Gelegenheit macht Diebe 2
Seit
Monaten ist Jans große Liebe Marco verschwunden und noch immer hat Jan das
unschöne Ende der gemeinsamen Zeit nicht überwunden. Da hilft auch die
liebevolle Fürsorge seiner besten Freundin Andrea nicht, da diese unterdessen
einen festen Freund hat und mit diesem in ein kleines Häuschen gezogen ist. Jan
ist einsamer denn je, lebt er doch nur mit einer Katze in einem winzigen
Einzimmer-Appartment. Als ihm unerwartet ein Job bei der weltweit agierenden
Firma Global-H angeboten wird, scheint es in seinem Leben endlich bergauf zu
gehen, wäre da nicht sein neuer Chef, Herr Trimmer, der Marco zum Verwechseln
ähnlich sieht. Zudem sind einige seiner neuen Kollegen alles andere als
vertrauenswürdig, insbesondere Carsten, der offen gegen Homosexuelle wettert.
Mit „Gelegenheit macht Diebe 2“ schließt Marty Tolstoy direkt an den ersten Band an und führt die seltsame Liebesgeschichte zwischen Jan und Marco fort. Wie schon beim Vorgängerroman erwartet den Leser eine Menge Unlogik, schwer nachvollziehbare Charaktere und einen schlechten Spannungsbogen, der dafür sorgt, dass sich das Buch nur schwer lesen lässt.
Die Logik der Handlung krankt an einigen Ecken. So wird Jan beispielsweise
direkt beim Vorstellungsgespräch eingestellt (und ohne, dass er einen
Arbeitsvertrag erhält), ist bereits nach wenigen Wochen eingearbeitet und
erstellt Präsentationen, die man eher einem langjährigen Mitarbeiter zutraut.
Hinzukommen Trimmers Beweggründe und seine linken Geschäfte, die seltsamerweise
überhaupt nicht auffallen. Dass es sich bei Trimmer um Marco handelt, ist
relativ früh klar (da es irgendwann einen Perspektivwechsel gibt und eine kurze
Passage aus Marcos/Trimmers Sicht erzählt wird), sorgt jedoch für noch mehr
Fragen, die leider nicht beantwortet werden. Wie kam er an die Stelle eines
leitenden Angestellten? Was ist mit seiner polizeilichen Akte und all den
Verbrechen, die er im ersten Band verübt hat? Wieso stellt er Jan ein, wenn
dieser ihn doch verraten könnte?
Die angesprochene Unlogik kommt zu 90% durch den Hauptcharakter Jan. Er ist unselbstständig, hilfsbedürftig, egoistisch und bekommt das Meiste noch immer nicht auf die Reihe. Andrea ist nach wie vor diejenige, die das Ruder in der Hand hat, Jan hilfreich zur Seite steht, sich dessen Probleme anhört und immer wieder für ihn da ist. Aus diesem Grund ist Jan als Hauptcharakter auch so nervend und zumeist ist sogar dem Leser das kindische, aufgesetzte Verhalten peinlich. Er entwickelt sich überhaupt nicht weiter, stagniert seit Beginn des ersten Buches und fällt immer wieder von einem Extrem ins Nächste. Mal ist Marco der unsensibelste Kerl der Welt, der Jan zutiefst verletzt, eine Stunde später bereut dieser es, Marco einfach stehen gelassen zu haben, ohne um ihre Beziehung zu kämpfen. Diese Inkonsistenz, gepaart mit Jans kindischen und nicht nachvollziehbaren Gebaren, macht es unheimlich schwer das Buch zu lesen.
Auch die anderen Figuren können den Roman nicht aufwerten. Sei es Andrea, die mir einfach zu geduldig und verständnisvoll ist, anstatt einmal kräftig auf den Putz zu hauen, die Arbeitskollegen, die letztendlich nichts Relevantes zur Handlung beitragen, oder Marco, dessen Beweggründe sowieso schleierhaft sind und der mal mit Jan anbändelt, mal nicht.
Stilistisch ist „Gelegenheit macht Diebe 2“ durchwachsen, gibt es doch einige Rechtschreibfehler, Stilbrüche (z.B. Perspektivsprünge) und Wortwiederholungen. Marty Tolstoy hat einen sehr einfachen, mitunter unausgereiften Schreibstil, der es dem Leser erschwert in die Handlung einzutauchen. Eine kleine Steigerung im Vergleich zum ersten Band ist jedoch durchaus erkennbar, doch es fehlt an sprachlichem Tiefgang und Wortgewandtheit. Oft rutscht der Autor ins Umgangssprachliche ab, was dafür sorgt, dass „Gelegenheit macht Diebe 2“ einfach nie im Fahrt kommt und sich eher quälend in die Länge zieht.
All das macht „Gelegenheit macht Diebe 2“ zu einer nicht empfehlenswerten
Lektüre, da Marty Tolstoy weder mit nachvollziehbaren, sympathischen Figuren,
noch mit einer packenden Handlung aufwarten kann. Dafür beherrscht die Unlogik
weite Teile des Romans, was dafür sorgt, das man die meiste Zeit den Kopf
schüttelt und das Buch zur Seite legen will. Wer gute, homoerotische Romane
sucht, sollte sich dringend anderweitig umschauen und um „Gelegenheit macht
Diebe 2“ einen großen Bogen machen …
|
||||||||||||||||||