| Limit Control | 
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       -Wie es ist zu fallen- ================================================================================ Dunkelheit.
    Schwarze undurchdringliche Dunkelheit beherrschte seinen Geist und hielt in
    gefangen, streckte Nebelfinger nach ihm aus und umklammerte ihn so fest,
    dass es ihm fast den Atem nahm. Für einen Moment hatte er das Gefühl
    Stimmen zu hören, doch dann erstarben jegliche Geräusche und ließen nur
    ein dumpfes leeres Geräusch zurück, welches so unerträglich war, dass er
    schreien wollte, um die Stille zu durchbrechen. Doch keinen Ton konnte er
    hervorbringen, war stumm und hilflos, ob der Fähigkeit beraubt auf sich
    aufmerksam zu machen. Es war alles ausgelöscht, jegliche Sinne verweigerten
    ihren Dienst. Panik stieg in ihm auf, benebelte seine Gedanken und eine
    unmerkliche Angst kroch durch seine Glieder, die er kaum fühlen konnte.
    Schließlich, als es ihn schier wahnsinnig machte, tauchte das Gefühl von
    Einsamkeit auf, welches sein Herz umklammerte und nicht mehr losließ.   Langsam
    und unter stechenden Kopfschmerzen öffnete ein junger Mann, kaum älter
    als18 Jahre die Augen und schloss sie augenblicklich als der dumpfe Schmerz
    zunahm und ihm übel wurde. Ein leises Grummeln erklang und seine Hand
    tastete linkisch nach seiner Schläfe. Schlagartig war er wieder bei Sinnen,
    das für ihn grelle weiße Licht verstärkte das Pochen in seinem Kopf um
    ein vielfaches und er spürte jede Faser seines Körpers. Es roch nach
    Desinfektionsmittel, typisch für ein Krankenhaus, doch ein Hauch des Duftes
    von Lilien vermischte sich mit der sterilen Luft. Er fühlte das Bett unter
    seinem Körper, eine weiche Decke über seinen Beinen und seiner Brust, die
    Wärme spendete und nur einen Augenblick später konnte er verschiedene Geräusche
    und Stimmen hören.  Nachdem
    er einige Minuten regungslos verharrte, startete Ken einen weiteren Versuch
    und öffnete erneut die Augen um sich umzusehen. Er schien sich tatsächlich
    in einem Krankenhaus zu befinden, nach einer Weile hatte er sich auch an das
    matte dämmernde Licht gewöhnt, welches durch die zugezogenen Vorhänge
    fiel. Es war morgen, die Sonne schien gerade erst aufzugehen und verwandelte
    das Licht im Zimmer in einen leichten Rotton. Als er seinen Kopf leicht zur
    anderen Seite drehte sah er an der Wand auf der rechten Seite die Tür eines
    Wandschrankes und einen Spiegel, welcher über einem kleinem Waschbecken
    angebracht war. Das Regal neben dem Waschbecken war leer. Ein weiteres Bett
    stand ein Stückchen entfernt von seinem, allerdings war es unbezogen und
    die Matratze zusammengerollt. Es sah nicht danach aus, als würde in nächster
    Zeit ein weiterer Patient in diesem Zimmer liegen. Ein kleiner Flur führte
    zu einer Tür, die nach draußen führen musste. Schließlich
    fiel sein Blick auf seinen verbundenen rechten Arm. Ken spürte zu Beginn
    nichts, seine gesamte rechte Seite fühlte sich taub und irreal an, als gehöre
    sie nicht zu seinem Körper. Erst als er vorsichtig seinen rechten Arm
    anheben wollte, durchzuckte ihn ein heftiger Schmerz, der ihm die Tränen in
    die Augen trieb. Er kämpfte erneut gegen die Übelkeit an und sah dann
    weiter an seinem Körper hinab, nachdem sich sein rebellierender Magen
    beruhigt hatte. Sein Bein war gebrochen, eingegipst und hing in einer
    Schlaufe gut einen halben Meter über dem Bett. Sein Kopf war verbunden, seine
    Wange zierte ein großes Pflaster und seine gesamte rechte Körperhälfte
    schmerzte bei dem Versuch sich zu bewegen um bequemer zu liegen, so dass er
    es schließlich aufgab sich in eine bequeme Position zu bringen. Mit einem
    leichten Stöhnen schloss er kurzzeitig die Augen, sinnierte einfach nur vor
    sich hin, bevor er den Raum einer weiteren Betrachtung unterzog. Auf
    der linken Seite war ein großes Fenster, welches angekippt war und eine
    leichte Brise spielte mit den Vorhängen. Neben sich auf dem Nachttisch sah
    Ken weiße Lilien, ebenso eine Karte, einige Zeitungen und direkt an seiner
    Seite zu seinem Unmut einen Tropf. Erst jetzt fiel ihm die Nadel an seinem
    linken Arm auf, die mit einem Pflaster fixiert war und der feine Schlauch
    der direkt zum Tropf führte, scheinbar wurde er mit einer Glukoselösung
    versorgt, ebenso mit Schmerzmitteln. Er wiederstand dem Drang die
    Infusionsnadel aus seinem Arm zu ziehen und ließ sich müde in die Kissen
    sinken. Seine dunkelgrauen Augen fixierten einen unsichtbaren Punkt an der
    Decke und er begann zu überlegen, was genau passiert war. Er lag im
    Krankenhaus, er hatte Kopfschmerzen und er spürte die Schürfwunden unter
    den festen Verbänden. Sein Bein war gebrochen, er hatte vermutlich eine
    Gehirnerschütterung, denn ihm war schlecht und das Dröhnen in seinem Kopf
    machte es ihm fast unmöglich nachzudenken. Was war nur passiert? Erinnerungen
    kamen wieder und auf einmal wurde Ken bewusst, dass er einen Unfall gehabt
    hatte. Diese Erkenntnis manifestierte sich in seinen Gedanken und vor seinem
    geistigen Auge sah er genau, was sich in der Nacht zum dreizehnten April
    abgespielt hatte.   „Dieses
    Mal werde ich ganz sicher gewinnen!“ Der brünette Junge wandte sich mit
    einem siegessicheren Grinsen an Ken und funkelte ihn nahezu bedrohlich an.
    Sein Gesicht war scharf geschnitten, er war älter und größer als sein
    Gegner. Sein muskulöser Körper war auf äußerste angespannt als er auf
    seine Maschine stieg und den Helm über seinen kurzen braunen Haare zog. Er
    trug einen Motorradanzug in schwarz, sein Helm war mit roten Streifen
    versehen und mit seinen schweren Stiefeln begann Rigo die Maschine
    anzulassen.  Ken
    stand gelassen neben seinem Motorrad und rauchte. Er wusste was Rigo
    begehrte und diesen Wunsch wollte er ihm nicht so einfach erfüllen. Der
    Junge hatte schwarze längere Haare, die momentan mit einem Haargummi gebändigt
    wurden und stechende graue Augen. Sein Gesicht war weicher, seine Lippen
    voller und sein Blick klar und sicher. Er war etwas kleiner als Rigo,
    schlank und sehnig gebaut. Er wusste nur zu gut, dass sein Ruf auf dem Spiel
    stand und er hatte nicht vor seine Position als Anführer an Rigo zu
    verlieren, der ihn nun schon zum dritten Mal herausforderte. Allein schon
    sein Stolz untersagte es ihm dieses Rennen in der Nähe von Wiesbaden
    abzulehnen. Kenneth hatte lange um die Führungsposition der Gang gekämpft
    und schließlich aufgrund seines Ehrgeizes und Durchhaltevermögens auch
    bekommen. Unterdessen trafen sich die 15 Mitglieder jeden Freitag außerhalb
    der Landeshauptstadt um zu fahren oder auch nur um zu reden. Rigo war neu
    hinzugekommen und schon von Anfang an hatte es sich der Zwanzigjährige in
    den Kopf gesetzt die Gruppe zu übernehmen. Ein
    letztes Mal nahm Ken einen tiefen Zug und blies den blauweißen rauch
    nachdenklich in die dunkle sternenklare Nacht. „Dann zeig mir was du
    kannst.“, erwiderte er schließlich auf Rigos Frage hin und nahm ebenfalls
    auf seinem Motorrad Platz. „Deine letzte Chance mich zu besiegen.“ „Ihr
    kennt ja die Regeln.“, mischte sich nun ein junger Mann mit lockigen
    blonden Haaren ein. Er blieb vor den beiden stehen. „Tom und Sunny warten
    an der großen Kreuzung auf euch, wir folgen euch dann. Wer gewinnt ist der
    neue Anführer. Übertreibt es nicht!“ Er fuhr sich seufzend durch die
    schulterlangen Haare und schüttelte mit einem verständnislosen Blick den
    Kopf. Wieso musste diese jungen Kerle immer so übertreiben. Er war
    sicherlich der Älteste und dennoch schaffte er es selten die Vernunft im
    Rahmen der Gang siegen zu lassen, zu ungestüm und leichtsinnig waren seine
    Freunde und das Einzige, was er zu tun vermochte, war auf sie ein wenig Achtzugeben. Er wartete bis sich die beiden Fahrer aufgestellt hatten und
    schließlich auch Ken sein Motorrad gestartet hatte, sah sie noch einmal
    kurz prüfend an und gab schließlich das Zeichen zum Start. Laut heulten
    die beiden Motorräder auf und schossen schließlich davon in die dunkle
    Nacht hinaus.   Ken
    erinnerte sich dass er deutlich in Führung lag. Er kannte die Strecke wie
    seine Hosentasche, jede Unebenheit, jedes Schlagloch der abgelegenen
    kurvenstarken Landstraße war ihm bekannt. Schon nachdem er gut zwei Drittel
    der Strecke hinter sich gebracht hatte wiegte er sich in Sicherheit zu
    gewinnen, bis plötzlich ein Reh auf die Straße lief. Erschrocken riss er
    die Augen auf und erlebte die folgenden Sekunden wie in Zeitlupe. Er spürte
    wie sein Herz einen entsetzten Sprung machte, nur um dann schneller zu
    schlagen und mehr aus Reflex riss er die Maschine etwas nach rechts, in der
    Hoffnung das Tier nicht frontal zu erwischen. Ken wusste nur zu gut, dass er
    ansonsten keine Chance hatte diesen Unfall halbwegs glimpflich zu überstehen.
    Er bremste hart und verlor in derselben Sekunde die Kontrolle. Das Motorrad
    rutschte zur Seite und schlitterte quer über die Straße in den
    Seitengraben. Das Reh wurde am hinteren Bein erwischt und aufgrund der Wucht
    ein gutes Stück weit weggeschleudert. Der Junge spürte den unsanften
    Aufschlag auf dem Asphalt und ein brennendes Gefühl, als seine rechte Körperseite
    aufgerissen wurde. Seine Kleidung zerfetzte, hielt der massiven Reibung die
    er verursachte nicht Stand und gab schließlich seine unversehrte Haut frei.
    Er hatte das Gefühl zu verbrennen, als er über den harten Boden rutschte
    und das alles eine Taubheit zurückließ, die er nicht einordnen konnte. Er
    hörte genau das Knacken seiner Knochen, als die Maschine auf seinem rechten
    Bein liegen blieb. Er befand sich im Gras, war im ersten Moment zu
    schockiert und entsetzt um überhaupt zu realisieren, dass er einen Unfall
    hatte und sich wahrscheinlich mehr als nur sein rechtes Bein gebrochen
    hatte. Seine Gedanken überschlugen sich, seltsamerweise kamen ihm
    unwichtige Dinge in den Sinn, so beispielsweise, dass er vergessen hatte
    Charlie Gassi zu führen oder dass sie in einigen Tagen eine Mathearbeit
    schreiben würden. Ken hatte für eine ganze Weile keine Schmerzen, blieb
    von diesen Empfindungen verschont, die ihn wahrscheinlich halb in den
    Wahnsinn getrieben hätten und starrte mit glasigen Augen geradeaus, machte
    einen Baum aus, das weiche Gras und einen Teil seiner umgestürzten
    Maschine. Er bemerkte Rigo nicht, der sich entsetzt über ihn neigte und
    seinen Namen rief, noch dass sein Rivale nach seinem Handy griff und den
    Notarzt verständigte. Stur blickte er auf den hölzernen Stamm, der nun
    immer trüber wurde und vor seinem geistigen Augen wie in einem
    Nebelschleier verschwand. Seine Gedanken entfernten sich immer weiter und
    schließlich wurde er von den dunklen Armen der Ohnmacht umfangen.   Müde
    schloss Ken die Augen. Wie lange er wohl schon im Krankenhaus lag? Dieses
    Mal hatte er wohl doch etwas übertrieben, was das Rennen anbelangte. Musste
    das Tier auch direkt vor ihm auf die Straße laufen? Leise vor sich hin
    fluchend versuchte er sich etwas bequemer hinzulegen und zog die Decke mit
    der linken Hand höher. Seine Kopfschmerzen waren noch schlimmer geworden
    und die nun aufgehenden Sonne verbesserte diesen Zustand nicht. Er entschied
    sich noch ein wenig zu schlafen, scheinbar war es erst früher Morgen, kurz
    nach Sonnenaufgang und er hoffte, dass sich die Schwestern noch ein wenig
    Zeit lassen würden, bis sie nach ihm sahen.   ------   Bereits
    vor Tagen hatten die Nachrichten des Unfalls an der Schule für viel Gesprächsstoff
    gesorgt. Anfangs war der Unfall des Schülers Kenneth Leary, Sohn eines
    amerikanischen Bankers, für Entsetzen gesorgt, unterdessen war dies
    allerdings der Neugierde gewichen und sorgte jeden Morgen für rege Gespräche
    sowohl unter den Lehrern, als auch unter den Schülern. Ken ging in die 11.
    Klasse und gerade unter seinen Klassenkameraden fanden aufgeregte
    Diskussionen über den Unfall statt. Auch Felip hatte davon gehört. Der
    Klassensprecher war ein zierlich, kleiner als die meisten Jungen der Klasse
    und wirkte fast schon feminin mit seinem hübsch geschnittenen Gesicht,
    welches allerdings durch die hohen Wangenknochen asiatisch wirkte. Er hatte
    braune kurze Haare und grüne , leichte schmale Augen, die meistens etwas
    unbeteiligt und leblos wirkten. Seine Meinung zu Ken war gespalten, er
    konnte nicht behauten ein guter Freund des Außenseiters der Klasse zu sein,
    da ihre Persönlichkeiten zu unterschiedlich waren. Wo Ken ungestüm, wild
    und freiheitsliebend war, war Felip introvertiert, zurückgezogen und schüchtern.
    Kenneth war immer gegen Konventionen und Zwänge, auch gegen die Schule und
    Lehrer, was ihm durchweg schlechte Noten bescherte und auch seine
    Fehlstunden trugen nicht wirklich dazu bei diese Tatsache zu verbessern.
    Felip war dagegen ein vorbildlicher Schüler, er erledigte seine
    Hausaufgaben gewissenhaft und war zumindest im schriftlichen Teil stets
    einer der Besten der Klasse. Ihn verband fast gar nichts mit Kenneth, nur
    die Tatsache, dass er Halbjapaner war und Kenneth Amerikaner verband sie
    zumindest in dem Punkt nicht deutscher Abstammung zu sein. Felip verfolgte
    dennoch die Gespräche der anderen aufmerksam, gleich wenn er selten einen
    Kommentar dazu abgab. „Hey
    Felip, was hältst du denn von der ganzen Sache?“ Kimmy sah ihn mit einem
    fragenden Gesicht an. Scheinbar hatte er schon eine Weile auf seinen Freund
    eingeredet und ruderte nun wild und ausgelassen mit den Armen. Kim war etwas
    größer als Felip hatte wilde bunte Haare, die in ihrer natürlichen Farbe
    einmal braun gewesen sein mussten und nun mit blonden, roten und
    lilafarbenen Strähnchen will in alle Richtungen gegelt waren. Er hatte ein
    fröhliches Grinsen im Gesicht und seine Augen strahlten vor Leben. Er trug
    auffällige Kleidung, teilweise fransig, teilweise mit Sicherheitsnadeln und
    Buttons durchstochen und schwere selbstbemalte Springerstiefel.  Felip
    sah ihn eine ganze Zeit lang fragend und leicht verwirrt an, da er diese
    Frage nicht zuordnen konnte. „Was meinst du?“, fragte er schließlich,
    um dem drängelnden Kim antworten zu können. „Na
    die Sache mit Kenneth Leary.“, begann er und lehnte sich auf Felips Tisch
    um näher zu ihm zu rutschen. „Ich hab gehört, er soll gelähmt sein.“ Felip
    sah ihn zweifelnd an. Wie er es mitbekommen hatte, schien sich Ken lediglich
    das rechte Bein gebrochen zu haben und befand sich zumindest auf dem Weg der
    Besserung. Wir um alles in der Welt kam Kimmy zu dieser irrationalen
    Erkenntnis. „Bist du dir sicher, dass das nicht etwas übertrieben ist?“
    Felip musterte ihn eingehend, doch sein Mitschüler schüttelte energisch
    den Kopf. „Ich
    hab es von einer todsicheren Quelle.“ „Na…
    ob die so todsicher ist.“ Felip gähnte kurz hinter vorgehaltener Hand und
    warf einen Blick auf seine Banknachbarin Tanja. Diese hörte mit halbem Ohr zu
    und war währenddessen damit beschäftigt in ihr kleines rotes Skizzenbuch
    zu zeichnen. Tanja war genauso groß wie Felip, hatte schulterlange lockige
    schwarze Haare, die im Ansatz allerdings violett waren. Ihre Augen waren
    grau und konzentriert auf das Bild gerichtet. Sie trug eine schmale Brille
    auf der Nase und wie immer dominierte eine Farbe ihr Erscheinungsbild:
    schwarz. Felip störte das wenig, so hatte er Tanja bereits vor etlichen
    Jahren als Freundin sehr zu schätzen gelernt, ihre treue und offene Seele
    machte sie Zu einer sehr guten Gesprächspartnerin, die für alle Sorgen und
    Probleme stets ein offenes Ohr hatte.. Allerdings erinnerte ihn ihre sture unnachgiebige
    und gleichermaßen stolze, herrische Art ein wenig an Ken,
    gleich wenn Felip ihr gegenüber so etwas nie geäußert hätte. Er wusste
    zu gut, dass sie Kenneth für einen Taugenichts hielt und ihn nicht ausstehen
    konnte. „Ist
    doch egal… wenn du dich so sehr für ihn interessierst, kannst du ihn doch
    besuchen gehen.“, murmelte Tanja nun ohne direkt von ihrem Blatt
    aufzusehen. Schließlich ließ sie den Stift sinken, betrachtete kurz das
    Bild und sah dann zu Felip. „Nun mal ehrlich, das geschieht ihm ganz
    recht. Dieses Machogehabe nervt mich und diese Rennen müssen nun wirklich
    nicht sein…“ „Ich
    soll ihn besuchen gehen?“ Felip starrte sie fassungslos an. Irgendwie
    hatte er nicht mit so einer Antwort gerechnet. „Wieso sollte ich?“
    Eigentlich hatte er angenommen, dass er Kenneth nicht sonderlich gut leiden
    konnte, wobei das eher daran lag, dass Ken nicht ganz unschuldig daran war,
    dass der schüchterne Felip zum Klassensprechen gewählt wurde,
    wahrscheinlich um diesem einfach nur zu ärgern. Nicht dass er es im
    nachhinein bereute, die Arbeit als Klassensprecher macht ihm durchaus Spaß,
    es war vielmehr sein verletzter Stolz gewesen.  „Naja…“,
    begann Tanja und klappte das Skizzenbuch nun endgültig zu und steckte es
    weg, „Er wird nicht sonderlich viel Besuch haben, viele Freunde hat er
    hier nicht, obgleich die Mädchen ihn anhimmeln. Die anderen haben
    vielleicht viel Respekt vor ihm, aber gleichermaßen Angst. Er ist eben ein
    Außenseiter.“ „Ich
    würde ihn besuchen.“, brachte Kim stolz hervor und mischte sich wieder in
    das Gespräch der beiden. „Ich hab keine Angst vor ihm.“ Er ließ sich
    auf seinen Platz fallen und kippelte mit dem Stuhl, bis er seinen Arm auf
    den Tisch seiner Freunde legte. „Wie wär’s Felip, gehen wir gemeinsam
    hin? Nur zum Spaß.“ Felip
    musterte ihn schweigend. Er war sich sicher, dass Ken nicht glücklich sein
    würde, sie zu sehen und zudem war es nicht richtig, ihren Klassenkameraden ‚nur zum Spaß’ zu besuchen. Das war dann doch etwas unfair. Man sollte
    es zumindest ehrlich meinen, wenn man jemandem besuchte. Er mochte
    Unehrlichkeit in der Beziehung nicht.  „Ich
    weiß nicht, nur zum Spaß möchte ich da nicht hin. Wenn dann sollte es schon
    ein richtiger Besuch werden und nicht um über ihn zu lästern.“ Er
    schüttelte leicht den Kopf. „Du willst ihn also wirklich besuchen?“,
    hackte Tanja nun neugierig nach und besah sich Felip schmunzelnd. „So
    hab ich das nicht direkt gemeint, aber klar, warum nicht? Vielleicht kann
    man mit ihm Freundschaft schließen, immerhin ist er doch die meiste Zeit
    alleine.“ „Du und dein großes Herz.“ Kim richtete sich wieder nach vorne, da der Unterricht begann. Auch Felip setzte sich nun normal hin und schwieg, dachte jedoch im Stillen über seine Worte nach. Indirekt hatte er ja zugestimmt Kenneth zu besuchen, warum er das getan hatte, wusste er allerdings selbst nicht. Aber einen Rückzieher wollte er nicht machen, er hatte sich vorgenommen ihn heute nach der Schule im Krankenhaus aufzusuchen und sich nach ihm zu erkundigen. Immerhin war Ken ein Klassenkamerad und vielleicht würden sie sich ja besser verstehen, wenn sie sich erst richtig kennerlernten. 
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       (c) Juliane Seidel, 2007  |