Bokeh - Schönheit der Unschärfe

Das Supermodel Joschi Teschner ist seit Jahren auf Erfolgskurs, da es kaum jemanden gibt, der ihm das Wasser reichen kann – er läuft bei den ganz Großen, fliegt für Shootings rund um die Welt und kann in nahezu jede Rolle schlüpfen, die von ihm verlangt wird. Selbst Shootings in Frauenkleidern sind für ihn kein Problem, ist er doch sehr androgyn und spielt auch die Rolle einer Frau sehr überzeugend. Die Maske, die er sich antrainiert hat, sitzt in allen Lebenslagen, insbesondere bei dem unkonventionellen Fotografen Dirk Landers, deren Aufträge er immer übernimmt, selbst wenn er Angebote für große Shootings erhält, hat er doch seit Jahren ein Auge auf Dirk geworfen. Leider ist dieser nicht nur bi und mehr an Frauen interessiert, sondern zumeist zu 200% auf seine Arbeit fixiert, weswegen er Joschi nur durch die Kameras kennt und Joschi nur während eines Shootings überhaupt wahrnimmt.
All das ändert sich, als Joschi eines Tages einen direkten Anruf von Dirk erhält, der ihn für Aufnahmen in der Ukraine bucht. Joschi willigt sofort ein, nichtsahnend, dass Dirk gänzlich natürliche Fotos in der rauen Natur des Landes plant und sich Joschi erstmals nicht in einer Rolle oder hinter seiner Maske verstecken kann …

Mit „Bokeh - Schönheit der Unschärfe“ legt Chris P. Rolls eine weitere Novelle im Umfang von „Irgendwie Anders“ vor, bei der sie sich der Geschichte von Joschi und Dirk widmet. Das kleine Büchlein gehört thematisch zu ihrem eigenen kleinen Universum, in dem auch die Romane „Irgendwie Anders“, „Irgendwie Top“ und „Mecklenburger Winter“ angesiedelt sind. Wer also diese Bücher genießen möchte, sollte sie alle vorher lesen, da „Bokeh“ doch den ein oder anderen Spoiler enthält. Insbesondere „Mecklenburger Winter“ sollte man vorab gelesen haben, da die Autorin etliche Punkte vorweg nimmt.

Inhaltlich passiert auf den knapp 150 Seiten nicht viel – man lernt Joschi als arroganten, mitunter sehr von sich überzeugten jungen Mann kennen, der sich selbst zumeist hinter mehreren Masken versteckt, die er bis zur Perfektion beherrscht. Man erfährt ein wenig über ihn und über die Liebe, die er für den Fotografen Dirk Landers hegt, der zumeist vollkommen in seiner Arbeit aufgeht. Das Interesse an seinen Modellen reicht zumeist vom Beginn eines Shootings bis zum letzten Foto, danach verliert Dirk das Interesse an den Menschen, mit denen er zusammenarbeitet. Auf dieser Grundlage baut Chris P. Rolls ihre Liebesgeschichte auf, indem sie die beiden Männer in der Ukraine zu einem Shooting zusammenbringt, was natürlich in der unvermeidbaren Wahrheit mündet, bei der Dirk erfährt, was Joschi für ihn empfindet. Wer Bücher der Autorin kennt, weiß schon zu Beginn, wie „Bokeh“ endet – ein Happy End ist bei Romanen von Chris P. Rolls Pflicht und auch bei diesem Buch enttäuscht sie ihre Fans nicht. Das macht „Bokeh“ allerdings ein wenig langweilig, weil bis auf die Lebensgeschichte von Dirk und Joschi nichts anderes passiert. Ab der Hälfte dümpelt die Handlung vor sich hin, unterbrochen von einigen erotischen Szenen, die Chris P. Rolls Bücher ausmachen. Man hätte viel aus dem Buch herausholen können – die Probleme, die das Leben im Showbiz mit sich bringt, Joschis Eltern, die nur kurz angeschnitten werden oder auch Joschis Vergangenheit – Potenzial wäre da, doch leider verschenkt die Autorin das meiste davon. Einige Punkte werden nur angeschnitten und oberflächlich behandelt, so dass mich „Bokeh“ nicht wirklich fesseln konnte. Es fehlte das Element der Überraschung, um das Buch aus der breiten Masse von Gay Romance Büchern hervorzuheben.

Die Charaktere sind im Großen und Ganzen interessant und bieten viel Potenzial. Joschi ist eine spannende Hauptfigur, die trotz seiner arroganten und überheblichen Art sympathisch ist. Er fällt mit seiner Art angenehm aus dem Rahmen der stereotypen Charaktere, wenngleich er zum Ende hin konformer wird und sich mehr und mehr den typischen Gay-Romance Figuren anpasst. Dirk Landers ist ein passenden Konterpart zu Joschi, doch leider bleibt er die ganze Geschichte hindurch relativ blass, da man von ihm kaum etwas erfährt. Er ist einfach der Love Interest, zu dem sich Joschi hingezogen fühlt. Es mag an der Kürze des Buches liegen, aber beiden Figuren mangelt es an Tiefe und Lebendigkeit. Sie haben zwar eine Vergangenheit, aber die wirkt aufgesetzt und ist nicht überzeugend in Szene gesetzt. Sie ist nur schwer greifbar und nachvollziehbar.

Stilistisch bietet Chris P. Rolls leichte Kost, die jedoch nicht an die Qualität ihre anderen Bücher heranreicht. So wirkt „Bokeh“ ein wenig flüchtig geschrieben, als hätte die Autorin die Geschichte von Joschi und Dirk nur schnell erzählen wollen. Ausführliche Beschreibungen und ausgefeilte Dialoge sucht man vergebens – einzig die Sexszenen sind detailliert beschrieben. Das ist schade, da Chris P. Rolls durchaus auch anders schreiben kann, wie man an ihren längeren Romanen wie „Mecklenburger Winter“ und „Irgendwie Top“ sieht. Das merkt man auch an den Fehlern (Grammatik, Satzbau und Rechtschreibung), die sich immer wieder in den Text mogeln. Sicherlich liest sich „Bokeh“ flüssig, doch alles in allem ist es eben nicht mehr als leichte Lektüre für zwischendurch, die man schnell wieder vergisst.

„Bokeh - Schönheit der Unschärfe“ ist eine nette kleine Novelle für Zwischendurch, die jedoch weder mit einer ausgefallenen Geschichte, noch mit tiefgründigen Charakteren aufwarten kann. Wer sich an Bücher von Chris P. Rolls heranwagen will, sollte definitiv mit anderen Romanen beginnen, wer bereits die anderen Geschichten kennt und herausfinden will, was aus Joschis Liebe zu Dirk wird, der sollte sich „Bokeh“ zulegen. Fans der Autorin werden um dieses kurze Büchlein ebenfalls nicht herumkommen. Alle anderen sollten im Vorfeld einen Blick ins Buch werfen, da „Bokeh“ selbst im Gay Romance Genre eher mittelmäßig ist. „Bokeh“ ist für Fans entstanden und diese werden an der Novelle ihre Freude haben.

Titel:

Bokeh - Schönheit der Unschärfe
Autor: Chris P. Rolls
Genre: Erotik, Drama
Verlag: Selbstverlag, 2013
Preis: 6,99 Euro
ISBN: 978-1482706543
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