit, er genoss die Streicheleinheiten und die rauen Hände, die ihn unterdessen in Flammen setzten. Er spürte Lust und Erregung in sich aufsteigen und konnte sich ein kehliges Stöhnen nicht mehr verkneifen. Nie zuvor war er dermaßen erregt gewesen und nach einer Weile konnte er nur die Augen schließen und sich den fordernden Berührungen hingeben. Wie in Trance reckte er sich den suchenden, erfahrenen Händen entgegen, die irgendwann zwischen seine Beine glitten und dort begannen, ihn zu reizen und immer mehr um den Verstand zu bringen. Er spürte die Finger deutlich über sein Glied streichen, den Daumen, der fordernd über seine Eichel strich und sofort kam ihm ein lautes Stöhnen über die Lippen. Er wand sich auf den Fellen und Decken, die auf dem trockenen Boden ausgebreitet waren und nahm nur gedämpft das leise Lachen des Dämons wahr, der sich über seine Brust neigte und dort entlang küsste, sich an den Brustwarzen festsaugte und gierig darüber leckte. Matescuu musste sich eingestehen, dass ihn dieser Anblick mehr erregte, als er gedacht hatte. Der feminine Engel musste ihn nur mit diesem lustgetränkten Blick ansehen und er vergaß vollkommen, was er hier überhaupt tat. Noch bevor seine Gedanken wieder geregelte Bahnen annehmen konnten, schob sich der Dämon höher, spreizte die Beine des Engels und drang er langsam in ihn. Der Körper unter ihm verkrampfte sich und er glaubte den Schmerz, den er damit hervorrief selbst zu spüren, als er sich immer tiefer in den Engel schob und schließlich verharrte. Er hatte sich nicht damit aufgehalten den Engel auf ihre Vereinigung vorzubereiten und wirkliche Reue empfand er nicht für seine Tat, dennoch verharrte er und beobachtete Arithiel mit brennenden Augen. Tränen liefen über Arithiel Wangen und er hatte die Zähne fest aufeinander gebissen. Das Gefühl innerlich zu zerreißen wurde nicht weniger, im Gegenteil, das Brennen wurde immer schlimmer und doch verbot er sich jetzt aufzuschreien. Sein Blick fiel auf Matescuu, der nun wartete und sich zurückhielt, doch er schaffte es nicht sich zu entspannen. Unerwartet sanft begann Matescuu den Engel zu küssen, verwob seine Zunge in einen leidenschaftlichen Kampf und zumindest ansatzweise konnte sich der Diplomat entspannen. Der Dämon spürte wie die schmerzhafte Verkrampfung um ihn nachließ und ihm endlich etwas Platz verschaffte um sich wieder bewegen zu können und ohne zu zögern zog er sich zurück, um augenblicklich wieder in ihn zu stoßen. Ein schmerzerfülltes Stöhnen war die Antwort, doch Matescuu vermochte es nicht sich weiter zurück zu halten und Rücksicht zu nehmen. Seine Lust und sein Verlangen waren zu stark und übermannten ihn schließlich, ließen ihn einen heftigeren Rhythmus anschlagen, den Arithiel zu Beginn kaum genießen konnte, doch nach einigen Minuten zu erwidern begann. Laut aufstöhnend, bog er sich dem Dämon entgegen und klammerte sich haltsuchend an ihn. Matescuus Glied war riesig, es füllte ihn komplett aus und noch immer spürte er ein quälendes Ziehen, wenn der Dämon sich bewegte. Dennoch genoss er diesen Akt und gab sich mehr als freiwillig hin. Auch Matescuu wurde nun lauter und wilder und Arithiel ließ sich von der Leidenschaft mitreißen. Die Verbindung der beiden war intensiv und für einige Sekunden hatte der Engel das Gefühl jeden Gedankengang des Anderen lesen zu können, wie ein offenes Buch konnte er erkennen, was in dem Dämon vor sich ging und er glaubte selbst in ihm versunken zu sein. Der Höhepunkt kam plötzlich und riss beide mit sich. Heftig entlud sich Matescuu in dem schmalen Körper und auch Arithiel erreichte den Klimax mit einem Aufschrei. Schwer atmend ließ sich Matescuu neben den weißhaarigen Engel fallen und brauchte eine Weile um sich zu fangen. Augenblicklich prasselte die Erkenntnis auf ihn hernieder, was er eigentlich gerade getan hatte und sein Blick richtete sich auf Arithiel, der die Augen geschlossen hatte und schon fast eingeschlafen war. Matescuu richtete sich leicht auf, wollte dazu ansetzen etwas zu sagen, doch das Bild vor seinen Augen verblasste, verschwamm schließlich und er wachte auf.

Keuchend und mit rasendem Herzen saß Matescuu aufrecht auf seinem Nachtlager. Natürlich war er allein, niemand lag neben ihm, was auch für einen Engel schwierig geworden wäre, immerhin befand er sich im Zentrum seines Truppenplatzes. Seine Kleidung war feucht, teilweise weil er verschwitzt, teilweise natürlich, weil der Traum mehr als nur realistisch gewesen war und deutliche Spuren zurück gelassen hatte. Zudem war er verwirrt und wusste nicht, ob es vielleicht doch Realität gewesen war, immerhin konnte er sich nur zu genau an den Geschmack des Engels erinnern, an das heisere Stöhnen und die Enge, die ihn umgeben hatte. Wut stieg in ihm auf, als er sich gewahr wurde, dass er vollkommen die Kontrolle über sich und die Situation verloren hatte. Ruckartig erhob er sich und ließ die Decke zu Boden sinken, ging hinüber zu einem niedrigen Tisch auf dem eine Schüssel mit Wasser stand und wusch sich. Seine Gedanken drehten sich unaufhörlich um Arithiel und er wusste zu gut, dass er von nun an vorsichtig in dessen Nähe sein musste. Erst diese Visionen, als er den Diplomaten berührt hatte und nun dieser Traum. Gänzlich unberührt blieb er nicht davon, aber er durfte sich auf keinen Fall etwas anmerken lassen.
Bereits eine Stunde später war Utuk bei ihm aufgetaucht, hatte sich in das Zelt geschoben und stand nun am Eingang. Die schwere Plane hinter sich geschlossen, wartete er darauf, dass Matescuu fertig wurde, doch dieser war oft in Gedanken versunken und ganz anders, als Utuk es gewohnt war. Er musterte seinen Herren mit einem undeutbaren Blick, war schweigsam und wirkte ein wenig verärgert. Der Dämon hatte durchaus den schweren Geruch wahrgenommen, als er das Zelt Matescuus betreten hatte und konnte sich nur zu bildlich vorstellen, was gestern Nacht hier von statten gegangen sein musste. Dabei hatte Matescuu stets Beziehungen mit seinen eigenen Leuten abgelehnt, weder Mann noch Weib an sich heran gelassen, doch dieses Mal muss er seinen eigenen Regeln untreu geworden sein. Eine brennende Eifersucht machte sich bei Utuk bemerkbar, wurde er selbst bereits von seinem Heerführer zurückgewiesen. Schweigend verließen sie das Lager, nachdem Matescuu seinen Generälen noch einige Anweisungen gegeben hatte und sie zur Vorsicht mahnte, sich nicht reizen zu lassen.
In den frühen Morgenstunden war auch endlich der Diplomat aus Styx eingetroffen, es schien einige Probleme im Palast Yamas gegeben zu haben und so wurde ein Matescuu unbekannter Dämon geschickt, der sich als Narsir vorstellte. Der junge Mann war groß gewachsen, trug edle Gewänder und keinerlei Waffen, wie es für Diplomaten üblich war. Sein langes dunkles Haar war streng zu einem Zopf zusammengefasst und die hakenförmige Nase dominierte das etwas breitere Gesicht. Schon von Anfang an war klar, dass Narsir ungern diese Aufgabe angenommen hatte und lieber in Styx geblieben wäre. Ein Mangel an Höflichkeit war durchaus zu spüren und Matescuu ärgerte sich darüber, dass die Unterwelt einen solchen Diplomaten entsandt hatte. 
Der Rat war nun endlich komplett und hatte sich bereits in dem großen Zelt versammelt. Helle und dunkle Flammen waren entzündet worden, Papier und Federn, Karten und Bücher lagen auf dem großen Tisch ausgebreitet und einige Speisen waren unterdessen herbeigeschafft worden, um während der langen Gespräche dem Hunger vorzubeugen. Es war eine bizarre Mischung aus beiden Ländern und das Zelt wirkte seltsam chaotisch auf diese Art, obwohl alles seinen festen Platz hatte.
Arithiel fehlte zu Beginn und erschien erst als Letzter bei der Versammlung. Er bewegte sich stockend und schob nur vorsichtig die schwere Plane zur Seite. Sofort waren die Augen aller Anwesenden auf ihn gerichtet und er wurde noch eine Spur blasser um die Nase. Der Diplomat wirkte krank, unausgeschlafen und bewegte sich äußerst hölzern und unelegant zu seinem Stuhl hinüber.
„Es tut mir leid, dass ich zu spät bin.“, murmelte er leise als Entschuldigung und vermied es auch nur in Matescuus Nähe zu blicken. Dieser musste verwirrt feststellen, dass Arithiel nicht nur Probleme hatte, sich richtig zu bewegen, sondern auch damit sich zu setzen, denn als er auf seinem Stuhl Platz nehmen wollte, zog er scharf die Luft durch die Zähne. Der Dämon konnte nicht genau sagen, ob ihn das nun beunruhigen sollte, oder nicht, doch es war offensichtlich, dass sein Traum von letzter Nacht nicht ganz so unwirklich gewesen war, wie er gedacht hatte. Entweder war ihre Affäre alles andere als ein Traum, oder etwas Seltsames ging hier von statten.
„Arithiel, ist alles in Ordnung?“, fragte Khalil vorsichtig und riss damit auch Matescuu aus seinen Gedanken. „Du siehst nicht gut aus. Ist etwas passiert?“ Ungewollt wanderte der Blick des Engels zu Matescuu, der den himmlischen Diplomaten genau und vor allen Dingen wissend gemustert hatte. 
„Ja, macht Euch keine Sorgen, ich habe nur nicht so gut geschlafen. Ich bin es noch nicht gewohnt in einem Zelt zu nächtigen.“ Arithiel hob den Kopf und sah Khalil kurz an, dann schien er sich zu sammeln und straffte die Schultern.
„Dann können wir ja endlich beginnen.“, mischte sich Narsir nun ein. „Da ich gestern zu meinem Bedauern noch nicht anwesend war, will ich mich kurz vorstellen. Ich bin Narsir und als Diplomat aus Styx angereist um diese Schlacht möglichst bald zu beenden und die Hintergründe zu erörtern.“
Ein zustimmendes Nicken erfolgte und Narsir setzte sich wieder. Er hatte sich bereits Notizen gemacht und wusste um die Kämpfe des gestrigen Tages, auf die er in seinen weiteren Ausführungen sein Hauptaugenmerk legte, ein Punkt, den Arithiel nicht unterstützen konnte. Er bestand darauf diese Kriegshandlung vorerst aus den Gesprächen auszuschließen, um sich den eigentlichen Problemen zuzuwenden- dem Grund dieses Kleinkrieges. Nach einer fast dreistündigen Diskussion hatte er endlich auch den anderen Diplomaten überzeugt und sie konnten mit dem eigentlichen Fall beginnen. Es stellte sich als äußerst schwierig heraus, die unterschiedlichen Informationen zu erfassen und geistig in eine Ordnung zu bringen. Auch die zusätzliche Nacht hatte nichts an den Aussagen geändert, sie erreichten ebenso schnell eine Sackgasse.
„Wir wurden auf Yamas Befehl hin zur Brücke geschickt, da es dort Anzeichen von kriegerischen Aktivitäten gab.“ Matescuu wusste nicht, wie oft er diese Erklärung bereits von sich gegeben hatte, doch allmählich bröckelte auch seine kalte, neutrale Fassade und ließ nur zu deutlich auf seinen Zorn schließen. „Als wir dort ankamen, waren die Truppen Kuschs bereits da.“
„Wer hat den ersten Angriff gestartet?“, wollte Arithiel wissen und unterband so den Protest Thariels, der bereits dazu ansetzte erneut zu berichten, dass es in Wahrheit genau andersherum verlaufen war.
„Beide Heere, denke ich.“, war die ehrliche Antwort des Dämons und er heftete seine dunklen Augen auf Arithiel, der jedoch den Blickkontakt augenblicklich abbrach. Der Engel war verwirrt, nicht wegen Matescuu, sondern weil er nicht herausfinden konnte, wer von den anwesenden Parteien log. Er war Diplomat geworden, weil er die Fähigkeit hatte zu erkennen, wer log und wer die Wahrheit sprach. Bisher konnte er immer in die Gedanken der anderen eintauchen und unwillkürlich offenbarte sich ihm jedes Mal, wer letztendlich die Unwahrheit von sich gab. Nur dieses Mal brachte ihm diese Befähigung nichts. Jeder sprach die Wahrheit, doch die Aussagen ließen sich nicht wirklich verbinden, sie passten einfach nicht zusammen. Es war ihm untersagt seine Fähigkeit preiszugeben, daher konnte er nur schwer mit den anderen diskutieren oder seine Vermutungen offen äußern. Es musste eine weitere Partei ihre Hände im Spiel haben, aber genau das war unmöglich. Kein Wesen aus der Menschenwelt konnte überhaupt nur hierher gelangen, geschweige denn im Hintergrund anfangen die Fäden zu ziehen. Gedankenverloren hob Arithiel den Becher und nippte leicht an dem hellen, klaren Gebräu. Dann besah er sich die anderen Ratsmitglieder, die nun schon seit etlichen Stunden über den Vorfall diskutierten, doch zu keiner Lösung kamen. Einzig und allein Matescuu hielt sich aus den Diskussionen heraus, achtete nur beiläufig auf die Aussagen und beobachtete unverdrossen Arithiel.
„Vielleicht ist keine der Parteien Schuld am Ausbruch des Kampfes.“ Obwohl Arithiel nicht allzu laut gesprochen hatte, ebbten die Gespräche ab und alle Augen richteten sich auf den jungen Diplomaten. Unverdrossen fuhr er fort: „Naja, immerhin scheinen wir in einer Sackgasse zu sitzen und ja keiner von seinem Standpunkt zurückweichen will, sollten wir vielleicht…“
„Das ist vollkommen unmöglich.“, unterbrach ihn Narsir unwirsch und fing sich dadurch entrüstete Blicke der Engel ein. Es gehörte zur Höflichkeit jemanden aussprechen zu lassen. „Es gibt keine Wesen, die hierher gelangen können.“
„Das ist so nicht ganz richtig.“ Matescuu mischte sich nun doch in die Gespräche und augenblicklich verstummte Narsir. „Neben Engeln und Dämonen können auch Turiden hierher kommen und die höheren Welten betreten.“
Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen den Mitgliedern aus und alle sahen Matescuu an, der seinen Blick zwischen den Gesichtern wandern ließ. Sicherlich, es war ein seltsamer Einwurf und im Grunde völlig unangebracht, dennoch wollte er sie von dem Irrtum befreien, dass es niemanden gab, der die Brücke betreten konnte.
„Das ist absurd! Turiden sind Dienerkreaturen. Sie sind absolut machtlos und einfältig.“, sagte nun Thariel und sah Matescuu mit einer Mischung aus Verblüffung und Unglaube an. Solche Worte hatte er nicht aus dem Munde des kühlen Heerführers erwartet, war die Rasse der Turiden doch eine schwache Dienerkaste, die sowohl Engeln als auch Dämonen dienen konnte. Sie waren klein, kaum einen Meter groß und von äußerst schmaler Statur. Sicherlich, sie beherrschten Magie und Zauberei, konnten teilweise besser hexen als so mancher Meister dieses Fachs, doch es war ausgeschlossen, dass diese Wesen es geschafft haben sollten solch ein komplexes Geflecht aus Intrigen und Lüge zu spinnen. Thariels Geist konnte keine Verbindung zu den Turiden und den Kämpfen hier finden. „Es gibt keinen Anlass dieser Aussage überhaupt Beachtung zu schenken.“
„Warum nicht?“, fuhr nun Arithiel dazwischen und sah Thariel fest an, der nach diesen Worten aufgesprungen war. „Wir sollten allen Mutmaßungen nachgehen.“ Der Diplomat konnte in den Gedanken Thariels deutlich die Frage wahrnehmen, auf welcher Seite er jetzt eigentlich stand und ob er sich neuerdings auf die der Dämonen schlage. „Wir sollten nichts ausschließen, solange wir keine Hinweise haben, ansonsten übersehen wir vielleicht dachen und werden unvorsichtig.“
„Arithiel, mein lieber Junge, ich glaube kaum dass du das beurteilen kannst.“, fuhr Thariel nun in einem väterlichen Ton fort, der dem jungen Engel gar nicht gefiel. „Turiden sind schwach und wehrlos. Sie werden es nicht wagen…“
„Ist es nicht etwas zu selbstsicher und überheblich so etwas zu behaupten?“ Was tat er hier eigentlich? Er legte sich doch tatsächlich mit dem Heerführer Kuschs an, seinen eigenen Leuten und er registrierte durchaus, dass die Dämonen das Schauspiel mit leicht spöttischen Mienen folgten. Wieso unterstützte er überhaupt Matescuus Idee und Vorschlag in dieser Richtung Nachforschungen anzustellen? Es war doch eigentlich unmöglich, dass die Turiden damit etwas zu tun hatten, oder nicht. Sein Verstand schrie ihm förmlich zu endlich zur Besinnung zu kommen, doch sein Herz weigerte sich beharrlich zu schweigen. „Wir könnten dem Ganzen wenigstens nachgehen!“
Thariel und Khalil bedachten ihn mit seltsamen Blicken und diese sagten mehr als tausend Worte.
„Ich glaube wir sollten für heute aufhören oder zumindest eine Pause machen.“, schlug Utuk vor und deutete auf die Stundenkerzen, die schon zur Hälfte abgebrannt waren. „Wir sitzen schon seit fast sechs Stunden hier. Vielleicht sollten wir die Gemüter beruhigen und uns ein wenig ausruhen.“
„Ich unterstütze diesen Vorschlag.“ Khalil nickte Utuk zu und wandte sich and Thariel. „Danach sind wir vielleicht wieder etwas objektiver bei den Diskussionen.“ Die sanfte Stimme des Engels und der tiefe Blick in die blauen Augen des Heerführers schienen Wunder zu wirken. Thariel setzte sich wieder und schwieg. Scheinbar hatte sein Berater ihn wirklich unter Kontrolle und vermochte den hitzigen Heerführer zu bremsen und ein wenig zu lenken. Arithiel beobachtete die beiden einen Augenblick, ehe er sich erhob und den Stuhl zurück schob.
„Ich brauche etwas frische Luft.“, sagte er leise und durchschritt das große Zelt. Erst als er die Tücher hinter sich geschlossen hatte, atmete er tief durch. Das matte Licht des Tages wich dem dumpfen Grau der Nacht. Es wurde merklich dunkler, aber nie so dunkel, dass er sich vor der Schwärze fürchten musste. Der Himmel hier blieb stets in einem silbrigen Farbton gehalten und das fahle Licht war nicht einmal andeutungsweise so hell, wie Arithiel es von seiner Heimat her kannte. Doch den Dämonen musste es ähnlich ergehen, immerhin waren diese ja die Dunkelheit gewöhnt. Arithiel streckte sich unbeholfen, seine Glieder schmerzten und die ganze Zeit zu sitzen war alles andere als angenehm gewesen. Im nächsten Atemzug wusste Arithiel, dass er nicht mehr allein war. Er spürte die Präsenz Matescuus und als er sich umdrehte konnte er die stolze Statur des Dämonen sehen, der gerade aus dem Zelt an die frische Luft trat. Eigentlich wollte Arithiel nun erst recht fort von hier, doch etwas hielt ihn dazu an zu bleiben.
„Wieso habt ihr meine Meinung unterstützt?“, fragte Matescuu nun und musterte den Engel vor sich.
„Weil ich glaube, dass man der Sache nachgehen und etwas mehr Beachtung schenken sollte.“, erwiderte Arithiel ehrlich, mied es aber Matescuu weiterhin anzusehen und wandte dem Dämon den Rücken zu. Er fühlte sich nach der letzten Nacht äußerst unbehaglich in dessen Nähe und der Traum, den er die letzten Stunden erfolgreich verdrängt hatte, kehrte nun brutal in sein Gedächtnis zurück. Bis jetzt hatte er nicht herausfinden könne, warum er das geträumt hatte und noch verwunderlicher war, dass sein Körper durchaus Male davon getragen hatte. Es war nicht wirklich passiert, aber dennoch schmerzte jede Bewegung. Aber er konnte unmöglich den Dämonen darauf ansprechen, allein der Gedanke ließ seine Wangen vor Scham glühen und diese Blöße wollte er sich nicht geben.
„Ihr wirkt verkrampft. Habt ihr Schmerzen?“ Matescuu klang unbeteiligt und kalt, er hätte genauso gut nach der Farbe des Himmels fragen können und ohne, dass Arithiel es kontrollieren konnte wurde er rot. Der Dämon hatte ihn durchschaut und in ihm wurde die Neugier immer größer, ob vielleicht auch Matescuu davon geträumt hatte.
„Nein, es ist alles in Ordnung.“ Es kam seitens Matescuu keine weiteren Fragen, dennoch blieb er und beide betrachteten den Himmel und die beiden Lager. „Ich frage mich, was wirklich hinter all dem steckt.“, begann Arithiel leise und seufzte.
„Eure Gedanken kreisen zu sehr um diese Schlacht. Mich beschäftigen momentan andere Dinge.“ Der Diplomat wandte sich dem Dämon wieder zu, der unterdessen dazu übergegangen war ihn zu betrachten. „Ihr dürftet gestern mitbekommen haben, dass etwas geschehen ist, als wir uns berührten, davon abgesehen habt Ihr sicherlich einen äußerst lebhaften Traum gehabt letzte Nacht.“ Unbeeindruckt stellte Matescuu fest, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Die blaugrauen Augen weiteten sich entsetzt und der Diplomat wurde blass. Das war für den Heerführer durchaus die Antwort die er haben wollte. Der Engel hatte also wirklich den Traum erlebt, so wie er ihn körperlich gespürt hatte. Jetzt galt es herauszufinden, was dafür die Ursache war. Für ihn war dies wichtiger als die Ratsversammlung selbst und er würde nicht eher Ruhe finden können, bis er herausgefunden hatte, was genau hier eigentlich vorging. Arithiel schwieg beharrlich, hatte den Kopf gesenkt und es war ihm deutlich anzusehen, dass er diese Unterhaltung nicht wirklich fortsetzen wollte. „Ich bin der Meinung wir sollten darüber reden.“
„Worüber denn genau?“, fragte der Engel unsicher und trat einige Schritte zurück.
„Ich, ich denke das wisst Ihr. Ihr hattet denselben Traum wie ich und scheinbar war er doch realer, als ich dachte.“ Die einzige Antwort des Diplomaten bestand aus einem erschrockenen Laut und tiefroten Wangen und noch bevor Matescuu weiterreden konnte, wurden sie von Khalil unterbrochen.
„Arithiel! Wir wollten kurz mit dir reden.“ Misstrauisch beobachtete Khalil die beiden. Er hatte nicht mitbekommen, worüber sie gesprochen hatten, doch durchaus den tiefen Schrecken in Arithiels Augen und das Zurückweichen vor Matescuus. Ihm gefiel die ganze Sache nicht. Der Dämon fing den jungen Engel zu oft ab und es war deutlich zu sehen, dass er Arithiel in Bedrängnis brachte. Khalil hatte den Diplomaten während des Tages genau beobachtet und war sich sicher, dass irgendetwas am gestrigen Abend vorgefallen sein musste. Nervosität und Unruhe waren deutlich in den Handlungen des anderen Engels spürbar gewesen und dieses kurze Aufeinandertreffen mit Matescuu bestätigte ihn in der Annahme, dass dieser daran die Schuld trug.
Arithiel war durchaus froh und erleichtert über die Unterbrechung, konnte er sich doch endlich von Matescuu loseisen, der nur einen kalten Blick zu Khalil hinüber warf. War er zornig, so merkte man es ihm nicht an, doch gerade als Arithiel an ihm vorbei wollte, hielt ihn der Dämon zurück, umfasste den zierlichen Arm, den er so leicht hätte zerbrechen können und bemerkte erst jetzt, dass das ein Fehler war. Unkontrolliert strömten die Bilder auf seinen Geist ein, alles Erinnerungen Arithiels, wobei die der letzten Nacht am präsentesten war. Matescuu sah sich und den Diplomaten in ihrem äußerst erotischen Liebesspiel und unweigerlich erregte ihn dieser kurze Anblick. Doch er sah den Engel auch in jüngeren Jahren, fast noch als Kind und ein weitere Gedanke manifestierte sich plötzlich in ihm, ohne dass er es hätte verhindern können- Arithiel war ein Wahrheitsseher. Er konnte Lüge von Wahrheit unterscheiden, was ihm einen besonderen Status unter den Diplomaten verlieh. Noch bevor er genauer nachforschen konnte, riss die Verbindung und der Engel taumelte von ihm weg. Der Informationsfluss versiegte augenblicklich und Matescuu befand sich schlagartig wieder in der Realität.
„Arithiel!“ Khalil war zu ihnen gelaufen und stützte seinen Freund. „Ist alles in Ordnung? Was war denn los?“ Er betrachtete das blasse Gesicht, doch erhielt keine Antwort. Arithiel hatte zu sehr mit dem zu kämpfen, was er gerade gesehen hatte. „Was habt Ihr mit ihm gemacht?“ Khalils Worte richteten sich nun an den Heerführer, der unbeteiligt einige Meter entfernt stand und sich nicht im Geringsten darum zu kümmern schien, was passiert war.
„Ich habe gar nichts getan.“
„Khalil, es ist in Ordnung. Ich bin nur gestolpert.“, sagte Arithiel leise um seinen besorgten und aufgebrachten Kameraden von einer törichten Tat abzubringen. Mit einem leisen Schnauben verstummte der Engel auch, warf Matescuu jedoch einen warnenden Blick zu. Er glaubte nicht ganz an das, was Arithiel gesagt hatte und schon gar nicht an Matescuus beschönigende Worte, doch er durfte jetzt nicht einen weiteren Ausbruch der Kämpfe riskieren. Doch Matescuu ließ ihm dafür nicht einmal die notwendige Zeit, sondern wandte sich schweigend ab und verließ das Lager.

Sie hatten Beide gehofft eine ruhige Nacht zu verbringen, doch ihre Träume ließen sie erneut nicht zur Ruhe kommen. Wesentlich erotischer und leidenschaftlicher war ihre Zusammenkunft und dieses Mal schliefen sie nicht nur ein Mal miteinander, sondern verfielen einander mehrfach. Arithiel gewöhnte sich nach und nach an Matescuu, konnte die leidenschaftlichen Spiele genießen und spürte, wie er sich immer mehr in den Dämon verliebte.
„Ich frage mich, wieso wir das träumen.“, fragte Arithiel leise und fuhr mit den Fingerspitzen die Narben auf Matescuus erhitzter Haut nach. Obgleich ihm nun alles wehtat, war es schön gewesen und zugleich auch ermüdend. Der Engel war erschöpft, doch er wollte jetzt nicht durch den Schlaf von dem Dämon getrennt werden, zu viele Fragen lagen ihm auf den Lippen und er wollte endlich herausfinden, warum sich ihre Seelen in den Träumen trafen und auf diese Art miteinander verbanden.
„Ich weiß es nicht.“, entgegnete Matescuu nun wieder beherrscht. Er war noch vor wenigen Stunden vollkommen anders gewesen, doch das störte Arithiel nicht. Er wusste nur zu genau, wie wild und leidenschaftlich der andere sein konnte, dass er wesentlich sanfter und romantischer veranlagt war, wenn er sich nicht hinter einer Maske versteckte.
„Was geschieht jetzt mit uns?“, fragte der Engel weiter und schloss die Augen. Die Müdigkeit nahm ihn nun immer weiter gefangen und obwohl er eigentlich noch mit Matescuu reden wollte, konnte er nicht verhindern, dass er beinahe sofort einschlief. Der Dämon schüttelte leicht den Kopf und schwieg, während er den anderen betrachtete. Er musste unbedingt herausfinden, warum sie so stark aufeinander reagierten, nicht nur körperlich, nein auch ihre Seelen riefen sich gegenseitig. Er spürte diese Verbindung, die immer stärker wurde und diese Entwicklung beunruhigte ihn. Das hier war ein Engel und egal ob es nun Traum war oder nicht, wirklich positiv wirkte sich diese Beziehung nicht auf die bevorstehenden Versammlungen aus. Er musste mit Arithiel reden wenn sie alleine und ungestört waren.

Arithiel schlief tief und fest, doch der schwere Geruch von Sex hing in dem Zelt und umgab den Engel wie ein Schild, als Matescuu das Lager erreichte und das Zelt des Diplomaten betrat. Er war noch in derselben Nacht aufgebrochen, hatte Utuk nur kurz Bescheid gesagt und den mürrischen Blick seines Beraters ignoriert. Er musste sich vor ihm nicht rechtfertigen oder erklären, doch sein plötzlicher Aufbruch musste ein seltsamer und vollkommen untypischer Anblick gewesen sein. Doch er brauchte endlich Gewissheit und musste mit dem Diplomaten reden, denn so konnte das nicht weitergehen. Es war kein Problem gewesen unbemerkt in das zelt des Engels zu gelangen, es würde viel problematischer sein unentdeckt wieder wegzukommen, wenn dieses Gespräch zu lange dauern würde oder im schlimmsten Fall hier gefunden zu werden. Doch darüber wollte er sich nun keine Gedanken machen, ein absolut untypischer Gedankengang, hatte er doch immer mehrere Pläne gemacht, bevor er überhaupt in Aktion trat.
Er trat leise zu Arithiel, der unter einigen Decken vergraben lag und nichts von seiner Anwesenheit mitbekam. Matescuu sah einige silbrig blutige Flecken, mehrere tiefrote Stellen an der blassen Haut des Halses und auch die verräterischen weißen Spuren, die er auch bei sich entdeckt hatte, nachdem er aufgewacht war. Arithiel erlebte die Träume wirklich so wie er selbst sie wahrnahm und umso dringender wurde eine Aussprache. Um einen körperlichen Kontakt zu vermeiden räusperte er sich vernehmlich und setzte sich neben das niedrige Lager. Zunächst geschah gar nichts, Arithiel bewegte sich etwas und rollte sich in seine Richtung. Die Decke rutschte von seinem nackten Oberkörper, gab Matescuu die Möglichkeit den schmalen Körper des anderen zu betrachten, der nun noch mehr Male ihrer Zusammenkunft trug- Kratzer, kleine weiße Flecken, die bereits getrocknet waren, aber auch Verletzungen seines Unterleibes.
„Arithiel, wir müssen reden.“, sagte er lauter und tatsächlich zeigte dies endlich Wirkung, denn die Augenlider hoben sich und gaben die verklärten, verschlafenen Pupillen des Engels frei, der Matescuu direkt anstarrte, ohne ihn im ersten Moment wirklich wahrzunehmen. Doch schon im nächsten Moment schrak Arithiel zusammen und hätte fast aufgeschrien, wenn der Dämon ihm nicht nachdrücklich seine linke Hand auf den Mund gelegt hätte. Der Schrei drang nur gedämpft hervor und wie nicht anders zu erwarten, sah Matescuu erneut Puzzleteile und Gedankenfetzen des Diplomaten. Arithiel starrte ihn an, ruckte zurück und atmete hektisch ein und aus. Die Verbindung riss ab, ließ ein taubes Gefühl bei beiden zurück, dass sie nicht einordnen konnten und für einige Minute beobachteten sie den jeweils anderen skeptisch. Matescuu zog sich zurück, versteckte seine chaotischen und verwirrten Gedanken hinter seiner Maske aus Gleichgültigkeit, während Arithiel die Decken um seinen nackten Körper schlang und versuchte seine roten Wangen zu verstecken. Der Dämon hatte ihn nicht nur erschreckt, er hatte ihn in einem äußerst peinlichen Moment zu Gesicht bekommen. Arithiel hatte keine Ahnung, wie es dem Mann gelungen war hier unbemerkt einzudringen, doch seine Gegenwart war nicht unbedingt das, was er sich jetzt gewünscht hatte. Er überblickte die Situation und kam zu dem Entschluss, dass er unmöglich die Wachen rufen konnte. Er war nackt, allein mit Matescuu und man konnte auf einen Blick sehen, was hier geschehen sein musste- jedenfalls, was die Engel wohl annehmen würden. Die Röte auf seinen Wangen breitete sich glühend in seinem Gesicht aus und er senkte betreten den Kopf. Das hier war ein absoluter Alptraum für ihn.
„Wir müssen uns unterhalten.“, begann der Dämon und setzte sich nun wenige Meter entfernt auf den kahlen Boden. Er gewährte dem Engel einige Minuten um sich zu beruhigen und zu sammeln.
„Ich kann mir schon denken, worum es geht. Diese Träume, oder? Ihr habt sie ebenso wie ich.“ Der junge Engel hatte einen Teil seiner Fassung wiedererlangt und starrte nun abwesend auf die sandfarbene Decke. Seine weißen Haare schimmerten im schwachen Licht der Kerzen silbrig und umspielten die schmalen Schultern Arithiels. Er wirkte verloren, fast wie ein Kind, doch seine Stimme klang fest und er schien sich in der kurzen Bedenkzeit seine Worte zurechtgelegt zu haben. „Die Ratsversammlungen sind nicht mehr unser einziges Problem, ebenso die Friedensverhandlungen, auch wenn diese nicht ganz außer Acht gelassen werden dürfen.“
„Das verlangt auch keiner, ich möchte nur, diese Sache endlich klären, damit ich mich wieder auf das Wesentliche konzentrieren kann.“ Die herrische Stimme Matescuus war ein krasser Gegensatz zu der wohl klingenden Arithiels und für einen Moment brachte der Dämon seinen Gesprächspartner mit den ungewollt harschen Worten aus dem Konzept. „Diese Träume müssen aufhören.“
„Ja.“, gab Arithiel leise von sich und strich sich in einer fahrigen Bewegung die störenden Haarsträhnen aus dem Gesicht, zeigte so unbewusst seine Handinnenfläche und präsentierte Matescuu unerwartet die Antwort all ihrer Probleme. Als der Diplomat den Kopf hob und Matescuu ansah, bemerkte er, dass dieser wie erstarrt zu ihm blickte und kurze Zeit später funkelte Zorn und Erkennen in seinen Augen auf. Irgendetwas musste dem Dämonen eingefallen oder aufgefallen sein, seine kühle, neutrale Art war verschwunden und zeigte dem Engel, wie Matescuu wirklich war- kalt, berechnend und grausam. Zutiefst erschrocken und verwirrt zugleich erwiderte er den Blick, konnte aber nicht genau sagen, was die Wut des Dämons geschürt hatte.
„So ist das also…“, murmelte Matescuu und erhob sich in einer fließenden Bewegung, trat auf den Diplomaten zu, der verängstigt zurück wich und überlegte, ob er nicht zumindest einige Schutzformeln zurechtlegen sollte. Doch noch bevor er diesen Gedankengang beendet hatte, schloss sich die Hand Matescuus schmerzhaft um sein rechtes Handgelenk und riss ihn grob nach vorne. Mit einem erschrockenen Aufschrei stolperte Arithiel genau gegen den Dämon und die einbrechenden Erinnerungen des Heerführers drangen kurzzeitig in sein Bewusstsein, bevor sie brutal von diesem selbst unterbrochen worden. Arithiel spürte den massiven Ruck in seinem Geist und dass er fast schon aus der Gedankenwelt des Dämons verbannt wurde. Augenblicklich meldeten sich starke Kopfschmerzen und Übelkeit bei ihm, er keuchte auf und schloss sofort die Augen. Das hatte weh getan, mehr noch, ihn beinahe um den Verstand gebracht. Er musste jedoch feststellen, dass auch Matescuu nach dieser Aktion blass war und augenscheinlich ebenso gefühlt hatte wie er selbst. Dennoch hielt der Dämon sein Handgelenk fest und dachte nicht daran den Engel wieder freizugeben. Nachdem sich beide von der Unterbrechung ihrer mentalen Verbindung erholt hatten, fuhr Matescuu endlich fort: „Du bist also ein Seelenverwandter.“ Wie auf Kommando starrte Arithiel auf seine rechte Hand, sah das leicht rötliche Schimmern des Symbols in seiner rechten Handinnenfläche und wurde noch bleicher, als er schon war. Bisher hatte er immer darauf geachtet Handschuhe zu tragen, versteckte das Symbol vor den Augen der Anderen und zeigte niemanden dieses Zeichen, obgleich nur die Wenigsten überhaupt wussten, was es bedeutete. Arithiel kannte natürlich die Bedeutung der feinen geschwungenen Linien, die er bereits bei seiner Ankunft in Kusch auf seiner Hand getragen hatte und die ihn von den anderen Bewohnern des Himmels unterschied. Kein anderer Engel war mit einem Dämon verbunden, dafür war diese Verbindung zwischen zwei Seelen zu selten, doch stets war dieses Symbol der Beweis dafür Teil einer Seelenverwandtschaft zu sein.
Zwangsläufig drängte sich ihm die Frage auf, woher Matescuu von den Seelenverwandtschaften wusste und schlagartig tauchte in ihm das Bild des Dämons auf, welches er bei ihrer ersten Berührung gesehen hatte. Matescuu als Sieger eines Kampfes, die linke Hand zur Faust geballt und dennoch konnte er seine Vermutung nicht in Worte fassen. Konnte es sein?
„Du bist mit einem Dämon verbunden. Nur der Tod kann euch trennen und ihr teilt alles miteinander- Trauer und Freude, Hass und Liebe. So sagt es jedenfalls die alte Legende, hab ich recht!“, unterbrach Matescuu seine Gedankengänge. Es war keine Frage, Matescuu war dafür zu aufgewühlt. Oh ja, sie teilten alles, momentan konnte er nur deutlich spüren, wie groß die Schmerzen Arithiels waren. Sein eigenes Handgelenk peinigte auch ihn, aber er ließ nicht ab von dem Engel, der der Kraft des Dämons nichts entgegensetzen konnte.
„Ihr seid mein Seelenverwandter.“, sprach Arithiel schließlich die Worte aus, die ihn im Kopf herum schwirrten. Auf einmal machte alles Sinn- die gemeinsamen Träume, die mentalen Verbindungen, wenn sie sich berührten, das seltsame Band, was sie miteinander verknüpfte und sich um ein vielfaches stärker bemerkbar machte, seit sie sich begegnet waren. Die erste Berührung gestern hatte das Siegel gebrochen, die unübersehbare Brücke zwischen beiden aufleben lassen und nun konnte weder der eine noch der andere die Existenz dieses Paktes leugnen, den sie nicht freiwillig eingegangen waren. „Eure linke Hand. Ich habe gesehen, wie ihr sie betrachtet habt, gestern, als wir uns…“ Er sprach nicht weiter, als er den eisigen Blick Matescuus sah. Der Dämon schloss für eine Sekunde die Augen und konzentrierte sich darauf Herr seiner Gefühle zu werden und die Lage wieder unter Kontrolle zu bekommen. Er durfte sich nicht gehen lassen, er war Krieger, Heerführer und trug die Verantwortung für seine Männer. Diese Sache hier war zwar bedauerlich, aber er durfte nicht wegen einer solchen unvorhergesehenen Geschichte seine Neutralität und sein Ansehen verlieren.
„Das bin ich nicht.“, sagte er ohne jegliche Regung in der Stimme und ließ nun von Arithiel ab, der sich den schmerzenden Arm rieb.
„Aber…“, begann der Diplomat aufgebracht und schob sich ein wenig weiter zu dem Heerführer, der sich nun einige Schritte entfernt und ihm den Rücken zuwandte.
„Kein aber! Ich bin weder mit einem Engel verbunden, noch trage ich das Zeichen der Seelenverwandtschaft an mir.“ Er warf Arithiel über die Schultern einen Blick zu. „Diese Sache bleibt unter uns. Es wird kein Wort darüber verloren, weder jetzt, noch irgendwann. Die Ratsversammlung ist wichtig, ebenso die Suche nach den Ursachen dieses Krieges. Sobald das hier vorbei ist, gehen wir getrennte Wege.“
Der Engel schwieg und starrte auf seine Hände, die sich nun in die Decke krallten. Er spürte nur zu genau, dass Matescuu log und in Wirklichkeit sein Seelenverwandter war. Dass dieser es jetzt abstritt und ihm mit kalten Worten zu verstehen gab, dass dies unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit gelangen sollte, schmerzte ihn, doch er wagte es nicht Widerworte zu geben. Der kalte Blick hatte ihn erschreckt, die abweisende Haltung, aber ganz besonders seine Wortwahl. Zum ersten Mal seit er hier war, kam sich Arithiel nicht wie ein gleichberechtigtes Wesen vor, sondern wie ein Sklave, denen man Befehle gab. Ob sich so die Turiden fühlten, wenn sie Befehle empfingen? Er vernahm dumpfe Schritte die sich entfernten und zum Ausgang traten. Matescuu blieb nur kurz stehen, vermied es aber sich umzudrehen und den jungen Diplomaten anzusehen.
„Ich werde dafür sorgen, dass diese Träume aufhören, notfalls schlafe ich nicht mehr.“ Die Worte klangen fast trotzig und Arithiel schielte zu ihm hinauf. Es gab nichts mehr zu sagen, jedes weitere Wort wäre momentan Verschwendung und das war Arithiel mehr als bewusst. Er würde erst später einen neuen Versuch starten mit dem Dämon zu reden, denn der Engel wusste, dass diese Friedensverhandlungen erst der Beginn ihrer Zusammenarbeit waren. Den alten Legenden nach hatten Seelenverwandte eine besondere Aufgabe zu erfüllen- gemeinsam- und egal wie sehr sich Matescuu dagegen zur Wehr setzte, er würde diesem Schicksal nicht entrinnen können. Ihr Abenteuer begann erst, doch ob sie den schlechten Start wieder ausmerzen konnten, das vermochte der weißhaarige Mann nicht zu sagen. „Wir sehen uns in ein paar Stunden auf der Versammlung. Bis dahin solltet Ihr noch etwas ruhen, Ihr wirkt sehr blass und erschöpft.“
Dann war er verschwunden und Stille kehrte ein. Arithiel saß schweigend auf seinem Lager, unfähig sich zu rühren, starrte er nur auf die Stoffe, die sich hinter dem Dämon geschlossen hatten und nun seine starke Statur verbargen. Er war wieder allein, doch die Erkenntnis die ihn nun traf, ließ ihn leise aufkeuchen und in sich zusammen sinken. Matescuu war sein Seelenverwandter, der Partner, der ihm seit der Geburt zugedacht war. Er ahnte bereits, dass der Heerführer genau wusste, was seine Worte angerichtet hatten und spürte sogar einen kleinen Widerhall seiner Traurigkeit, die ihn plötzlich übermannte. Er unterdrückte die Tränen und schluckte, bevor er den Kopf schüttelte und sich zur Ruhe zwang. Wahrscheinlich hatte der Dämon Recht, es gab keinen Grund dieser Sache Gewicht beizumessen. Die Verhandlungen waren wichtig, ihre persönlichen Differenzen konnten sie später austragen. Und diese Träume bedeuteten nichts, doch er wusste, dass er sich im Grunde nur selbst belog.
Egal wie sehr er sich versuchte dies einzureden, es gelang ihm nicht die Tatsache zu überdecken, dass Matescuu sein Schicksal war. Die Träume waren kein Zufall gewesen und als er seine Handinnenfläche betrachtete, wurde ihm dies schmerzlich bewusst. Das Zeichen schimmerte rötlich, seit gestern hatte es die Farbe verändert, seit dem Tag, an dem er dem Heerführer der Truppen aus Styx begegnet war. Arithiel war fasziniert gewesen und selbst jetzt konnte er sein Interesse nicht unterdrücken. Er war dabei sich zu verlieben, ob er wollte oder nicht, wirklich verhindern konnte er es nicht mehr. Seine Gedanken schweiften zu den Träumen, in denen Matescuu ihn geliebt hatte und er spürte einen Stich im Herzen. Dies würde er unmöglich vergessen können und egal wie sehr er es leugnen würde, das Zeichen würde ihn der Lüge umso mehr strafen. Doch im selben Moment stellte sich der Engel die Frage, ob in diesem Fall nicht auch Matescuus Zeichen rot glühen würde, da sie alle Empfindungen teilten und ob es nicht vielleicht doch eine Chance für ihn gab. Als Engel verliebte er sich nur ein einziges Mal und sein Herz hatte schon längst den Krieger auserwählt, doch es war fraglich ob dieser irgendwann seinen Stolz überwinden würde und sich zu seinen Gefühlen bekannte.

Matescuu blieb noch eine Weile vor dem Eingang des Zeltes stehen. Er hatte keine Lust den Rückweg anzutreten und lauschte nur gebannt in die Stille. Nur zu deutlich spürte er den Schmerz des Engels, doch keine Tränen schienen die blassen Wangen hinunter zu laufen. Dennoch spürte er die Depressionen und die Traurigkeit nur zu deutlich und egal wie sehr er sich bemühte diese Gefühle abzuschotten, es gelang ihm nicht. Erschöpft, wie nach einer Schlacht ließ er nun doch das Zelt des Diplomaten hinter sich und machte sich auf den Rückweg.
Als er fast die Hälfte des Weges hinter sich gebracht hatte, zog er vorsichtig seinen linken Handschuh aus und betrachtete das Zeichen, welches sich wie Feuer durch seine Handinnenfläche zog. Er hatte es seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, stets versteckt und genau darauf geachtet es niemandem zu zeigen. Der Letzte, der es zu Gesicht bekam hatte ihn verraten und es hatte ihn fast seine Stelle als Heerführer gekostet. Die Nachrede war das Schlimmste gewesen und seither hatte der Dämon genau darauf geachtet niemals seine Handschuhe abzulegen, um zu zeigen, dass er mit einem Engel verbunden war. Schwäche konnte er sich nicht erlauben, ebenso wenig wollte er die Moral und Disziplin seiner Krieger und Kriegerinnen verlieren. Sie standen im Krieg gegen die Heere aus Kusch, jetzt zu zeigen, dass er einen Pakt mit einem Engel geschlossen hatte, ihre Seelen miteinander verbunden waren, glich in seinen Augen einem Hochverrat und er würde es nicht zulassen, das Vertrauen seiner Männer einzubüßen.
Unbeeindruckt betrachtete er das rote Licht, das ihm warm ins Gesicht schien und verzog die Lippen. Nie würde er die Liebe zu Arithiel, einem Engel akzeptieren oder zulassen, dafür stand zu viel auf dem Spiel- seine Stellung, sein Leben und seine eigene Lebenseinstellung. Der Dämon wusste Mittel und Wege diesen Bann zu lösen, die Seelenpartnerschaft zu beenden, auch wenn dies den Tod Arithiels bedeutete, er würde die Stärke aufbringen den Fluch zu lösen.
Mit einer ruckartigen Bewegung streifte er sich den Handschuh über, ignorierte seine aufkeimenden Gefühle und setzte seinen Weg fort.
Er bemerkte weder den Schatten, welcher in seiner Nähe stand und ihn genau beobachtete, noch das kurze Lächeln, welches sich auf dem unbekannten Gesicht ausbreitete, doch schon bald sollte Matescuu erfahren, dass er diese Sache nicht so einfach bewältigen konnte, wie er glaubte und sowohl er, als auch Arithiel erst am Beginn einer weitaus größeren Reise standen.

 

(c) Juliane Seidel, 2007