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       -Eine kleine Geste- ================================================================================ Der
    nächste Morgen war klar und freundlich, die Sonne sandte ihre warmen
    Strahlen zur Erde und löste die letzten Wölkchen auf, die vom Vortag
    geblieben waren. Der Boden begann zu trocknen und ein blumiger Geruch hing
    in der Luft, als Felip sich auf den Weg in die Schule machte. Er hatte noch
    lange über seinen Besuch bei Ken und das Gespräch mit diesem nachgedacht.
    Es war beides vollkommen schief gelaufen. Als Felip nach Hause kam hatte er
    zu allem Überfluss auch noch einen heftigen Streit mit seinem Vater,
    welcher nicht ganz so glimpflich ausging, wie bisher. Er war wütend und
    enttäuscht, verdrängte jedoch die Gedanken, als das triste Gebäude seiner
    Schule vor ihm auftauchte und er schon von weitem Kimmys Frisur entdecken
    konnte. Er lehnte an der Schulmauer in der Nähe des Eingangs und unterhielt
    sich mit Tanja, die am Boden saß und wieder am zeichnen war. Felip war sich
    sicher, dass dieses Mädchen später einmal Künstlerin werden würde, ähnlich
    wie ihre Mutter, von der sie ab und zu erzählte. Er
    trat näher und augenblicklich hatte er Kim am Hals, der ihn freudestrahlend
    begrüßte und ihn sofort mit Fragen über den gestrigen Besuch überhäufte.
    „Wie war es gestern? Warst du wirklich im Krankenhaus und hast Kenneth
    besucht?“ Er
    nickte nur und seufzte dann. „Ja, war ich, aber es ist nicht so gut
    gelaufen.“ „Hast
    du was anderes erwartet?“, kam es von Tanja, die sich erhob und sich die
    Kleidung glatt strich. „Vielleicht,
    aber wenn ich ehrlich bin hätte ich so was schon im Vorfeld wissen müssen.“
    Felip wand sich geschickt aus der Umarmung seines Freundes und trat einen
    Schritt zurück. Kim hatte ungewollt einen blauen Fleck gestreift, der ihm
    durchaus unangenehm war und immer noch leicht schmerzte. „Ich war nur
    wenige Minuten da, unser Gespräch war dementsprechend kurz und irgendwie
    wusste ich nicht so recht, was ich sagen sollte. Aber ich geh’ heute noch
    mal hin.“ „Noch
    mal?“ Tanja warf ihm einen verdutzten Blick zu und schüttelte kaum
    merklich den Kopf, suchte sich eine Haarklammer aus der Tasche und versuchte
    damit ihre lockigen Haare zu bändigen. „Wieso? Lass es gut sein, das wird
    doch heute auch nichts bringen.“ „Ich
    weiß, aber ich will nicht so einfach aufgeben.“ Felip sah die Beiden
    entschlossen an und lächelte dann aufmunternd. „So leicht wird er mich
    nicht unterkriegen.“ „Na,
    du musst es wissen.“, war Tanjas einziger Kommentar und sie erwiderte sein
    Lächeln. „Wenn er irgendwas tut, werde ich ihn fertig machen.“ „Ich
    helfe dir.“, begeisterte sich sofort Kimmy und grinste breit und glücklich
    vor sich hin, schon jetzt in seinen Rachegedanken gefangen, was er alles mit
    Kenneth machen würde, wenn dieser seinem Freund etwas antat. Er persönlich
    hatte nichts gegen Ken, Tanja hingegen schon, doch zumeist hielt sie sich
    zurück. Sie mochte seine arrogante und egoistische Art nicht und sein
    ganzes Auftreten war ihr zuwider. Kenneth war selten in der Schule, zumeist
    sehr abweisend und zurückgezogen und beachtete seine Mitschüler kaum und
    wenn dann verhielt er sich äußerst snobistisch, eine Art die das Mädchen
    einfach nur hasste. Wirklich Interesse hatte sie nie an dem jungen Mann
    gezeigt, war ihr doch seine Persönlichkeit zu aufgesetzt und falsch, als
    dass sie ihn wirklich zum Freund haben wollte. Dennoch war das hier allein
    Felips Entscheidung, wenn er Freundschaft mit dem distanzierten Jugendlichen
    haben wollte, würde sie sich gewiss nicht in den Weg stellen. Die
    Unterrichtsstunden zogen wie ein Schleier an Felip vorbei. Er war zu sehr
    mit Tanjas Warnungen und seinen eigenen Gefühlen beschäftigt. Entweder er
    war blind, was Ken betraf oder Tanja irrte sich dieses Mal. Er konnte nicht
    genau sagen woher dieses plötzliche Vertrauen in Kenneth Person kam, doch
    er glaubte nicht daran, dass sein Mitschüler so schlecht war, wie Tanja
    behauptete. Sicherlich konnte er nicht bestätigen, dass er Ken gut kennen würde,
    doch am gestrigen Abend hatte er sich vorgenommen den Jungen etwas besser
    kennen zu lernen, seine Träume und Gedanken zu erforschen und ihn somit
    noch besser einschätzen zu können. Die Tatsache, dass ihm sein
    Klassenlehrer am Ende der Stunde davon in Kenntnis setzte, dass Kenneth wohl
    die Klasse nicht bestehen würde, sollte sich nichts Drastisches ändern,
    kam ihm durchaus gelegen, hatte er doch so einen Grund Ken zu besuchen. Man
    hatte ihm als Klassensprecher ans herz gelegt nochmals mit Ken zu reden, in
    der Hoffnung der Junge hätte ein Einsehen und würde nach Genesung wieder häufiger
    am Unterricht teilnehmen, doch Felip bezweifelte dies. Kenneth ließ stets
    anklingen, dass er der Schule nicht sonderlich positiv gegenüberstand,
    vielmehr seine Freiheit wollte und nur notgedrungen an einigen Tagen da war,
    immer nur so oft fehlte, um nicht gänzlich von der Schule zu fliegen. Felip
    entschloss sich nach der Schule direkt ins Krankenhaus zu gehen, zuvor
    jedoch einen Zwischenstop in der Wiesbadener Innenstadt einzulegen. Er
    wollte nicht mit leeren Händen da stehen, als Besucher sollte man zumindest
    eine Kleinigkeit mitbringen, um den Patienten aufzumuntern. Nur leider stand
    er kurz darauf vor dem Problem, dass er keine Ahnung hatte, was er Ken
    mitbringen konnte. Er wusste weder um die Vorlieben Kens, noch worüber er
    sich freuen würde, was es ihm durchaus erschwerte etwas Passendes zu
    finden. Schließlich entschied er sich für ein paar Blumen- weiße Lilien.
    Er liebte diese edlen Blüten, den betörenden schweren Duft und obgleich er
    sich sicher war, dass dies nicht unbedingt das beste Geschenk für einen
    Jungen war, kaufte er fünf Blumen und machte dich mit dem Bus zum Hospital
    auf. Als
    er eine halbe Stunde später leise das Zimmer betrat, musste er erkennen,
    dass er heute nicht wirklich lange bleiben konnte. Sein Mitschüler schlief
    tief und fest, hatte sich im Schlaf aus der leichten Decke herausgekämpft
    und wirkte aufgrund seines eingegipsten Beines ein wenig seltsam, bedachte
    man die verdrehte Pose, in der er auf dem Bett lag. Das konnte unmöglich
    bequem sein, doch Ken schien das nicht wirklich zu stören. Mit einem
    friedlichen Gesicht wandte er sich in einer ruckartigen Bewegung Felip zu,
    murmelte etwas Unverständliches und schlief seelenruhig weiter. Felip war
    außerstande den Jungen zu wecken, setzte sich daher nur zu ihm und
    beobachtete Ken. Jetzt hatte er endlich die Gelegenheit Ken zu mustern, ohne
    dass dieser ihn mit seinen harschen Worten beleidigte oder mit wütenden
    Blicken beobachtete. Das sonst so angespannte Gesicht war nun ruhig und ein
    leichtes Lächeln lag auf den schmalen Lippen. Die Nase war gerade, lief
    spitz zu und die hohen Wangenknochen verliehen dem jungen, blassen Gesicht
    einen katzenhaften Ausdruck. Ansonsten war die Haut von roten Kratzern überzogen,
    an einigen Stellen mit Pflastern bedeckt und es ließ sich nur schwer
    erahnen, wie Ken eigentlich ohne all die Verletzungen aussah. Doch Felip
    wusste auch so, dass sein Mitschüler zweifelsfrei schön sein musste,
    allein die Tatsache, dass die Mädchen bei ihm Schlange standen, ließen
    diese Vermutung zu. Er war äußerst beliebt, doch zeigte keinerlei
    Interesse an den Avancen seiner weiblichen Fangemeinschaft und dies war
    sicherlich einer der Gründe, weswegen Tanja ihn nicht mochte. „So
    schlimm bist du gar nicht.“, murmelte er und lächelte. Gedankenverloren
    legte er die Lilien auf den Tisch und sinnierte eine Weile über seine
    Worte. „Zumindest wenn du schläfst bist du eigentlich ziemlich erträglich.“ „Ich
    glaube mit dieser Aussage triffst du den Nagel auf den Kopf.“ Bis
    ins Mark erschrocken, fuhr Felip herum und starrte mit geweiteten Augen zu
    dem Mann, der unmittelbar hinter ihm stand. Sein Herz pochte schmerzhaft in
    seiner Brust und er glaubte ein überraschtes Schmunzeln zu nehmen, als der
    Fremde sich an ihm vorbei schob und beinahe väterlich Kenneth die Haare aus
    dem Gesicht strich. Behutsam deckte er den schlafenden Jungen zu und wandte
    sich dann an Felip. „Können wir kurz reden? Ich hab dich gestern schon
    gesehen, du hast meinen Bruder besucht.“ „Bruder?“ „Ja,
    ich bin Terrence Leary, der ältere Bruder von Ken.“ Der Mann im Anzug lächelte
    erneut und deutete dann zur Tür. „Ich will Kenneth ungern aufwecken, dann
    ist er nämlich unausstehlich.“ Sein Blick maß den Jungen vor sich kurz,
    fiel dann auf die weißen Lilien und erneut breitete sich ein Lächeln auf
    den schmalen Lippen aus. Er ähnelte Ken, es war deutlich zu sehen, dass die
    beiden Brüder waren und lediglich das Alter und die Augen unterschied sie
    voneinander. Terrence musste Mitte zwanzig sein, er war deutlich
    lebenslustiger und die feinen Grübchen um die Augen zeugten davon, dass er
    oft lachte oder zumindest gerne lächelte. Er hatte eine offene und
    ungezwungene Ausstrahlung und der Anzug, den er trug, passte fast gar nicht
    zum Gesamtbild. Felip folgte seinem Blick, spürte eine leichte Hitze auf
    seinen Wangen und senkte dann den Kopf. Es war doch eine dumme Idee gewesen
    Blumen mitzubringen und unerklärlicherweise fühlte er sich ertappt. Doch
    erst als sie das Zimmer verlassen hatten, wandte sich Terry and den Jungen:
    „Ich finde es sehr nett von dir, dass du Ken besuchst. Du gehst in seine
    Klasse, oder?“ Ein leichtes Nicken erfolgte und dies reichte Terry um
    weiterzureden. „Ich hätte nicht gedacht, dass er auch Freunde in der
    Schule hat. Bisher nahm ich an, dass er nur mit diesen Leuten herum hängt,
    die sich Gang schimpft. Ich bin erleichtert, dass er scheinbar auch einige
    normale Personen kennt.“ „Naja,
    wenn ich ehrlich bin sind wir nicht so wirklich befreundet.“, gestand
    Felip und beobachtete die Reaktionen Terrys, der sich dadurch jedoch nicht
    aus dem Konzept bringen ließ. „Egal,
    du bist hier und das zählt.“ Er verstummte, musterte Felip erneut und überlegte
    sich nun, wie er die nächsten Worte am klügsten formulieren konnte.
    „wenn ich ehrlich sein soll, würde ich mich freuen, wenn du dich ein
    wenig um Ken kümmern könntest. Ich werde in den nächsten Tagen keine Zeit
    haben ihn zu besuchen, da ich eine Weiterbildung außerhalb der Stadt mache
    und erst am Wochenende zurückkomme. Ich möchte ihn ungern ganz alleine
    lassen, aber das lässt sich nicht verschieben und mir wäre wohler zumute,
    wenn sich jemand um ihn kümmert. Er wird frühestens in zwei Wochen aus dem
    Krankenhaus entlassen. Ich wäre dir sehr dankbar wenn du ihn vielleicht für
    eine Stunde alle ein bis zwei Tage besuchst und ein wenig von seinen tristen
    Gedanken abbringst.“ Felip
    starrte Terry mit einer Mischung aus Unglaube und Überraschung an. Sollte
    er wirklich dieser ungewöhnliche Bitte nachkommen? Er kannte Kenneth nicht
    wirklich, war bisher auch kein Freund gewesen, doch unweigerlich hatte sich
    seine Neugier gemeldet und wollte mehr über seinen Mitschüler erfahren.
    „Wieso kommen seine Eltern ihn nicht besuchen?“ „Mir
    war schon klar, dass die Frage kommt. Sie sind sehr beschäftigt und nicht
    in Deutschland zur Zeit.“, erklärte er bereitwillig, verschwieg dennoch
    einen Großteil. Er musste nicht alles ausplaudern, das lag ihm fern und
    zudem würde Kenneth dies auch nicht wollen. Das musste sein Bruder schon
    selbst erzählen. „Also
    ich weiß nicht recht…“, begann Felip und zog die Stirn kraus. „Bitte,
    es wäre wirklich nett von dir, wenn du das machen würdest. Nur bis zum
    Wochenende. Du könntest ihm die Schulaufgaben vorbeibringen und ihm ein
    bisschen helfen den Stoff nachzuholen den er verpasst.“ ‚Da
    müsste ich das gesamte Schuljahr mit ihm durchgehen.’, ging es Felip
    durch den Kopf und er schmunzelte. Kenneth hätte viel nachzuholen, nicht zu
    vergessen die Warnung seines Lehrers. Der dunkelhaarige Junge stand
    schulisch wirklich schlecht momentan und Felip wusste dies nur zu genau.
    „Also gut, ich werde mich um ihn kümmern.“, gab er schließlich nach
    und lächelte unsicher. „Prima.
    Vielen Dank.“ Terry war sichtlich erleichtert und er klopfte Felip brüderlich
    auf die Schulter. „Ich werde mich bei Gelegenheit revangieren aber du
    wirst sehen, Ken ist nicht so schlimm, der spielt immer nur den starken
    Kerl, aber eigentlich ist er ein Lieber. Ihr werdet bestimmt Freunde.“ „Naja,
    da bin ich mir nicht so sicher.“ „Warten
    wir es ab.“ Terrence blinzelte Felip schelmisch zu und streckte sich dann.
    „Ich denke ich werde ihn mal wecken gehen. Immerhin ist meine Pause fast
    vorüber und verabschieden möchte ich mich noch.“ Er wandte sich der Tür
    zu und warf nochmals einen Blick zu Felip. „Möchtest du mitkommen?“ „Nein
    nein.“, wehrte dieser sofort ab und wich ein wenig zurück. „Ich komme
    morgen wieder und sehe nach ihm.“ Felip war verunsichert und ein wenig überfordert.
    Er konnte nicht so recht sagen, wieso er überhaupt auf Terrys Bitte
    eingegangen war, doch er hatte sein Wort gegeben und daran würde er sich
    halten. Mit einem mulmigen Gefühl verabschiedete er sich und trat endlich
    seinen Heimweg an.   „..neth.
    Kenneth, würdest du endlich mal aufwachen?“ Terry war schon kurz davor
    trotz der Verletzungen doch etwas eindringlicher an dem verbundenen Arm zu rütteln,
    doch zu Kens Glück schlug dieser die Augen auf und blinzelte verschlafen zu
    seinem Bruder hin. Im ersten Moment sah er ihn gar nicht, sah schläfrig an
    ihm vorbei und war sichtlich verwirrt, dann erst erkannte er seinen Bruder
    und war von einer Sekunde auf die andere hellwach. „Terry.“,
    stellte er überflüssigerweise fest und versuchte sich aufzurichten, was
    einen pochenden Kopfschmerz zur Folge hatte. Gequält stöhnt er auf und
    tastete sich seinen Kopf entlang. „Wie
    geht es dir?“ Terry musterte den Jungen und setzte sich dann auf den
    kleinen Stuhl. Er ließ Ken die Möglichkeit sich in Ruhe zu sammeln und die
    Situation zu überblicken und er konnte förmlich sehen, wie Kens Gehirn
    anfing zu arbeiten. Der Junge sah die Lilien, die Terry vorsorglich in eine
    Vase gestellt hatte, überlegte kurz und war plötzlich nervös und
    aufgebracht. „Mutter
    und Vater waren hier?“, fragte er etwas lauter und richtete sich jetzt
    trotz der Schmerzen auf. „Wieso haben sie mich nicht geweckt?“ Mit
    ungewohnt wachen, fast schon kindischen Augen sah er zu Terry, der nur
    seufzte und den Kopf schüttelte. „Weil
    sie nicht hier waren, Kenneth.“, sagte er ernst und ein wenig traurig.
    Sofort änderte sich die Aufregung seines Bruders und machte einer gewissen
    Resignation Platz. Merklich sackte der verletzte Körper in sich zusammen
    und Ken ließ sich zurück in die Kissen sinken. „Hör zu, die Lilien sind
    von dem Jungen, der bereits gestern hier war.“ „Felip
    war hier?“, fragte Ken leise und musterte seinen Bruder. „Ja,
    ich habe mit ihm gesprochen. Er hatte dir Blumen mitgebracht und wird morgen
    noch mal vorbei schauen.“ Terry besah sich seinen Bruder genau, doch
    konnte er dieses Mal keine Regung auf dem Gesicht erkennen. Er hatte nicht
    erwartet, dass Ken nervös und aufgeregt sein würde, doch nach der
    gestrigen Reaktion hatte er durchaus etwas mehr erwartet. „Ken, er wird
    sich in den nächsten Tagen um dich kümmern, während ich weg bin.“ „Du
    wirst weg sein?“ Ken sah ihn entgeistert an. „Das heißt selbst du
    kommst mich nicht mehr besuchen.“ „Diese
    Schulung ist wichtig, ich kann nicht fehlen. Es tut mir sehr leid, aber
    Felip hat mir versprochen nach dir zu sehen.“ Terry tat es wirklich leid,
    besonders da er genau die Enttäuschung in dem Gesicht eines Bruders sehen
    konnte. Ken wandte sich nur schweigend ab und drehte ihm den Rücken zu. Ken
    sagte nichts mehr, aber er war durchaus wütend und verletzt. Sicherlich war
    Terrence geduldig gewesen, war dies doch nicht das erste Mal, dass er wegen
    einer Dummheit im Krankenhaus lag, doch gegen seinen Willen einen Mitschüler
    zu überreden ihn zu besuchen, tat ihm mehr weh, als er es zugeben wollte.
    Er hing an seinem großen Bruder, viel mehr, als er es diesem zeigte, doch
    seit seine Eltern zu beschäftigt waren, war Terry der Einzige mit dem er
    reden konnte und der sich ernstlich um ihn bemühte. Doch vorwerfen konnte
    er ihm die Entscheidung nicht. Bereits vor Monaten hatte sich Terry für
    diese Fortbildungsmaßnahme angemeldet und jetzt endlich hatte er einen der
    begehrten Plätze bekommen. Es wäre wirklich zuviel verlangt ihn zu bitten
    jetzt bei ihm zu sein. „Soll
    ich vielleicht doch absagen?“, fragte Terry leise und seufzte anschließend
    auf. „Nein.“,
    kam es gedämpft von Ken, der seinen Kopf in das Kissen vergraben hatte.
    „Wieso hast du Felip gefragt, ob er mich besucht, während ich nicht da
    bin?“ „Weil
    ich nicht will das du alleine bist. Außerdem ist er ein netter Junge. Du
    solltest ein wenig freundlicher zu ihm sein, immerhin nimmt er sich Zeit für
    dich.“ Die Antwort bestand lediglich aus einem Grummeln, dann bewegte sich
    Ken wieder und drehte sich zu seinem Bruder herum. Lange sahen sie sich an
    und schließlich grinsten beide. „Du
    bist so fies.“ Ken verdrehte die Augen und schüttelte leicht den Kopf. „Eher
    besorgt. Ken, du musst dich langsam wieder fangen und vielleicht ist der
    Umgang mit Felip das Richtige. Ich wollte dir nicht unbedingt davon erzählen,
    aber ich habe einen Anruf von deiner Schule bekommen.“ Er machte eine
    Pause, überflog kurz das Gesicht seines Bruders, ehe er fortfuhr: „Deine
    Versetzung ist nicht nur gefährdet, unterdessen stehst du kurz vor dem
    Rauswurf. Ich wollte eigentlich später mit dir darüber reden, aber es wird
    Zeit dass du dich wieder auf das Wichtige konzentrierst. Eine Ausbildung ist
    wichtig. Gegen deine Hobbies habe ich nichts, solange sie nicht unbedingt
    dich und deine Zukunft gefährden.“ Ken wusste durchaus, dass Terrence
    nicht mit seinem Hobby und dem Motorradfahren zu Recht kam, doch bisher
    konnte Terry es ihm weder ausreden noch ihn anderweitig davon überzeugen,
    dass er auf die schiefe Bahn geriet. Er hatte gehofft die Strafen in Form
    von gemeinnütziger Arbeit würden Kenneth die Augen öffnen, doch davon war
    bisher nichts eingetreten. Ken liebte die Gang, seine Freunde in dieser und
    das Fahren viel zu sehr, als dass Terry dieser Vorliebe etwas entgegen
    setzen konnte. „Ich will dir ungern etwas verbieten, aber auch ich habe
    meine Grenzen. Solltest du wirklich von der Schule fliegen oder noch einmal
    einen Unfall haben, verursachen oder in irgendeiner Form aktenkundig werden,
    bleibt mir nichts anderes übrig als andere Mittel und Wege zu nehmen. Du
    bist nicht volljährig und ich kann durchaus dafür sorgen, dass du die nächsten
    Jahre nicht mal ein Motorrad von weitem siehst.“ Ken
    wusste, dass er es durchaus ernst meinte und schluckte unmerklich. „Aber
    du weißt doch…“ „Das
    weiß ich nur zu gut, als spar dir die Worte. Ich habe für dich mit die
    Verantwortung und ich habe dich oft genug aus den Schwierigkeiten bugsiert,
    aber meine Geduld ist langsam zu Ende. Du bist minderjährig, hast schon
    jetzt ein Vorstrafenregister, bei dem mir bang wird und stehst kurz vor dem
    Rausschmiss von deiner Schule. Glaube mir, so kann das nicht weitergehen. Du
    wirst auch irgendwann an deine Zukunft denken nur wird es bei dir zu spät
    sein, wenn du endlich vernünftig wirst.“ „Tut
    mir leid.“, murmelte Ken betreten und senkte den Blick. „Tut
    es das wirklich? Ken, ich will, dass du endlich erwachsen wirst. Du kannst
    nicht ewig so weitermachen, so langsam müsstest du dir doch die Hörner
    abgestoßen haben. Werd’ endlich erwachsen und höre mit diesem kindischen
    Verhalten auf. Denn diese Rennen und diese coole Getue sind essentiell
    gesehen nichts anderes.“ Terrence atmete nun ein wenig hektischer. Er
    hatte sich in Rage geredet, viel mehr gesagt, als er eigentlich sagen
    wollte, doch er fühlte sich wesentlich wohler, nachdem er all das endlich
    Kenneth gesagt hatte. Sicherlich waren seine Worte hart gewesen, doch er
    hatte seinem Bruder unmissverständlich klar gemacht, was alles auf dem
    Spiel stand und dass er langsam zur Vernunft kommen sollte. Bisher hatte er
    zuviel Rücksicht auf Ken und seine Gefühl genommen, doch es wurde Zeit,
    dass jemand Ken zurück in die Realität holte. Diese wilden Tage und diese
    sinnlosen Motorradrennen mussten bald vorbei sein, soviel stand fest und
    Terry wusste, dass er dies seinem Bruder nur allzu sehr verdeutlicht hatte.
    Er beobachtete Ken, der mit hängenden Schultern vor ihm saß, nachdem er
    sich halb aufgerichtet hatte, um ihm zu kontern, doch letztendlich hatte Ken
    geschwiegen. Vorsichtig tätschelte er die Schulter seines Bruders und lächelte
    ihm aufmunternd zu. „Ich helfe dir, dessen solltest du dir sicher sein und
    egal wie, ich hab dich sehr gerne.“ „Ich
    dich auch.“ „Ich
    bin telefonisch erreichbar und am Wochenende wieder da. Vielleicht schaffe
    ich s, dich am Sonntag zu besuchen, bis dahin wirst du nett zu deinem
    Klassenkameraden sein. Vielleicht hilft er dir ja beim lernen.“ Er
    zwinkerte Ken zu und strich sich seinen Anzug glatt. Er hatte definitiv
    seine Pause überzogen, doch das Gespräch war schon seit langem überfällig
    gewesen, wobei man nicht wirklich von einer Unterredung sprechen konnte,
    hatte Terry doch eher Monologe gehalten. Doch er hatte Kenneth zum
    Nachdenken gebracht, das war deutlich zu spüren und vielleicht würden ja
    seine Worte Früchte tragen. „Ich melde mich bei dir, morgen Abend, sobald
    ich angekommen bin. Halt die Ohren oben, Ken.“ Er wuschelte ihm durch die
    Haare, vorsichtig und auf eine Art, wie er es seit Jahren nicht mehr getan
    hatte.  „In
    Ordnung, viel Spaß bei deiner Schulung.“ Ken sah ihn an und folgte dann
    den Bewegungen seines Bruders, der seine Sachen zusammen suchte und sich zur
    Tür aufmachte. Dort verharrte er noch einmal kurz und sah zu seinem Bruder
    zurück. „Was
    ich noch sagen wollte. Bedanke dich morgen wenigstens für die kleine Geste
    bei Felip.“ Er deutete vage auf die Lilien, dann war er auch schon
    verschwunden und schloss die Tür. Kens
    Blick fiel ungewollt auf die weißen Blüten, die noch nicht ganz offen
    waren und atmete hörbar aus. Natürlich ließen ihm Terrys Worte keine
    Ruhe, immerhin hatte er noch nie so harte Worte aus dem Mund seines Bruders
    gehört und er war wirklich ein wenig erschrocken darüber. Doch auch Felip
    ging ihm nicht aus dem Kopf. Was veranlasste den Jungen dazu noch einmal
    herzukommen und ihm sogar Blumen mitzubringen. Sie kannten sich kaum, nur flüchtig,
    wechselten nur notgedrungen ein paar Höflichkeitsfloskeln miteinander, aber
    jetzt war das anders. Felip würde die nächsten Tage kommen und er war
    froh, dass dem so war. Er war ungern alleine, ein wenig Abwechslung würde
    ihn auf andere Gedanken bringen, zumal er sich vornahm den Jungen nicht mehr
    zu ärgern. Vielleicht würden sie sich ja besser kennen lernen und ein
    wenig besser miteinander auskommen. Mit diesen Gedanken und den Blick auf
    die Lilien gerichtet, schlief er schließlich ein.   
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       (c) Juliane Seidel, 2007  |