"Feuer und Herz" von Steffen Kiselowsky

Genre: Fantasy, Romance

Es war eine sternenklare, eiskalte Winternacht.
Die Elementaristennisel Ascaron lag ruhig und nur vom Licht des Vollmondes beschienen im vergessenen Meer.
Carlissa schaute, den Kopf auf die Hände gestützt aus dem Fenster ihres Zimmers.
‚Wie wunderbar ruhig die Insel immer zur Zeit der Ernennungen ist’, dachte sie, als sie ihren Blick über die Landschaft schweifen ließ, als Carlissas Aufmerksamkeit plötzlich auf eine Gestalt gelenkt wurde, die gerade aus Richtung der Kampfplätze kam.
In einen feuerroten Umhang gehüllt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, erkannte sie ihre Lehrerin und morgige Prüferin für den Jahresabschluss. Nicht an den Kleidern, die sie trug, oder an ihrem Gang konnte Carlissa sie erkennen, es war vielmehr ihr Gesicht, das so markant war, das selbst eine Kapuze es nicht verbergen konnte.
‚Sie sieht aus wie eine große Katze auf der Jagd’, dachte sich Carlissa als die Gestalt außer Sicht ging.
‚Wenn ich so an Morgen denke, wird mir ganz anders. Hoffentlich fallen mir auch alle Liturgien und Zaubersprüche ein, die ich gelernt habe. Ich will doch Meisterin Kethara stolz machen und nicht zu einer Enttäuschung werden. Immerhin hat es sie so viele Mühen gekostet mich für die Prüfungen dieses Jahr noch bei ihr einzuschreiben.’ Sie wandte ihren Blick vom Fenster ab und kuschelte sich wieder unter ihre warme Decke. ‚Bitte Mutter, sei Morgen bei mir!’, dachte sie, bevor sie die Augen schloss.
„He, Carlissa“ drang die leise Stimme ihrer Bettnachbarin Jael an ihre Ohren „Bist du noch wach?“
„Ja, ich glaube auch nicht, dass ich die Nacht noch wirklich zum Schlafen kommen werde.“
„Sag mal“, fragte Jael sie vorsichtig, „ist eigentlich Cloe schon wieder zurückgekehrt, oder steckt sie noch immer in ihrer Prüfung? Das die Prüfungen aber auch so hart dieses Jahr sein müssen. Letztes Jahr kamen sie mir noch viel leichter vor, da hatte man nach einer Stunde schon sein Ergebnis.“
„Ja, du hast Recht“, musste ihr Carlissa zustimmen. „Dass der Hohe Rat dieses Jahr kein Zeitlimit gesetzt hat, beunruhigt mich doch sehr. Ich meine hast du von dem jungen Luftmagier gehört? Ich glaube er heißt Marius. Der soll angeblich ganze vier Tage für seine Prüfung gebraucht haben.“
„Ja“, lachte Jael. „Der stand wohl kurz vor dem Durchfallen, weil er fast nicht mehr aufrecht gehen konnte vor Hunger. Sein Meister, der ihn währendessen betreut hat, soll wohl danach laut fluchend, davongeeilt sein.“
„Dabei hat er doch bestanden, oder?“, fragte Carlissa
„Ja, hab ich zumindest gehört.“
„Aber das Cloe noch nicht wieder aufgetaucht ist, wundert mich schon.“
In der Hoffnung etwas Schlaf erhaschen zu können schloss sie die Augen, nur um das wunderschöne Gesicht von Kethara Glutauge vor sich zu sehen. Spitz zulaufende Gesichtszüge, wie die einer Raubkatze, orangerotes Haar, das offen bis zu ihrem Rücken hinabfiel und schließlich das Markanteste von Allem: ihre Augen, die so bernsteinfarben waren, dass sie teilweise zu leuchten begannen, wenn das Licht darauf fiel und sie irgendwie an etwas Bekanntest erinnerten.

Carlissa war gerade eingeschlafen als plötzlich Cloe laut fluchend in den Schlafraum stürmte und sich lautstark über ihre Prüfung ausließ, die sie „voll vergeigt“ hatte, wie sie selbst zugab. Danach war an ein ruhiges Weiterschlafen nicht mehr zu denken. Cloe wollte unbedingt ihren Frust und Enttäuschung mit ihren Schlafkameradinnen teilen. Carlissa hingegen versuchte sich möglichst wenig an den Schimpftiraden von Cloe und Jael zu beteiligen.
‚Bitte hört doch endlich auf mit dem Gequatsche. Wenn ich nicht bald etwas Schlaf bekomme, kann ich die Prüfung morgen vergessen’, flehte sie innerlich.
Nach etwa einer weiteren Stunde, in der Carlissa krampfhaft versuchte die Unterhaltungen um sich herum zu ignorieren, war sie schließlich so erschöpft, dass sie einschlief.

„Alles Aufgestanden!“, brüllte eine weiblich klingende Stimme in alter Feuermagiermanier. „Lehrling Carlissa, ich erwarte dich in einer halben Stunde komplett angezogen und bereit deine Prüfung abzulegen auf dem Übungsplatz der Feuerelementaristen, verstanden?“
Kethara Glutauge war wahrlich nicht die Herzlichste, wenn es um die Disziplin und das morgendliche Aufstehen ihrer Schüler ging.
Manche nannten sie „ Kratzbürste“ andere nur „Haustiger“ doch fast alle waren sich einig darüber, dass es wohl sanftere Ausbilder und Meister innerhalb der Akademie gab, als diese „fiese Feuerelfe“.
„Jawohl“, antwortete Carlissa nur kurz und für die Tatsache, dass sie noch immer halb zu träumen glaubte, recht deutlich.
„Jawohl, Frau Oberhausdrachen Feuerhexen Schülerquälerin“, beendete Cloe.
„Ach sei doch nicht so“, warf Carlissa dem Mädchen zu. „Sie versucht doch nur uns rechtzeitig zu wecken.“
„Du findest aber auch immer etwas Gutes an diesem Kriegsrelikt, oder?“
Carlissa überging diese Bemerkung und zog ihre Kleidung an. Nachdem sie sich aus ihrem kleinen Schrank neben dem Bett die einzelnen Komponenten für die gängigen Zauber zusammen gesucht hatte, befestigte sie alles fein säuberlich an ihrem Gürtel.
„Ich kann nur hoffen, dass ich nichts vergessen hab“, murmelte sie, als sie noch einmal alles betrachtete. „Ansonsten wäre das eine wirklich kurze Prüfung.“
„Beeil dich Carlissa, sonst kommst du doch noch zu spät.“
Sie stürmte los, aus dem Schlafraum, die große Treppe und den Korridor hinunter, der in die Speisehalle der Feuermagier führte. Als sie all die Brote, Obstschalen und Marmeladen auf den Tischen stehen sah, konnte sie den Hunger, den sie gestern Abend noch ganz gut durch die Aufregung hatte ignorieren können, nicht länger niederkämpfen.
„Man, wenn ich jetzt noch groß etwas esse, komm ich ganz sicher zu spät“.
Also nahm sie sich ein belegtes Brot vom Tisch und rannte weiter durch die Halle bis sie schließlich auf dem großen Versammlungsplatz der Feuermagier ankam. Dort wartete, wie konnte es auch anders sein, ihre Meisterin und Prüferin Kethara.
„Du kommst zu spät“, begrüßte sie ihren Schützling kalt.
„Es tut mir leid Meisterin, ich wollte noch sichergehen, dass ich an alle Komponenten gedacht habe“, versuchte sie sich zu erklären.
„Wie auch immer“, beendete Kethara die Entschuldigungen ihres Prüflings. „Wir sollten uns beeilen um endlich mit der Prüfung anfangen zu können, nicht?“
„Natürlich, ganz wie ihr wünscht.“
Mit diesen Worten schritt Kethara forsch voran und ließ Carlissa mit einigen Schritten weit hinter sich. „Nicht so schnell Meisterin“, rief sie hinter ihr her und rannte los, um nicht den Anschluss zu verlieren.
„Nun beeil dich mal!“, blaffte Kethara ohne den Kopf zu drehen.
Nachdem Carlissa ihre Meisterin eingeholt hatte, hatte diese gerade den großen Paradeplatz erreicht, der direkt an die Katakomben der Erdmagier grenzte.
Dort wartete bereits ein hoch gewachsener Feuerelf, der in sein schwarz rotes Kriegsmagierornat gekleidet war.
Mit seinen beiden Schwertern und dem, mit einem Phönixvogel verzierten, Kommandoschild stand er neben Meister Sengumiel, einem Erdmagier, der neben seinem schweren Steinhammer noch das Schild eines Protectoren Ascarons in der anderen Hand trug.
„Guten Tag, Großmeister Narthan“, begrüßte Kethara den Feuermagier. „Meister Sengumiel.“ Sie nickte dem Erdmagier zu. „Ich bringe euch den Prüfling Carlissa, die heute ihre Jahresprüfung ablegen will.“
„Und wirst du, Kethara Glutauge, Meisterin des Feuers, sie dabei beaufsichtigen?“, fragte Großmeister Narthan forsch.
„Ja“, entgegnete ihm Kethara knapp.
„Nun, so sei es. Die Prüfung beginnt mit dem Eintritt in die Gewölbe und endet, wenn ihr wieder herauskommt“, schloss Narthan die Prüfungserklärung ab.
„Und vergiss nicht, junge Meisterin, nur beobachten, nicht eingreifen. Es ist nicht deine Prüfung und euch droht keine lebensbedrohliche Gefahr dort unten. Doch seid gewarnt: einfach wird es nicht.“ Damit übergab Narthan das Kommando an Meister Sengumiel, der die Beiden bis zum Eingang der Erdmagier geleitete.
‚Wofür sie den mitgeschickt haben, möchte ich auch mal wissen’, fragte sich Carlissa, die zuerst in die Dunkelheit der Höhle eintrat, dicht gefolgt von ihrer Mentorin. Als sich Carlissa schon ein paar Schritt weit in die Höhle vorgewagt hatte stutzte sie. Von draußen vernahmen sie einen lauten Singsang, der offenbar von dem Erdmagier ausging. Sein Steinhammer begann zu leuchten und man vernahm deutlich eine Zauberformel: „OMNES CON AUDIDI SOLVETE TI FOCUS MAGICUS ET PROFUNDA THERRANE“
Als er diese Worte ausgesprochen hatte, schlug er mit seinem Hammer gegen den Eingang.
Zuerst geschah nichts. Doch einen Moment später erzitterte die ganze Caverne unter dem mächtigen Schlag. Deckenteile brachen ab und stützen hinunter, kein freier Ausgang war zu sehen.
Mit halb offenem Mund stand Carlissa noch immer da, den Blick auf den Eingang gerichtet.
‚Der hat gerade mit nur einem Schlag die ganze Decke zum Einsturz gebracht’, dachte sie.
„Schnell!“, rief Kethara ihrem Schützling zu „Beeil dich und bring dich in Sicherheit.“
Carlissa hatte Angst, doch war sie sich auch der realen Gefahr bewusst in der sie steckte.
‚Es ist wie beim Kampftraining’, dachte sie.
„Pass auf, vor dir!“, rief Kethara, doch Carlissa tauchte blitzschnell unter den herabstürzenden Trümmerteilen hinweg. „Hast du keine Augen im Kopf, Mädchen?“, brüllte Kethara sie an. „Ausweichmanöver, 5 Gegner, Zielrichtung Oben, Los!“, gab Sie Carlissa als Kommando.
Die wiederum hatte genau verstanden. Es war eine taktische Anweisung, wie sie sie auch früher in den Übungen bekommen hatte. Sie hatte gut gelernt und viel von ihrer Meisterin abgeschaut während der langen Kampflektionen. Ihre Reaktionen waren bis aufs äußerste geschult. Innerhalb von wenigen Augenblicken war sie drei Felsbrocken ausgewichen und hatte es geschafft dabei weiter in die Höhle vor zu dringen. Mit einer gewaltigen Sprungrolle ließ sie den vierten Gesteinsklotz hinter sich. Nur jetzt hatte sie ein Problem. Sie hatte ihren sicheren Stand für diese Aktion riskiert und lag nun auf dem Boden. Direkt unter einer losen Felsschicht, die jeden Moment hinunter fallen konnte.
‚Komm schon Carlissa, denk nach. Es muss doch irgendein Manöver geben, dass mir hier helfen kann. Natürlich, Umgehungstechnik 36, die Ketharatechnik.’ Blitzschnell sprang Carlissa auf, warf sich rückwärts, fing sich mit den Händen ab und machte so ein Rückwärtssalto, den sie auf den Händen stabilisierte. Schon schlugen die ersten Deckenteile vor ihr ein. ‚Das war knapp’, schoss es ihr durch den Kopf, doch es blieb keine Zeit. Sie musste dringend das Manöver zu Ende bringen, um sich rechtzeitig bis ans Ende der Höhle retten zu können. Eine Drehung um die eigene Achse, schon konnte sie ihr Ziel deutlich, einige Meter voraus sehen. ‚Jetzt der schwierigste Teil, immerhin hat Kethara ganze drei Jahre für die Entwicklung der Technik gebraucht.’
Carlissa setzte ihren rechten Fuß nach vorne, sprang in die Luft, drehte ihren Körper zur Seite und konzentrierte sich auf ihre Magie. ‚Nur ein Versuch, ich hab nur diesen einen Versuch’, dachte sie.
Sie zielte genau auf die Mitte, versuchte den magischen Funken der Feuerkraft in ihr zu fassen und formte den Zauber. Zwei große Feuerbälle formten sich in ihren Händen. Sie hatte nun den letzten Felsen direkt über sich und musste sich beeilen, denn er fiel geradewegs auf sie zu. ‚Jetzt oder nie.’ Carlissa warf ihre Geschosse ab. Die zischten los und prallten mit enormer Wucht auf den Felsblock, der sich in zwei Teile aufspaltete.
‚Verdammt, ich hab’s verbockt!’ Carlissa hatte sich nicht richtig positioniert, was elementarer Bestandteil der Ketharatechnik war, so dass der Fels nun zwar gespalten war, jedoch ein Bruchstück noch immer auf sie hinab stützte. ‚Verdammt, wie soll ich da nur wieder rauskommen? Für ein weiteres Ausweichmanöver ist die Zeit zu knapp und die Feuerbälle verbrauchen zu viel Magie. Das war es dann wohl, ich komm hier nicht mehr rechtzeitig weg. Verdammt und dabei wollt ich doch meine Meisterin stolz machen.’ Carlissa schloss die Augen und wartete auf das Unvermeidliche.
„Was soll das Mädchen, Rolle seitwärts mit Halbdrehung und rückwärts aufstehen.“
Carlissa reagierte nur noch und sah wie kurz vor ihr die Trümmer einschlugen. ‚Das war knapp’, dachte Carlissa, als sie realisierte, dass sie nur wenige Zentimeter neben den Trümmern lag.
Kethara saß in halb zum Sprung bereiter Position auf einem Felsvorsprung in der Nähe und Carlissa hatte den Eindruck, dass ihre Augen gerade zu durch die Dunkelheit funkelten. ‚Darum nennt man sie auch Glutauge, jetzt wird mir einiges klar. So hab ich sie noch nie gesehen. Nicht einmal während der Übungsmanöver.’
„Willst du da anfrieren, oder möchtest du deine Prüfung ablegen, Mädchen? Na los weiter. Sicherung der Peripherie wurde von mir erledigt und ohne Meldung, also streng dich an und geh weiter.“
‚Sie ist immer so pragmatisch und hat immer schon alles erledigt, bevor man überhaupt den Staub abgeschüttelt hat.’ Carlissa tat wie ihr geraten und drang nun weiter in das riesige Höhlenlabyrinth vor. Tiefer und tiefer ging es, vorbei an kleinen Kriechgängen, die wiederum wieder in große Kaverne führten.
Dort fand sie sich in einem dichten Nebel wieder, den sie unmöglich hätte mit ihren Augen durchblicken können. Er schien eine Art Eigenleben zu führen, denn sobald Carlissa versuchte ihn mit einem heraufbeschworernen Windstoß hinfort zu blasen, verdichtete er sich um sie herum um so mehr. ‚Was soll ich denn nur tun? Ich finde hier doch nie durch und zurück kann ich nicht. Da ist alles verschüttet.’
Plötzlich drang ein leises Geräusch an ihre Ohren, dass sie so noch nie gehört hatte.
Sie war ja schon öfters an den Versuchsräumen der Wassermagier vorbei gegangen, die dort manchmal die eigenartigsten Kreaturen betreuten. Allerdings werden die aufs Schärfste bewacht und noch nie ist bekannt geworden, dass eine Kreatur von dort entkommen sei.
Plötzlich ein Schatten vor ihr in den Nebeln.
Wenn das also wirklich eine Kreatur aus den Versuchsräumen ist, dann ist sie bestimmt ziemlich hungrig. Wenn die Situation nicht dermaßen ernst gewesen wäre, hätte Carlissa einen Witz auf Kosten ihres Gegenelementes gemacht, doch langsam beschlich sie das Gefühl beobachtet zu werden. Etwas Kaltes, Glitschiges ließ sich auf ihrer Schulter nieder. Langsam drehte sie sich um und sprang sofort mehrere Schritte zurück. Vor ihr stand eine riesige Opalschnecke, die sie mit ihren glitschigen Fühlern anstupste.
‚Boa ist das Vieh eklig’, dachte Carlissa im ersten Moment, doch dann gab die Schnecke ein Geräusch von sich, dass sehr an ein Tröten erinnerte. „Kannst du mich etwa verstehen“, fragte Carlissa die Schnecke und konnte sich die Antwort schon fast denken, doch wurde sie stark überrascht.
„Trööt trötöt trrrött“, gab die Schnecke von sich und wippte mit ihren Fühlern auf und ab.
„Ich glaubs ja nicht, eine intelligente Schnecke. Das glaubt mir sicher Niemand, aber egal, wenn ich schonmal Glück habe, sollte ich es nutzen
Hallo Schnecke, ich bin Carlissa. Ich habe gerade eine Prüfung hier und muss irgendwie den Ausgang finden. Kannst du mir vielleicht helfen? Ich kann dir auch was anderes zu essen besorgen als Pflanzen, wenn du magst.“
Die Schnecke legte nur einen Fühler zur Seite und begann zu zittern.
Carlissa hatte schon Angst dass sie sich vielleicht in Schleim auflösen würde, oder dass sie sich erkältet hätte, doch dann hatte Sie das Gefühl ihre Frage etwas einfacher stellen zu müssen.
„Kannst du mich hier heraus führen?“
„Träöööööät“ und die Schnecke wippte wieder.
‚Oh wie toll’, dachte sie. ‚Die ist ja schon niedlich.’
„Magst du was zu essen haben? Ich kann dir getrocknetes Fleisch besorgen.“
Die Schnecke trötete nur kurz und zitterte wieder.
“Gut, das bedeutet wohl Nein. Also hilfst du mir bitte?“
Die Schnecke drehte sich langsam um und schneckte los, durch den Nebel. Carlissa folgte ihr. Selbst mit ihrem neuen Führer hatte sie noch immer arge Probleme durch den dicken Nebel zu kommen. Von Zeit zu Zeit verlor sie sogar die Schnecke aus den Augen, doch glücklicherweise konnte sie dann immer noch ihrer Spur bis zur nächsten Stelle folgen, an der der Nebel nicht ganz so dicht war und Carlissa endlich einen Weg sehen konnte aus dieser Suppe heraus zu kommen.
Ein kleiner Bückgang lag vor ihr, der eindeutig zu klein war für die Schnecke, weshalb sie auch direkt davor stehen blieb und deutlich darauf wies. Dort mussten sich offensichtlich ihre Wege vorerst trennen, doch bevor Carlissa in den engen Gang kroch, tätschelte sie die Schnecke noch einmal und bedankte sich. „Ich werde sicher noch einmal wiederkommen und nach dir sehen, wenn ich kann“, versprach sie.
Die Schnecke trötete freudig in die Luft.
Carlissa wandte sich nun wieder dem dunklen Loch zu, das vor ihr lag. Sie mochte die Dunkelheit noch nie wirklich. Es war eine beklemmende Situation, doch der Gedanke scheitern zu können und damit das Vertrauen ihrer Meisterin zu gefährden, trieb sie weiter. Nach einer schier unendlich langen Zeit, so kam es ihr zu mindest vor, fand sie vor sich einen Ausgang. Als sie darauf zu kroch bemerkte sie, wie sie durch irgend eine Art von halb flüssiger Wand krabbelte und ihr das Blut in den Adern zu gefrieren schien.
Carlissa kletterte aus dem Labyrith der Kriechgänge und sofort stellte sie fest, dass dies offensichtlich ein großer Fehler war, denn es war einfach eisig. Ihr Atem kam in langen Nebenschwaden aus ihrem Mund, als sie laut ihr Ungeschick darüber verfluchte, den richtigen Weg zu finden. Noch immer fluchend wollte sie sich gerade umdrehen, um ihren Weg zurück und dann ihr Glück bei einer anderen Abzweigung zu versuchen, als sie feststellte, dass die halb flüssige Wand offenbar auf dieser Seite aus massiven Eis zu bestehen schien. „Verdammt, ich werde hier sicher erfrieren!“ schrie sie ihre Wut und Angst aus. “Gut ich muss einfach versuchen hier wieder heraus zu kommen. Komm schon, denk nach. Hatten wir irgendwann einmal eine Situation im Unterricht behandelt, in der Eis vorkam? Eis, natürlich, wie kann ich denn nicht sofort darauf kommen? Ich muss es doch einfach nur schmelzen. Dann werde ich hier auch endlich wieder wegkommen.“ Freude-trunken machte sie sich sofort ans Werk. Sie rieb ihre Hände und ließ das Feuer in ihr durch sie fließen. „MANUS FULUMBAR“. Und ihre Hände entflammten. Sie weitete die Flammen aus und versuchte sie richtig zum glühen zu bringen. Sie streckte sie aus und hielt sie dicht an die eisige Wand. Die jedoch schien viel eher über den Versuch zu lachen, denn sie reagierte überhaupt nicht auf die Hitze. „Verdammtes Ding, jetzt schmilz schon endlich“. Doch egal wie oft Carlissa es noch versuchte, sie hatte keine Chance die Wand zum schmelzen zu bringen. Nachdem sie auch das letzte Bisschen ihrer Magie dafür verwendet hatte eine flamme herauf zu beschwören, würde sie sehr müde und wollte sich gerade auf den plötzlich sehr einladend aussehenden Boden legen, als sie eine Stimme vernahm: „ Carlissa, he Prüfling. Du darfst auf keinen Fall hier einschlafen, hörst du!Verdammt ich darf dir nicht helfen, das weißt du doch. Jetzt mach schon und werde wieder wach.“ Es war Kethara, die sich während der ganzen Prüfung nicht weit von Carlissa entfernt hatte und stets verborgen über sie gewacht hatte. „Ich kann dir vielleicht nicht helfen, aber ich werde auch nicht zulassen, dass meine Schülerin zur Jahreswende bei ihrer Prüfung erfriert. „VIA TOTO FULUMBARIS IGNITIA ETERNA AD TEMPORA STATICA“. Kethara zog eine große Blase um Carlissa, in deren inneren es plötzlich unglaublich angenehm und warm wurde. Sie hatte einen temporalzauber geschaffen, in dessen Inneren die Zeit wesentlich langsamer verlief, als normal. Carlissa spürte die Veränderung und Kethara setzte sich zu ihr und zog ihren Umhang fest um sie. Carlissa schlug kurz noch einmal die Augen auf und sah die besorgt blickende Kethara, voller Bewunderung an. Während sich Carlissa tiefer in den Wollstoff des Mantels kuschelte, legte Kethara einen Arm um sie und verharrte in dieser Position. Als Carlissa nach einer kleinen Ewigkeit ausgeruht und voller Tatendrang wieder erwachte war Kethara bereits verschwunden. Ebenso ihr wärmender Zauber. Doch Carlissa hatte nun die rettende Idee, um aus dieser Höhle zu entkommen. Scheinbar hatte ihr nur etwas geruhsamer Schlaf gefehlt. „Warum ich nicht gleich auf die Idee mit dem magischen Tor gekommen bin, versteh einer“ sagte Carlissa mehr zu sich, als zu Jemand anderem, dennoch hatte sie ein gutes Gefühl bei diesem einfachen Durchgangszauber. Sie begann damit kleine Runen in die Eiswand zu ritzen und legte dann die Hände zu beiden Seiten an die Markierungen. „DESLAGRATE MORI TEMPI ET INTERVALIA“ sprach sie die Worte aus und öffnete so einen winzigen Spalt in der Wand. Es kostete sie offenbar mehr Kraft selbst diese kleine Öffnung offen zu halten, als sie gedacht hätte. Schnell musste sie hindurch, doch das war offenbar einfach gesagt als getan, denn Carlissa war zwar schlank, doch selbst sie hatte Probleme hindurch zu schlüpfen. Sie fand sich wieder in den kleinen Kriechgängen, die noch immer wie ein Labyrinth vor ihr lagen.

‚Verdammte Höhlen. Warum müssen diese Erdelementaristen denn auch immer in diesen Höhlen leben. Das sind doch keine Zwerge.’
Carlissa musste ihre ganze Aufmerksamkeit aufbringen um nicht den Überblick oder die Orientierung zu verlieren. Würde sie nicht aufpassen, wäre sie sicher verloren.
‚Ich muss nur hier durch kommen, nur hier durch und sonst nichts. Das ist meine Aufgabe. Ich meine die werden hier sicher nicht noch irgendwas Gefährliches herumlaufen haben.’ Zumindest hoffte sie das. Mittlerweile war sie schon eine gefühlte Ewigkeit die, immer gleich aussehenden, Gänge herumgeirrt, in der Hoffnung den ersehnten Ausgang zu finden. Auf einmal tauchte direkt vor ihr ein Gang auf, den sie vorher sicher noch nicht bemerkt hatte. Etwas zögerlich machte sie sich auf, ihm bis zu einer kleinen Biegung zu folgen. An seinem Ende mündete er in eine große Halle. Unendlich viele kleine magische Leuchtbälle schwebten an der Decke und spendeten Licht.
‚Komisch, das hab ich doch als ich den Gang entlang lief nicht gesehen. Was ist das denn für ein merkwürdiger Zauber, der hier in dieser Halle endet?’
Als sie weiter in die Halle ging, konnte sie sehen, was vorher vom hellen warmen Licht der Kugeln verdeckt war. Ein riesiger Baum zog die Lichter magisch an. Nichts was man je gesehen hätte, würde der Beschreibung gerecht werden. Er füllte die ganze Halle bis zur Decke. Nun konnte Carlissa auch erkennen, das er die Lichter nicht anzog, sondern, dass sie aus ihm heraus entstanden. Ungläubig stand sie da und wusste nun nicht einmal mehr, weshalb sie eigentlich hergekommen war.
„Dies ist der Baum der Erinnerung. Alle Erinnerungen an vergangene Großmeister, Meister, Freunde oder Geliebte Menschen, haben hier ihren Sammelpunkt und verbleiben in einer Art gesammelten Kollektiv der Insel.“ Es war Kethara, die wie aus dem Nichts an Carlissas Seite getreten war und nun zu ihr sprach. „Großmeister Narthan und Meister Sengumiel wollten dir zu dieser besonderen Zeit die Möglichkeit geben deine Mutter noch einmal wieder zu sehen. Wir wissen dass deine Mutter starb, als du hier an der Akademie aufgenommen wurdest. Das du nicht bei ihr sein konntest, hast du dir bis heute nicht verzeihen können, aber du weisst nicht, was sie in ihren letzten Momenten gedacht hat. Genau das ist es, was der Rat dir zeigen wollte. Es soll eine Art Geschenk für die herausragenden Leistungen sein, die du im letzten Jahr gezeigt hast und die auch mich sehr verblüfft haben. Als ich dann von deinem Schicksal erfuhr, bat ich um ein Gespräch mit dem Prüfungsausschuss und habe Meister Sengumiel deine Situation geschildert. Er war es dann, der die Idee dazu hatte, dich hier her bringen zu lassen. Also, nimm dein Geschenk an, du hast es dir verdient.“
Mit diesen Worten schob sie Carlissa leicht nach vorn, die nun direkt vor dem Großen Baum stand. Sie streckte die Hand aus und eine der vielen Lichtkugeln kam direkt auf sie zu, berührte ihre Hand und verschmolz mit ihrem Körper. Für einen kurzen Moment fühlte sich Carlissa wunderbar frei und sorglos. Plötzlich konnte sie die Stimme ihrer Mutter hören, die direkt vor ihr auf ihrem Bett im Hause ihrer Eltern lag.
„Carlissa, es tut mir Leid, dass ich dir nicht dabei zusehen kann, wie aus dir eine große Magierin wird. Ich möchte aber, dass du eines weißt, bevor ich dich und deinen Vater verlasse. Du bist mein ganzer Stolz und egal was du auch immer tust, oder wohin dich dein Weg führt, lass nicht zu, dass Zweifel dich davon abbringen.“
Danach zog sich das Licht von ihrer Hand deutlich sichtbar weiter fort in Richtung Carlissas Kopfes und schien dort zu verlöschen, nicht aber, ohne ihr vorher diese eine Erinnerung wieder gegeben zu haben, wie ihre Mutter diese letzten Worte zu ihr sagte und sie ansah. Ihre Augen waren es, weshalb Carlissa so viel für Kethara empfand, denn auch Ketharas Augen hatten diese besondere Farbe. Viele verwechselten sie gern mit der eines Bernsteins, doch Carlissa wusste, es war mehr. Es war die Farbe der Feuerelfen, oder auch Incarsi genannt, die diese Augen hatten.
Carlissa, vollkommen übermannt von ihren Gefühlen brach zusammen und begann zu weinen. Kethara stand neben ihr, nahm sie in den Arm und stimmte eine Melodie an, die ihr so unendlich vertraut vorkam. Sie hob den Kopf, noch immer liefen ihr die Tränen über’s Gesicht, doch sie fand Trost in dem Lied.
„Das ... hat mir ... meine Mutter immer vorgesungen ... wenn ich traurig war“, schluchzte sie.
„Es ist ein altes Wiegenlied meiner Familie. Deine Mutter und ich, wir haben es früher auch von unserer Mutter vorgesungen bekommen.“
Carlissa zuckte zusammen. „H... heißt das, ihr und meine Mutter seid ...“
„Schwestern, genau das bedeutet es Carlissa. Deine Mutter hat sich irgendwann dafür entschieden deinen Vater zu heiraten und eine Familie zu gründen, weshalb sie das lange Leben unseres Volkes verlor und sterblich wurde. Ich habe die Ausbildung an der Akademie zu Ende gebracht. In dem Moment, als ich von dem Tod deiner Mutter hörte, habe ich mir geschworen niemals den selben Fehler zu machen und mein Herz an einen Sterblichen zu vergeben. Ich studierte härter und länger als jeder Andere und eines Tages wurde ich Meisterin und konnte meine Erfahrung an meine Schüler weiter geben. Aber nun komm, Kleine, es wird Zeit für dich deine Aufgabe zu Ende zu bringen. Dort hinten ist der Ausgang.“
„Aber ich hab noch Fragen ... ich ...“
„Die können sicherlich auch noch warten. Was habe ich dir beigebracht? Immer zuerst die Mission! Ich werde dir aber deine Fragen bei passender Zeit beantworten, vorausgesetzt du bestehst die Prüfung. Und wenn mich nicht alles täuscht, solltest du dich beeilen, wenn du noch vor den Festlichkeiten wieder in der Akademie sein willst.“
Carlissa stürmte los. Direkt auf den großen Ausgang vor ihr zu.
Sie rannte immer schneller, dem Ziel und dem Ende ihrer Prüfung endlich nahe. ‚Nichts konnte sie noch aufhalten’, dachte sie, doch dann sah sie vor sich zwei Gestalten, die ihr den Weg versperrten. Es waren Sengumiel und Narthan Phönixflamme.
‚Neeeein!!!! Nicht schon wieder die. Gleich geht hier wieder die Welt unter und ich komm hier nie mehr raus.’ Doch nach ein paar weiteren Schritten war noch immer nichts weiter geschehen, als das plötzliche Auftauchen der Beiden. ‚Sehr merkwürdig’, dachte sie. ‚Wo doch die Großmeister und selbst die Meister meist wesentlich Besseres zu tun haben, als sich das Ende einer Lehrlingsjahresprüfung anzusehen.’
Tatsächlich war ihre Verwunderung berechtigt, denn für gewöhnlich sahen nur die aller wenigsten Lehrlinge der Insel jemals einen Großmeister und schon gar nicht ein Ratsmitglied wie Narthan. Selbst Sengumiel als Meister war für diese Aufgabe normalerweise nicht zuständig. Er hatte nicht nur seine eigene Klasse zu führen und zu unterrichten, sondern zeichnete sich unter allen Meistern der Akademie besonders aus.
Er war der bislang Einzige, der nicht seinen Ursprung auf Ascaron hatte. Sengumiel selbst wurde in einem fernen Land geboren und reiste zu Anfang allein in den Mittellanden umher, bis ihm sich irgendwann sein jetziges Mündel Marie anschloss. Nach weniger Zeit schaffte er, was noch Niemand geschafft hatte. Unter Narthans Fingern wuchs er zu einem der beliebtesten Meistern heran, die die Lehrlinge der Akademie je hatten. Narthan selbst hatte ihn einst „Den Ersten und Einzigen Meister der meine Ausbildung überlebt hat“ genannt. In der Tat war Narthan dafür gefürchtet ein unerbitterlicher „Schleifer“ zu sein. Viele seiner Schüler hatten die Ausbildung bei ihm abgebrochen und Narthan selbst hatte einmal gesagt, er würde von seinen Schülern das Härteste abverlangen, was die Gesetze der Insel zulassen würden.
Und Carlissa war gerade jetzt im Begriff den Beiden in die Arme zu laufen. Sie musste ihnen ausweichen um nicht an Sengumiel abzuprallen und geriet leicht ins Straucheln.
„Du hast es also doch bis hierher geschafft, Lehrling. Nun, eine letzte Hürde hast du noch zu bestehen.“ Es war Großmeister Narthan, der sprach.
„Und w.. was muss ich tun?“, fragte Carlissa sehr zögerlich, aufgrund der einschüchternden Erscheinung Narthans und seines Meisterschülers Sengumiel.
„Du kannst diese Aufgabe nicht lösen.“
‚Oh nein, jetzt lassen sie mich doch durchfallen. Vielleicht stimmt es ja, vielleicht bin ich wirklich nicht würdig diese Prüfung zu bestehen.’ Carlissa begann an sich zu zweifeln und knickte unmerklich etwas ein.
Narthan sprach weiter: „Es ist eine Aufgabe, die du nur mit jemandem zusammen erfüllen kannst. Mit jemandem, der große Macht und Stärke besitzt. Diese Person muss dich als sein persönlichen Schüler annehmen. Dies ist eine Tradition der Insel. Dadurch wird dir auf deinem weiteren Weg des Lernens jemand an die Seite gestellt, der auf dich aufpassen kann. Nur durch diese Prüfung wird sich offenbaren, ob dein neuer Mentor stark genug ist und ob du dich ihm unterordnen kannst. Sollte es erfolgreich sein, werdet ihr Beide dadurch einen großen Schritt näher an eure persönlichen Ziele kommen. Die Verbindung ist sehr machtvoll. Doch musst du gewarnt sein, einmal eingegangen, kann sie erst dann wieder gelöst werden, wenn du deine Ausbildung abgeschlossen hast.“
„Aber ich hab doch gar keinen. Niemand ist hier, der mir helfen kann. Selbst wenn ich wollte, ich kann diese Prüfung nicht ganz allein ...“ Carlissa brach die Stimme und hoffnungslos senkte sie den Kopf, sicher dass sie nun doch scheitern würde.
„Du kannst Meister Sengumiel fragen“, entgegnete Narthan beharrlich.
„Narthan, darf ich dich daran erinnern, dass ich bereits ein Mündel habe und die Statuten der Akademie kein Weiteres gestatten.“ Es war Sengumiel, der mit ruhiger Stimme zu seinem Lehrer sprach und dabei mitleidig zu der kleinen Carlissa hinüberblickte.
„Bevor ich zulasse, dass meine Schülerin zu einem Erdmagier in Lehre geht, muss schon das ewige Feuer in Erzmagier Pyrios Valates Vorzimmer gefrieren.“ Kethara Glutauge war aus dem Nichts neben ihrer Schülerin aufgetaucht und funkelte Narthan nun wild entschlossen an.
„Oh, Kethara, wie schön, dass du es hast einrichten können deiner Schülerin bei zu stehen in ihrer schwärzesten Stunde“, erwiderte Sengumiel vorwurfsvoll.
Narthan meldete sich wieder zu Wort: „Nachdem sich deine Lehrmeisterin Kethara Glutauge dazu bereit erklärt hat, dich Carlissa, als ihren persönlichen Schützling während dieser Prüfung anzuerkennen, werde ich einen Zirkel der Macht errichten, der nur gebrochen werden kann, wenn beide Seelen im Einklang sind, beide Herzen im selben Rhythmus schlagen und beide Münder die gleichen Worte sprechen. Es ist vorgesehen, dass ihr Beide zusammen diesen Zirkel durchbrecht, doch wenn du es allein versuchen möchtest Carlissa, kannst du es gern versuchen. Für den Fall, dass du Kethara nicht als neue Mentorin annehmen möchtest. Doch sei auch an dieser Stelle gewarnt. Meister Sengumiel ist der einzige, der diese Prüfung jemals ohne einen Paten hat bestehen können, da ich damals sein Prüfer war.“
Carlissa verschlug es die Sprache. Sengumiel, der Meisterschüler und nicht im Minderen eine Legende der Akademie, wie sein Lehrer Narthan, hatte diese Prüfung auch über sich ergehen lassen müssen.
„Und noch etwas sei dir kundgetan, denn von deiner Wahl hängt einiges ab. Kethara selbst hat diese Prüfung nur äußerst knapp bestanden und sich dabei so sehr verausgabt, dass sie danach mehrere Tage bei den Wassermagiern gepflegt werden musste.“
„Nun mach schon Narthan, zieh deinen Kreis.“ Kethara schaute Carlissa tief in die Augen und flüsterte zu ihr: „Ich schwöre dir, dass ich dich durch diese Prüfung bringen und dich so gut ich kann unterrichten werde, bis du eines Tages hier stehst und selbst die Prüferin bist.“ Ihre Augen waren entflammt und glühten voller Entschlossenheit.
„Willigst du ein, Lehrling Carlissa?“ Narthan wurde langsam ungeduldig.
„Selbstverständlich“, entgegnete sie entschlossen. „Entweder Bestehen, oder Versagen. Etwas Anderes kommt für mich nicht in Frage.“
„Die Worte einer Feuermagierin“ nickte Narthan ihre Entscheidung ab. Er hob beide Hände und konzentrierte einen kleinen Teil seiner Macht. Funken stoben aus seinen Händen empor und bald waren es riesige Flammen. Er beschrieb vor sich einen großen Kreis und die Flammen gingen darauf über. Ein leuchtend rot brennender Kreis mit merkwürdigen Runen am Rand und verschnörkelten Linien im Inneren war nun deutlich auf dem Boden zu sehen.
Kethara wusste, was zu tun war: „Ich, Kethara Glutauge Meisterin der elementaren Akademie zu Ascaron, beantrage hiermit die verbindliche Patenschaft für den Prüfling Carlissa. Wie entscheidet ihr?“
Narthan blickte nur kühl zu ihr herüber und bedeutete ihr in den Kreis zu treten. Kethara tat wie ihr geheißen und Narthan fragte nun Carlissa: „Nimmst du an und stellst dich deiner Prüfung?“
Sie nickte und betrat ebenfalls den Kreis, wenn auch zögerlich.
„Nun denn...“, sagte Narthan. „Sengumiel, bitte ziehe eine magische Barriere um die Entladungen abzuschwächen, die entstehen können, wenn die Beiden versuchen den Kreis zu brechen. Wir wollen doch nicht noch so eine Explosion, wie zu deiner Prüfung.“ Sengumiel schloss die Augen, visualisierte Linien vor Narthan und sich und begann mit seinen Händen komplizierte Muster in die Luft zu weben. Dabei murmelte er eigenartige Beschwörungsformeln, die nach kurzer Zeit um den Zirkel, in dem Kethara und ihr Schützling nun eingeschlossen waren, ein Kraftfeld entstehen ließen.
„Ihr könnt beginnen“ sagte er und gesellte sich zu Narthan.
„Gut. Carlissa, also es ist absolut wichtig, dass du mir vertraust. Fasse meine Hand an und lasse deine Magie fließen,“ instruierte sie Kethara, die nun sehr konzentriert und auf alles gefasst war.
Carlissa wusste zwar nicht, was das bringen sollte, doch tat sie wie ihr geheißen und konnte nun auch Ketharas Magie fühlen, wie sie warm und prickelnd durch ihren Körper strömte.
„Versuche dich auf mein Schwingungsniveau einzufühlen und dann halt still. Egal was passiert, du darfst nicht die Konzentration verlieren. Ich werde dieses Mistding gleich in Hundert Stücke sprengen.“
Carlissa hatte zwar große Angst vor dem, was Kethara da vor hatte, fühlte sich aber an der Seite ihrer Meisterin sicher. ‚Und selbst wenn sie uns mitsprengt, dann ist es wenigstens vorbei’, dachte sie und hielt still.
Kethara bündelte ihre Kraft. Sie konzentrierte jedes Bisschen, das sie zusammennehmen konnte und “stopfte“ es in eine sphärisch aussehende Kugel, die zu wachsen begann, je mehr Magie sie sammelte. Sie dachte an Carlissa und an das, was sie schon alles durchgemacht hatte und sammelte noch mehr. Sie musste an ihre verstorbene Schwester denken und an all die Dinge, die sie ihr nicht mehr hatte sagen können. Sie wollte nur eins. Sie wollte Carlissa durch diese Prüfung bringen und sie so unterrichten, wie sie es all die Jahre hätte tun sollen. Es gab noch nie etwas in ihrem Leben, dass sie so sehr wollte und sie würde alles dafür tun, um es zu erreichen. Das hatte sie in all den Jahren gelernt. Aufgeben kam für sie nicht in Frage und so sammelte sie nicht nur die freie Magie in ihrem Körper und griff auf die in Carlissas zu, sondern stieß noch eine weitere Tür der Magie auf. Sie stieß auf eine wärmere Kraft, die sie so noch nicht gespürt hatte. Sie konnte zuerst nicht genau sagen, wo es her kam, oder was es war, nur, dass es die Kugel weiter wachsen ließ und so nahm sie alles zusammen, was sie von dieser eigenartigen Magie finden konnte. Dann war es so weit. Binnen einer Millisekunde öffnete sie die Augen, starrte auf den Zirkel vor ihr und ließ die gesamte Magie in der Kugel frei. Ein gewaltiger Blitz durchzog das Konstrukt, Hitze flackerte auf und die Luft flimmerte. Der Kreis zerbarst und brach in sich zusammen. Doch noch immer strömte die Magie nach außen.
Sie brandete gegen Sengumiels Schutz und versuchte ihn hinfort zu fegen. Der Schutzwall flackerte und blitzte. Er pulsierte und doch hielt er stand.
Narthan stand mit leicht entsetztem Blick nur ein paar Schritt vor dem Schutzwall und hatte fast so etwas befürchtet.
Sengumiel griff in die Situation ein und verstärkte sie Struktur seines Zaubers. Da er und Narthan Kethara die ganze Zeit über genau beobachtet hatten, wusste er, was Kethara, dort freigelassen hatte. Er verankerte seinen Kraftschild im Boden und setzte Verstärkungspunkte an strategischen Knotenpunkten in der Struktur des Zaubers. Dann war es vorbei, die gesammelte Kraft hatte sich entladen und hinterließ nur einen konzentrischen Krater, ausgehend von der Stelle, an der Kathara und Carlissa standen.
Einen kurzen Moment herrschte vollkommende Stille, dann meldete sich Narthan zu Wort. „Carlissa, du hast deine Prüfung bestanden und darfst nach draußen gehen zu den anderen deiner Klasse. Sie warten sicher schon auf dich mit dem Essen. Kethara, du bleibst bitte noch kurz bei uns.“ In seiner Stimme lag keine Bitte und keine Zufriedenheit, sondern blanke Wut. Carlissa bemerkte dies und Besorgnis zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Zwar hatte sie durchaus wahrgenommen, dass sie bestanden habe und nun endlich gehen könne, doch sie wollte nicht. Sie konnte Kethara nicht allein lassen. Nicht jetzt und nicht nach alle dem, was sie für sie getan hatte. Es würde sicherlich noch genug Zeit bleiben um Cloe und Jael von den Ereignissen zu berichten und mit ihnen zu feiern. „Ich würde lieber noch bei Meisterin Kethara bleiben.“ „MAGICA AD CINGULARE IN STATICUS CARLISSA“ sprach Narthan die Worte aus und Carlissa wurde in ein Stasisfeld gesperrt, dass sie total von ihrer Umgebung aussperrte. Dennoch konnte sie, als Narthan anhob mit Kethara zu sprechen, seine Worte hören. “Sehr merkwürdig. Normalerweise sollte ich doch hier drinnen gar nichts mitbekommen. Was ist hier los? Was ist das für ein Zauber?“ “Es ist kein Zauber, Carlissa. Ich habe diese mentale Brücke zu dir aufgebaut, während wir in dem Ritual waren. Wenn ich es möchte, kannst du meine Gedanken hören. Narthan ist sich dessen nicht gewahr, oder er ignoriert es, aber ich möchte, dass du alles mitbekommst. Du sollst mitbekommen, was er mir zu sagen hat.“ Es war Ketharas Stimme, die in ihrem Kopf wiederhallte. Dann vernam sie eine andere Stimme, wesentlich lauter und energischer:
„Wie kannst du es wagen in einer Lehrlingsprüfung so sehr die Kontrolle zu verlieren und deine Herzmagie anzuzapfen!“, schrie Narthan. „Der Rat hat dich in den Rang eines Meisters erhoben und du verlierst dich derart, dass du unser aller Leben gefährdest. Du kannst von Glück reden, dass wir Sengumiel hier hatten. Hätte er nicht geahnt was du vorhast und hätte er nicht auf meinen Rat hin den Schutz gezogen, dann wäre es sicher anders aus gegangen. Mein Gott Kethara, wenn ich das richtig gesehen habe, musste er sogar Schutzklasse 3 anwenden und sich mit der Kollektiven Macht der Protectoren verbinden, um seinen Zauber zu stabilisieren.“
„Gut beobachtet, Meister“, gab Sengumiel leicht erschöpft mit einem Lächeln zu. „Die junge Kollegin hat es wohl etwas zu gut mit dem Kreis gemeint“
„Sengumiel, schweig. Das ist wirklich nicht zu bagatellisieren. Kethara, ich werde das beim Rat melden. Wir werden sicher darüber beraten, ob du nicht doch etwas zu viele Posten momentan inne hast. Du solltest wohl für eine Weile lieber nur für die Ausbildung deines Mündels zuständig sein und die Führung deiner Kriegsmagiereinheit vorübergehend abtreten.“ Mit diesen Worten drehte sich Narthan um und schritt davon.
„Gut gespielt, Kethara“, gab Sengumiel anerkennend zu. „Überlass Narthan mal ganz mir, ich werde ihm die Lage schon erklären.“
„Nein, er hat ja Recht, ich habe wirklich die Kontrolle verloren. Ich wollte nur noch für Carlissa sorgen und dass sie die Prüfung besteht. Hat Narthan womöglich recht und ich habe meine Herzmagie angezapft? So etwas hätte nicht geschehen dürfen und ich habe uns alle in Gefahr gebracht. Ich glaube, ich habe mich wirklich etwas übernommen mit den ganzen Ämtern. Ich habe ja ohnehin nie Anerkennung dafür erhalten.“
„Oh, ich glaube, da unterschätzt du dich gewaltig. Du bist eine der diszipliniertesten Meisterinnen, die ich kenne. Viele beneiden dich und auch wenn deine Schüler dich fürchten, so treibst du sie zu Hochform an. Ein Ausbilder muss nicht geliebt werden, er muss das Beste aus seinen Schülern rausholen. Außerdem hast du jetzt Carlissa, dessen Anerkennung du verdienen kannst, indem du sie förderst.“
Sengumiel wollte sich gerade umdrehen, um Narthan nach zu gehen, als Kethara in festhielt, ihm mit der Hand über das Gesicht strich und sagte: „Ich danke dir, und bitte entschuldige die Beleidigung von vorhin. Ich denke, ich war nur so frustriert von deinem Erfolg und deiner Beliebtheit bei deinen Schülern. Ich finde du bist eigentlich gar nicht so schlecht, als Meister und neues Wunderkind von Ascaron.“ „Ach Kethara, ich glaube du solltest langsam die Gedankenbrücke schließen. Carlissas Geist ist noch sehr zerbrechlich und wenn du zu lange in ihm bleibst...“ „Du hast Recht Sengumiel, aber sage mir bitte eins. Woher weißt du?“ „ Du scheinst zu vergessen, dass auch ich eine sehr liebe Person zu meiner Schülerin gemacht habe.“ Und mit einem Lächeln drehte auch er sich um und schritt langsam davon.
Carlissa schaute zu Kethara und war sich sicher diese Prüfung niemals vergessen zu können.
Immerhin hatte sie Zwei Legenden der Insel getroffen, wurde von einem in einem Kreis aus Flammen gesperrt und von dem anderen beinahe begraben. Sie hatte eine persönliche Mentorin bekommen und hatte die letzte Erinnerung ihrer Mutter gesehen. Und zu guter letzt, kam ihr die Erinnerung an die Eishöhle. Sie versuchte zwar die Situation an sich zu vergessen,konnte aber noch immer das weiche Material ihres Umhangs auf ihrer Haut fühlen und wünschte sich nichts mehr, als noch einmal von Kethara so in den Arm genommen zu werden.
 


Steffen Kiselowsky

 

Wenn ihr erlaubt, möchte ich mich gern kurz einmal vorstellen.
Vielleicht erst ein paar Worte zu meiner Person?
Also mein Name ist Steffen, ich bin 26 Jahre alt und in Berlin aufgewachsen, wo ich noch immer wohne.

Ich habe schon relativ früh gemerkt, dass in mir nicht nur das Interesse schlummert Bücher zu lesen und zu sammeln, sondern mich auch selbst als Schöpfer einer eigenen Geschichte zu versuchen.

So habe ich dann mit dem schulischen Wechsel auf ein Berliner Gymnasium auch angefangen selbst zu schreiben.
Zuerst nur einige kleine Fantastereien, die schnell aber von meiner Lehrerin erkannt und gefördert wurden.

Nachdem ich dann als logische Konsequenz meinen Leistungskurs in Deutsch gewählt hatte, wusste ich schon nach der ersten Stunde, dass Literatur unbedingt zu meinem Leben dazu gehören muss.

Nachdem ich dann mein Abitur in der Tasche hatte wusste ich zuerst nicht recht, was ich studieren wollen würde. Es standen Germanistik, Medizin und Religionswissenschaften zur Auswahl. Ich entschied mich damals für das Medizinstudium, was sich allerdings alsbald als nicht durchführbar herausstellen sollte, denn so gut mein Abschluss auch war, reichte es nicht aus um direkt studieren zu können.

So beschloss ich dann erst einmal eine Ausbildung zum Physiotherapeuten zu machen, wozu mich meine damalige Kung Fu Trainingspartnerin ermutigt und inspiriert hatte.
Den Sport mach ich noch, bloß die Partnerin gibt’s nicht mehr, sie hat aufgehört.

Während der Ausbildung dann hatte ich natürlich nichts besseres zu tun als während der teilweise langweiligen Anatomievorlesungen Geschichten mit meinen Lieblingscharakteren zu schreiben und sie meinem Bruder zum Fortsetzen zu schicken.

Dazu müsst ihr wissen, dass ich nicht nur gerne schreibe, sondern auch den Live Fantasyrollenspielen nachgehe.

Mein Bruder und ich haben also irgendwann angefangen uns einen Hintergrund und Geschichten über unsere Charaktere aus zu denken und so entstanden die ersten Kurzgeschichten, die ich dann bis Heute weiter verfolgt habe 

Nun bin ich immerhin schon seit ein par Jahren fertig und es haben sich sogar schon ordentlich viele Geschichten angesammelt, die es nun gilt zusammen zu fügen, zu erweitern und weiter zu führen.

Vielleicht werden sie bald auch andere Menschen so sehr erfreuen wie meinem Bruder und mich.

Zwei unheimlich tolle Menschen in Wiesbaden habe ich es zu verdanken, dass meine Geschichte nun hier zu lesen sein wird. Sie und unzählige andere Autoren sind meine Vorbilder, mein Leben und die Erfahrungen die ich machen durfte meine Inspiration und ich selbst, mein Bruder, sowie viele meiner Freunde, meine größten Kritiker.