Ash

Ash verliert binnen eines Jahres ihre Eltern. Ihre Mutter stirbt urplötzlich innerhalb weniger Tage und wird am Rand des Waldes in der Nähe von Ahs Zuhause beerdigt. Ihr Vater heiratet kurz darauf eine geldgierige Frau namens Lady Isobel und stirbt nur wenige Monate später an einer seltsamen Krankheit, die ihn von innen heraus zu zerfressen scheint. Danach ist Ash allein, lediglich ihre neue Stiefmutter und ihre beiden Stiefschwestern Ana und Clara bleiben ihr als Familie. Zu allem Überfluss ist sie fern ab von ihrer Heimat Rook Hill und dem geheimnisvollen Wald, in dem es noch Feen geben soll, die mithilfe von Magie immer wieder junge Mädchen und Jungen in ihre Kreise locken.
Das einzige was Ash bleibt sind die Märchen, Legenden, Erinnerungen und Träume von ihrer Mutter, die eine Kräuterhexe war. Als Lady Isobel zwei Brief erhält, die offen legen, dass die Geschäfte von Ashs Vater nicht gut liefen und er jede Menge Schulden hinterlassen hat, verliert Ash auch noch die unsichere Stellung im Haushalt ihrer Stiefmutter. Sie wird Magd und soll die Schulden ihres Vaters abarbeiten. Das Mädchen fügt sich und wird schon bald alleinige Haushälterin von Quinn House, dem Wohnsitz ihrer Stiefmutter. Ash nimmt das meiste schweigend hin, hat sie doch einen Freund gefunden, dem sie sich anvertrauen kann – das männliche Feenwesen Sidhean, der sie seltsamerweise nicht in seine Fänge locken und damit vernichten will. Im Gegenteil! Sidhean weist ihre Bitten, sie endlich mit sich zu nehmen vehement zurück, ist aber immer öfter an ihrer Seite, wenn Ash durch den königlichen Forst streift, um sich von der Arbeit in Quinn Haus zu erholen. Sie sagt niemandem etwas über ihren geheimnisvollen Freund und nach und nach verbindet die beiden ein ungewöhnliches Band. Die Jahre ziehen ins Land, Ash wird zu einer schönen jungen Frau und begegnet irgendwann der königlichen Jägerin Kaisa. Die beiden freunden sich während eines Sommers an und Kaisa bringt der schüchternen Ash das Reiten bei.

Schon bald muss Ash erkennen, wie sehr sie die Nähe ihrer neuen Freundin mag. Auch Kaisa scheint ihr nicht abgeneigt zu sein und schließlich lädt sie Ash ein der königlichen Jagdgesellschaft beizuwohnen und mit ihnen zu reiten. Ash verspricht ihr es zu versuchen und um Kaisa wiederzusehen, sucht Ash Sidhean auf. Der Feenmann soll ihr ihre Wünsche erfüllen und Sidhean verspricht ihr zu helfen. Doch diese Hilfe hat ihren Preis – Sidhean will Ash an seiner Seite haben und das Mädchen willigt ein, ohne in dem Moment zu ahnen, welche Konsequenzen diese Entscheidung hat… 


„Ash“ ist in vielerlei Hinsicht wie das Märchen „Aschenputtel“. Es ist eine moderne Variante davon, die lediglich in den letzten Kapiteln vom Original abweicht, da Ashs Liebe nicht dem Prinzen Aidan gehört, sondern der königlichen Jägerin. Sidhean nimmt die Rolle der (guten) Fee ein, so dass es auch die bekannte Ballszene gibt, in der Cinderella mit dem Prinzen tanzt, ohne zu ahnen mit wem sie es zu tun hat. In die bekannte Erzählung fließen noch die Legenden und Erzählungen der Feen, die einen Großteil der Handlung bestimmen. Immer wieder werden die Märchen und Legenden erzählt, die Ash in Büchern liest. Auf diesem Weg soll man die Feen der Welt ein wenig besser kennenlernen, wenngleich Sidhean sich ganz und gar nicht den alten Legenden entsprechend verhält.
Die Geschichte ist ein seltsamer Mix aus einem Märchen mit fantastischen Elementen und einer männlichen Fee, der mehr wie ein Vampir wirkt, wenn man zwischen den Zeilen liest. Zudem hat man Schwierigkeiten sich auf eine Zeitepoche zu konzentrieren. Malinda Lo mixt verschiedene Epochen zusammen, teilweise frühes Mittelalter, teilweise Barock und Rokoko und dann wieder Elemente aus dem 19. Jahrhundert. Es fällt schwer nachzuvollziehen in welcher Zeit das Werk spielen soll, wenngleich es sich um eine fiktive Welt handelt. Doch auch diese wirkt unausgegoren. Man weiß wie das feindliche Nachbarland im Süden heißt, doch nicht einmal fällt der Name des Landes, in dem Ash und ihre Freunde leben. Auch die Namen, Begrifflichkeiten und Mythen wirken wahllos zusammen gewürfelt. Es gibt Orte wie Seatown, Rook Hill und Quinn House, dann wieder Namen wie Solanya, Kaisa, Aidan und Aisling (Ashs richtiger Name), die überhaupt nicht zu Clara, Ana, Gwen und Colin passen. Malinda Lo spielt mit verschiedenen Legenden und Bräuchen aus unserer Welt (das Weihnachtsfest, das eher an Halloween erinnert), Allerheiligen oder die Bräuche bei Beerdigungen, die in ihrer Vielzahl eher verwirrend, als interessant sind.


Auch ihre Heldin bleibt unheimlich blass. Ash ist dem Leser am Ende so nah, wie am Anfang, da sie eigentlich nichts aus eigenem Antrieb macht. Sie reagiert nur, agiert aber nicht wirklich und ist in vieler Hinsicht einfach zu passiv. Man lernt sie nicht kennen, da sich Malinda Lo lieber in (wirklich schönen) Beschreibungen zu der Umgebung, dem Wald und den Sidhe verliert, als ihre Protagonistin aktiv erzählen zu lassen. Wo sind die Dialoge am Anfang, die den Charakter formen und einführen, wo die Beschreibungen ihres Wesens. Man lernt die anderen Figuren kennen, braucht jedoch über 200 Seiten um zu wissen, welche Haarfarbe Ash hat (ich finde es wichtig, dass die Protagonisten beschrieben werden, um sie sich vorstellen zu können). Oftmals wechseln die Perspektiven und gerade die eingeschobenen Märchen, machen es schwer der Handlung zu folgen, da viele dieser Erklärungen irrelevant sind. Auch einige Szenen hätte man streichen können, da sie im nachhinein keinen tieferen Sinn hatten. Das Buch zieht sich an vielen Stellen, an anderen spart es zu sehr mit Erklärungen, insbesondere wenn Dialoge immer dann abgebrochen werden, wenn sie interessant wurden.


Ein großes Manko ist auch die Tatsache, dass viele interessante Ansätze angesprochen, jedoch nicht weiter verfolgt werden. Ashs magische Fähigkeiten werden spannend dargestellt, doch irgendwann sind sie bedeutungslos; das Buch ihrer Mutter dient auch keinem tieferen Sinn und in vielen Dinge verschenkt Malinda Lo einfach Spannung und Dramatik, da sie immer den leichtesten Weg geht und Konflikte zu scheuen scheint. Dementsprechend langweilig und vorhersehbar ist das Ende, da nicht einmal hier etwas passiert, was Ash wirklich fordert und ihr ein Opfer abverlangt. Sicher tritt sie am Ende Sidhean gegenüber, um ihre Liebe zu Kaisa zu bewahren, doch es endet recht undramatisch.
Selbst die lesbische Beziehung zwischen Kaisa und Ash bleibt recht unbeleuchtet, da sie zwar deutlich dargestellt wird, es jedoch keine Probleme für die beiden Frauen mit sich bringt. Die anderen Bewohner des Landes stehen dieser Art von Liebe recht offen gegenüber, was im Grunde okay ist, aber für den Leser unbegründet bleibt (immerhin werden die Philosophen ja sinnbildlich als die Vertreter der Kirche dargestellt, was eigentlich zu Konflikten führen sollte). Hier fehlt mir einfach die Begründung, da es sich immerhin um eine mittelalterlich anmutende Welt handelt.


Der Schreibstil ist durchweg recht flach, an einigen Stellen gibt es Wiederholungen und es fällt schwer richtig in die Geschichte einzusteigen. Bei Beschreibungen des Waldes oder von Sidhean verwendet Malinda Lo eine blumige Sprache, die sehr ausführlich und faszinierend ist, doch gerade bei den Dialogen schwächelt sie, was ein Grund dafür ist, dass Ash ein so langweilige Protagonistin ist. Teilweise sind die Stories von Fanfiction Autoren besser verfasst, als dieses Werk, doch wahrscheinlich gibt es genug Leute, die diesen schlichten Stil bevorzugen.


Insgesamt ist das knapp 270 Seiten starke Büchlein hübsch aufgemacht, kommt als Hardcoverband mit Schutzumschlag daher und hat sogar dasselbe Cover wie die amerikanische Ausgabe. Bis auf einige Fehler in der Übersetzung ist auch diese gut gelungen. Wer einfache, märchenhafte Geschichten mag und endlich mal eine fantastische Geschichte mit einem Hauch Homoerotik lesen möchte, der kann gerne einen Blick in „Ash“ werfen. Wer auf eine gut aufgebaute Story und einen interessanten Hintergrund hofft, sollte sich lieber nach anderen Büchern umsehen. „Ash“ gelingt es nur schwer beim Lesen zu fesseln. Schade, man hätte sehr viel mehr aus der Grundidee machen können…

 

Titel:

Ash
Autor: Malinda Lo
Genre: Fantasy, Romance
Verlag: Pan- Verlag, 2010
Preis: 12,99
ISBN: 978-3426283448 
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