Eine ganz andere Liebe

Michaels Leben läuft perfekt – er hat in Anna die hübscheste und verständnisvollste Freundin, die man sich wünschen kann, mit dem Schulstoff hat er keine Probleme und auch in seinem Elternhaus läuft alles perfekt. Zudem sind Sommerferien, die er vorwiegend mit Anna zusammen verbringt. Sein beschauliches Leben ändert sich schlagartig, als Daniel in der kleinen Stadt auftaucht, und seinem Großonkel hilft, das alte Kino wieder zum Leben zu erwecken. Dass Daniel einen Haufen Probleme hat, von seinen Mitschülern gemobbt wird und in einen unschönen Vorfall an dessen Schule verwickelt ist, ahnt Michael nicht.

Dennoch fühlt er sich von dem anderen Jungen angezogen und Michael muss sich ernsthaft darüber Gedanken machen, ob hinter seinem Interesse an halbnackten Surfern und gut gebauten Männern nicht mehr steckt, als bloßer Neid auf die muskulösen Körper. Zudem scheint auch seine Familie nicht ganz der friedlichen Idylle zu entsprechen, die er kennt und plötzlich ist nichts mehr, wie es war …

„Eine ganz andere Liebe“ ist der zweite Roman von Paul Senftenberg, der mit „Damals ist vorbei“ die Geschichte einer Dreiecksbeziehung erzählt, in der wie schon im vorliegenden Buch eine Frau einen wichtigen Part spielt. Im Gegensatz zu seinem Debüt stellt er in „Eine ganz andere Liebe“ jugendliche Charaktere ins Zentrum, was gut in die „Junge Liebe“ Reihe des Himmelsstürmer Verlages passt.

Inhaltlich spielt sich die Geschichte innerhalb weniger Tage in der sommerlichen Idylle einer Kleinstadt ab. Es passiert essentiell wenig, da sich der Autor vorwiegend auf die wachsende Beziehung zwischen Daniel und Michael und die damit einhergehenden Probleme konzentriert, was durchaus nicht negativ zu werten ist. „Eine ganz andere Liebe“ ist ein ruhiges Buch, das wenig Wert auf Action, Spannung und Dynamik legt, sondern vielmehr durch ruhige Passagen und Charakterentwicklung punktet. So lernt der Leser Daniel in den vielen Rückblenden kennen, erfährt mehr über seine Probleme mit seinen Mitschülern, seiner Familie und seinem Leben, was ihn zu einem unsicheren, schwachen und ängstlichen jungen Mann gemacht hat, der nur schwer Vertrauen fassen kann. Erst im Laufe der Zeit findet Daniel die Stärke, die er braucht, um sich seinen Problemen zu stellen, anstatt davonzulaufen.
Michael auf der anderen Seite hat in dieser Richtung wenig Tiefgang zu bieten, da sein bisheriges Leben unauffällig verlief und in vielen Punkten der Norm entspricht – ein gutes Elternhaus, keine Schwierigkeiten in der Schule und eine Vorzeige-Freundin. Seine Charakterentwicklung setzt erst im Laufe der Geschichte ein, doch es ist nicht nur Daniel, der Veränderungen mit sich bringt. Vielmehr gleicht der Junge einem Auslöser, der Michael die Augen öffnet und ihn zwingt über einige Dinge nachzudenken. Dazu gehören vorwiegend seine Eltern, die er auf ganz neue Art kennenlernt.

Allerdings ist die eigentliche Liebesgeschichte zwischen Michael und Daniel fast ein wenig zu schnell herbeigeführt, was mir beim Lesen ein wenig negativ aufgefallen ist – Michael und Daniel begegnen sich einige Male in der Stadt, spüren durchaus die Anziehung, die sie füreinander verspüren und schon beim zweiten Gespräch reden sie über ihre Beziehung und sogar über die Probleme, die sie miteinander haben, als hätten sie einige Punkte im Rahmen des Kennenlernen übersprungen. Ich habe keine Liebesschwüre oder kitschige Romantikszenen erwartet, doch man hat das Gefühl, dass der Autor einige Passagen übersprungen hat und dem Leser einiges vorenthält. Dass dies trotzdem nicht unrealistisch oder aufgesetzt wirkt, liegt daran, dass Paul Senftenberg sehr lebendige, greifbare Charaktere geschaffen hat, zu denen diese rasche Entwicklung passt. Von daher ist dieser Aspekt reine Geschmackssache – mir persönlich ging es einfach zu schnell.

Paul Senftenberg hat einen schönen, stimmungsvollen und sehr ruhigen, aber auch ungewöhnlichen Schreibstil. Man braucht eine Weile, um sich in das Buch hineinzulesen, gerade wenn man eher aktuelle Gay Romance Bücher und Liebesromane gewöhnt ist. Die Wahl der Gegenwartsform ist für belletristische Bücher nicht unbedingt selten, aber dennoch dauert es einige Seiten, bis man sich an den Stil des Autors gewöhnt hat. Dies liegt vor allem an der Herkunft des Autors. In Österreich werden viele Sätze anders aufgebaut und auch Präpositionen anders gesetzt, was deutsche Leser stolpern lässt und ein wenig verwirrt. Dennoch erschafft der Autor mit seinen Beschreibungen doch durchaus stimmungsvolle Bilder, so dass man sich die sommerliche Kleinstadt sehr gut vorstellen kann. In diesem Punkt kann man „Eine ganz andere Liebe“ am besten mit Jana Walthers Romanen „Benjamins Gärten“ und „Phillips Bilder“ vergleichen, die in einem ähnlichen Umfeld spielen, und die ähnliche Bilder beim Lesen heraufbeschwören.

„Eine ganz andere Liebe“ ist ein ruhiges, stilles Buch, das durch sehr realistische, greifbare Charaktere und eine nachvollziehbare Liebesgeschichte punktet. Paul Senftenberg gelingt es sowohl die Beziehung zwischen Daniel und Michael glaubhaft in Szene zu setzen, als auch die Probleme, die eine solche Liebe mit sich bringt. Dabei geht er sehr sensibel vor und verzichtet auf übermäßigen Kitsch, aufgesetzte Dramatik oder unpassende Erotikszenen. „Eine ganz andere Liebe“ ist schwer mit den gängigen Gay Romance Büchern zu vergleichen, bietet es doch eher Lesestoff für Leser, die keine kitschigen Romantikgeschichten lesen, sondern eher Wert auf die Figuren und deren Entwicklung legen. Wer ruhige Geschichten wie die von Jana Walther oder Alain Sulzer mag, dem wird die Geschichte von Michael und Daniel gefallen – wer mehr Wert auf Erotik und viel Romantik legt, sollte dennoch einen Blick riskieren. „Eine ganz andere Liebe“ lohnt sich.

Titel:

Eine ganz andere Liebe
Autor: Paul Senftenberg
Genre: Alltag, Drama
Verlag: Himmelsstürmer Verlag, 2013
Preis: 14,90 Euro
ISBN: 978-3863613167
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