Interview- Anne Delseit
Name:
Anne Maren Delseit
Kontakt: lail@alicubi.de
Homepage:
http://www.alicubi.de
Arbeit:
Studentin, freie Autorin, Lektorin und Redakteurin
Veröffentlichungen: Diverse Kurzgeschichten (z.B. "Alltag"
in "Lemon Law 1", Fireangels Verlag 2007), In maiorem dei gloriam
(Fireangels Verlag 2009), Lilientod (Carlsen Manga 2009), Lilientod- Der Rosenkönig
(2010)
Stelle dich doch bitte zunächst einmal kurz den deutschen Lesern vor.
Hallo, ich bin die Anne. Ich bin 23 Jahre (Jahrgang '86) und lebe, studiere
und arbeite in Köln. Im Moment bereite mich auf mein 1. juristisches
Staatsexamen vor und arbeite als Freie Redakteurin, Lektorin und Autorin für
verschiedene Verlage. Im Internet bin ich häufig unter dem Pseudonym "Lail"
unterwegs.
Wann hast du mit dem schreiben angefangen?
Das weiß ich gar nicht mehr - es begleitet mich schon sehr lange.
Wie genau kam es dazu? Gab es einen bestimmten Tag oder eine besondere
Situation?
Wie gesagt, genau ausmachen kann ich den "Ursprung" nicht mehr.
Aber ich erinnere mich daran, dass ich nach der Trennung meiner Eltern regelmäßig
geschrieben habe (das war 1997). Wenn wir dann - meistens am Wochenende - bei
meinem Vater waren, habe ich immer viel gelesen und an einem alten PC vor mich
hingetippt. Ich glaube, in meinen ersten Geschichten (die heute leider im
Datennirvana ruhen), ging es hauptsächlich um Tierkinder.
"In maiorem dei gloriam" ist dein erster Roman. Wie bist du darauf
gekommen, diese Geschichte zu schreiben?
Ich habe mich immer schon sehr für Religionen und Mystisches im
Allemeinen interessiert. Die Engel und ihr Wirken haben mich dabei ganz
besonders fasziniert. Und je mehr ich darüber las und das Gelesene Revue
passieren ließ, desto plastischer wurden manche Gestalten für mich. Michael
und Co. bekamen "Charakter" und irgendwann war alles so
"greifbar", dass ich dachte mir, das könntest du mal aufschreiben,
bevor es wieder weg ist. Und dann kamen die ersten Rohentwürfe zu IMDG, die zunächst
im Internet und dann bei Fireangels ihren Zuspruch fanden.
In die Geschichte wurden viele Glaubensgrundsätze und Mystizismen
miteinander verwoben. Wie sehr musstest du dich der Recherche widmen und wie
hast du dich über die Hintergründe informiert?
Ich habe viel gelesen, in erster Linie Sekundärquellen (mehr oder
weniger wissenschaftliche Bücher über Himmel, Hölle und deren Hierarchien),
da ich die einschlägigen Sprachen nicht beherrsche. Dabei fiel mir aber schnell
auf, dass sich viele Bücher teilweise widersprachen, und viele auch nicht genau
zwischen den kulturellen Ursprüngen differenzierten. Ich wollte am Anfang
eigentlich möglichst nah an den Quellen liegen - aber da stellte sich als nicht
so einfach heraus. Letztendlich entschied ich mich dafür, dass ich genug
gelesen hatte und umging das „Problem“ damit, dass ich mich daran erinnerte,
dass ich IMDG ohnehin als Fantasy-Roman geplant hatte und nicht als
wissenschaftliche Abhandlung. Insofern entschied ich mich, es mit der
„Richtigkeit“ nicht immer so genau zu nehmen, sondern - auch aus
dramaturgischen Gründen - meinen eigenen Weg unabhängig von Quellen zu gehen:
Wenn sich doch so vieles widerspricht, kann die "Wahrheit" (sofern
hier davon gesprochen werden kann) auch eine ganz andere sein. Und im Zweifel
hat im IMDG-Universum dann der Erzähler - also Sariel - die Informationen aus
„erster Hand“. Ein paar Dinge findet man also in Quellen, ein paar habe ich
mir zurechtgebogen und ein paar hinzugedichtet. Es macht mir übrigens viel Spaß,
mich mit Lesern über ihre eigenen Interpretationen und Ansätze zum Thema
Engel& Co. zu unterhalten - also unabhängig vom IMDG-Universum. Da gibt es
so viel Spielraum für Kreativität!
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Wie lange hat es gedauert, um die Welt von "In maiorem dei gloriam"
zu erschaffen und das Buch selbst zu schreiben?
Hm, das ist wieder schwierig zu beziffern. Mit den Recherchen allgemein
(also noch nicht konkret für das Buch) habe ich schon relativ früh begonnen,
genau kann ich das wieder nicht sagen. Die Erzengel fand ich schon als Kind sehr
faszinierend, auch ihre Beziehungen zueinander - obwohl ich damals natürlich
noch nicht im Entferntesten daran gedacht habe, z.B. Luzifer und Michael ein
Verhältnis anzudichten, das über ein brüderliches hinausgeht ... Ich habe
mich dann über die Jahre eingelesen und die Geschichte in meinem Kopf wurde
immer greifbarer. Die heiße Schreibphase war zwischen 2003 und 2004. Kurz vor
meinem Abitur im April 2004 war ich fertig – auch schon mit dem 2. Teil. Ende
2007 habe ich dann begonnen, das Rohmanuskript des 1. Teils zu überarbeiten.
Gibt es reale Personen, auf denen Charaktere der "In maiorem dei gloriam"
Romane basieren?
Nein, zumindest nicht, dass ich wüsste.
Könntest du dich mit einem deiner Romancharaktere identifizieren? Gibt es
eine Person, die du magst oder die dieselbe Persönlichkeit hat?
Hm, ich denke, da sie alle "von mir" sind, muss ich mich zu
einem gewissen Grad in jeden von ihnen hineinversetzen können. Ich denke auch,
dass viele von ihnen das ein oder andere von mir mitbekommen haben. Aber direkt
identifizieren kann ich mich mit ihnen nicht, nein. Ich habe mich als Person
auch nicht in die Geschichte eingebracht (zumindest nicht, dass ich wüsste),
ich denke, dazu bräuchte ich erst einmal eine möglichst objektive
Charakterbeschreibung von mir selbst. Ich bin da wie ein Schauspieler, ich denke
mich in die Rollen hinein - und versuche dabei, mich nicht selbst zur Rolle zu
machen. Ein bisschen Theater-Erfahrung hilft mir dabei sehr.
Welche Charakter magst du am meisten und welcher liegt dir am wenigsten?
Oh, das ist schwer! Ich beantworte es mal so: Wenn mir Sariel nicht
liegen würde, wäre das kontraproduktiv gewesen, immerhin musste ich mich
regelmäßig in ihn hineinversetzen, bevor es ans Schreiben ging. Ich mag Beliel,
die Szenen mit ihm sind mir locker aus der Hand geflossen. Der Engel Michael war
für mich manchmal ein bisschen schwer zu packen, weil ich mir genau überlegen
musste, welche Informationen ich dem Leser weitergebe, um ihn nicht zu
entmystifizieren. Ich musste mir genau überlegen, wie viele Gemeinsamkeiten der
Engel und seine menschliche Form in welcher Szene haben sollten. Andererseits
war das gerade auch so spannend und letztendlich waren Michael und Luzifer der
Anlass, die Geschichte überhaupt erst zu schreiben. Auf Sariel stieß ich erst,
nachdem ich mich dazu entschieden hatte, die Geschichte aus der Sicht eines
Dritten zu erzählen.
Ist mit dem Buch die Geschichte um Sariel erzählt, oder kann man auf weitere
Bände hoffen? Wenn es weitergehen soll, wie umfangreich soll die Reihe werden?
Es wird auf jeden Fall noch ein weiteres Buch geben, ich überarbeite
gerade die Urfassung von 2004. Nach dem ersten Teil ist das Eine oder Andere
noch offen geblieben, Sariel hat zum Beispiel noch ein paar Dinge zu lernen; ich
möchte noch ein paar Sachen aus seiner Vergangenheit aufgreifen und zwischen
ihm und Raziel ist das letzte Wort auch noch nicht gesprochen. Weiteren Stoff für
die Fortsetzung liefert natürlich auch Michaels erneutes Verschwinden und
Luzifers Reaktion darauf. Mehr verrate ich jetzt aber noch nicht. Es freut mich
übrigens, dass Nina Nowacki wieder Illustrationen für Cover und Innenteil
beisteuern wird.
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Warum schreibst du im Boys Love Genre? Gibt es dafür bestimmte Gründe?
Ich habe schon im Boys Love Genre geschrieben, als ich noch gar nicht
wusste, was Boys Love ist - zuerst kannte ich das als Slash und entdeckte dann,
dass es im Manga-Bereich ein zumindest ähnliches Genre gibt. Ich kam darauf,
weil ich immer schon viele Homosexuelle in meinem Bekanntenkreis bzw. dem meiner
Mutter hatte. Irgendwann habe ich mich mit Bekannten und Freunden darüber
unterhalten, dass es – damals – kaum Liebesgeschichten für Männer gab. Und
das fand ich „irgendwie doof“ und ich wurde gefragt, ob ich es nicht mal
versuchen wolle. So kam ich dann über Umwege schließlich in die Boys Love
Szene (auch wenn Boys Love wiederum in erster Linie für Frauen konzipiert ist).
Mir ging und geht und es jedenfalls darum – geschlechtsunabhängig – Liebes-
bzw. Beziehungsgeschichten zu erzählen.
Gibt es irgendwelche Genres, denen du dich neben dem BL-Genre gerne noch
widmen möchtest?
Ich schreibe auch sehr gerne phantastische Literatur und Kurzgeschichten
ohne BL-Elemente – und ich bin auch ein Science Fiction- und Krimi-Fan. Auch
hier habe ich bereits fertige Manuskripte und Konzepte in der Schublade, aber
erst einmal ist jetzt IMDG 2 dran.
Hast du irgendwelche Lieblingsbücher oder Autoren, die du magst?
Ich liebe Michael Endes "Momo" und "Die unendliche
Geschichte"! Ein Buch, das mich persönlich auch sehr bewegt und gefesselt
hat, ist der historische Roman „In 300 Jahren vielleicht“ von Tilman Röhrig.
Du bist ja nicht nur als Einzelkämpfer unterwegs, sondern arbeitest auch mit
anderen deutschen Mangakünstlern zusammen, so z.Bsp. Martina Peters. Wie
gestaltet sich eine Zusammenarbeit im Team?
Das ist sehr spannend! Mit Martina läuft es meistens so, dass wir
zusammen die Geschichte grob durchplanen und ich dann, während sie die
Charakterdesigns entwirft, den Plot für einen Band ausformuliere und z.B. Lücken
schließe. Wenn der Vertrag dann sicher ist, setze ich mich ans Skript, schreibe
alle Szenen und Dialoge und mache eine grobe Seitenaufteilung. Wenn Martina mit
dem Zeichnen beginnt, bin ich mit meiner Hauptarbeit schon fertig und „überwache“
die Produktion, ändere – wenn nötig – den Text und erstelle dann am Ende
eine reine Dialogfassung des Skripts für den Setzer. Mit anderen Zeichnern läuft
es ähnlich, manchmal biete ich aber auch schon fertige Konzepte an.
Wie habt ihr euch kennengelernt? Wann habt ihr euch entschieden, gemeinsam an
einem Manga zu arbeiten?
Kennengelernt haben wir uns vor gut fünf Jahren auf der Geburtstagsfeier
einer Freundin, die damals eine kleine Musicalgruppe gründete, der wir beide
beitraten, die aber leider nicht lange Bestand. In den darauf folgenden Jahren
hatten wir anfangs weniger, dann aber wieder mehr Kontakt und letztendlich ist
Martina für mich eine sehr wichtige Freundin geworden, auf die ich nicht mehr
verzichten möchte!
Ich habe ihr dann, als sie sich für einen Chibi bewerben wollte, das Konzept zu
„E-motional“ gegeben. Das hat sich als Testlauf ganz gut bewährt, also kam
sie letztendlich für das Folgeprojekt auf mich zurück und wir machten
„Lilientod“ zu einer offiziellen Zusammenarbeit.
"Lilientod" ist ja euer erstes gemeinsames Projekt. Stehen noch
weitere Arbeiten dieser Art an event. auch mit anderen Künstlern?
Martina zeichnet im Moment am zweiten Band und wir würden das
Lilientod-Universum natürlich sehr gerne noch weiter ausbauen! Im Moment
arbeite ich außerdem mit Rebecca Jeltsch ("A Demon's Kiss", Carlsen
Manga) und dem Autor Markus Heitz (u.a. "Die Zwerge"-Reihe, Piper,
„Blutportale“, Droemer Knaur) für die Comicstars GmbH an einem Manga-/Graphic-Novel-Werk
rund um die Kult-Gothic-Band "Das Ich". Das Buch soll dann auch nächstes
Jahr erscheinen. Weitere Projekte stehen in den Startlöchern.
Du bist in der Verlagsszene recht aktiv und arbeitest als Redakteurin für
den Comicstars Verlag und den Fireangels Verlag. Wie kam es zu dieser
Zusammenarbeit?
Wie so oft heute: Ich habe über Kontakte (in beiden Fällen Martina)
einen "Fuß in die Tür" setzen und dann mit meiner Bewerbung überzeugen
können. Für mich ein absoluter Traum, ich finde es toll, mit kreativen
Menschen zusammenzuarbeiten bzw. selbst kreativ zu arbeiten!
Ist es sehr schwer all deine Arbeit (Schreiben, Plotten, redaktionelle Tätigkeit)
unter einen Hut zu bringen?
Hm, ich denke, nicht schwerer als jede andere freiberufliche Tätigkeit
auch. Ich setze mich an meinen Schreibtisch, mache das, was an dem Tag ansteht
und wenn mein Tagespensum erfüllt ist, habe ich frei. Natürlich kommt mal plötzlich
was rein – vor allem, wenn Deadlines anstehen. Aber das erfordert eigentlich
nur ein bisschen Planung. Und man muss sich grundsätzlich daran halten, mal
Feierabend zu machen. Hauptsächlich bin ich immer noch Studentin.
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Mein Studium erfolgreich abschließen und weiter im Verlagsbereich
arbeiten. Natürlich hab ich auch das ein oder andere Wunschprojekt, das ich in
naher Zukunft gern umsetzen würde. Wann es soweit sein wird und was danach
kommt, werde ich dann sehen. Ich bin auf jeden Fall gespannt!
Hast du dir das Schreiben selbst beigebracht oder hast du es gelernt?
Mehr oder weniger selbst beigebracht. Ich habe zwar in der Schule - und
auch danach noch - an einer Schreibwerkstatt teilgenommen (eine sehr schöne
Zeit), aber zu diesem Zeitpunkt habe ich schon regelmäßig geschrieben. Und es
ging bei der Schreibwerkstatt primär darum, in den ein bis zwei Stunden, die
wir zusammen saßen, kurze Texte zu einem Thema zu schreiben und das freie
Schreiben zu fördern und nicht um Stilbewertung oder Theorien. Es gab kein
richtig oder falsch. Es war eine sehr schöne und sehr produktive Zeit! Ich
treffe mich auch immer noch sehr gerne mit anderen Künstlern zu kreativen
Sessions in Cafés oder zu Hause, um parallel an Sachen zu arbeiten. Das schafft
so eine inspirierende Arbeitsatmosphäre. Natürlich gibt es auch Tage, an dem
ich mich am liebsten mit meinem Laptop im Bad einschließen würde, um nicht
gestört zu werden.
Bitte erzähl und ein wenig mehr von dir? Was machst du in deiner Freizeit?
Ich gehe wahnsinnig gerne in Cafés und Restaurants, ich habe in Köln
zwei, drei Stammlokale, in denen ich sogar Strom für meinen Laptop bekomme, um
dort arbeiten zu können. Manchmal tut ein Tapetenwechsel sehr gut! Aber halt,
wir sprachen ja von Freizeit - dass Schreiben für mich oft nicht mehr bloß
Hobby ist, klingt für mich immer noch ungewohnt. Also zurück zur Freizeit: Ich
bin regelmäßiger Kinogänger, wobei ich die Originalfassungen immer vorziehe.
Auch Theater, Oper und Musicals stehen immer wieder auf meiner Liste. Musik ist
für mich mehr als Inspiration, sie ist mein großer Ausgleich. Ich nehme seit
fast zehn Jahren klassischen Gesangsunterricht - das ist mein wöchentliches
"Workout". Ich singe dann auch regelmäßig auf kleinen Konzerten vor
Publikum und durfte schon an zwei Kinderlieder-Produktionen mitwirken. Das ist
trotz Bühnenerfahrung immer noch jedes Mal aufregend!
Gibt es sonst noch etwas, was du den deutschen Fans mitteilen möchtest?
Tut euch einen Gefallen und nehmt euch Zeit dafür, kreativ zu sein! Ich
merke immer mehr, wie wichtig ein kreativer Ausgleich ist.
Vielen Dank für das informative Gespräch.
Sehr gerne!
Bildcopyright:
Die im Zusammenhang mit diesem Artikel verwendeten Bilder und Coverscans
unterliegen dem Copyright von Anne Delseit, Martina Peters und Nina Nowacki.
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