Harlekin

Max’ Leben ist in vielen Punkten perfekt. Er lebt in einer glücklichen Beziehung mit einem Mann, hat einen guten Job in einer Werbeagentur, die von der Familie seines Freundes geleitet wird und etliche Freunde, die mit seinen Macken und Ticks recht gut klar kommen, egal ob es um seine zwanghafte Ordnungsliebe, als auch um sein rationales Denken und Auftreten geht. Organisation ist für ihn alles; er verabscheut Unpünktlichkeit, Chaos und alles, was seinen wohl geordneten Tagesablauf durcheinander bringt. Doch genau diese Punkte vereinen sich in Noah, dem jüngeren Bruder seines festen Freundes Abel Steiner. Während Abel der perfekte Geschäftsmann ist, für den Kontakte zur Upperclass und Geschäftskunden alles sind; ist Noah das genaue Gegenteil. Der knapp 10 Jahre jüngere Schüler ist chaotisch, spontan, temperamentvoll und liebt es den ruhigen Max aus der Fassung zu bringen.
Max lernt Noah unter denkbar ungünstigen Umständen kennen – Noah belauscht zufällig ein recht offenes Telefonat mit Max’ besten Freund Freda, einem alten Transvestiten, der verbal nicht auf den Mund gefallen ist und mit Doppeldeutigkeiten und Anzüglichkeiten nur so um sich wirft. Noah sieht das jedoch recht locker, doch Max ist das erste Aufeinandertreffen ungemein peinlich. Die beiden lernen sich besser kennen, zumal Noah Max immer wieder an den unmöglichsten Orten auflauert und ihn zu Dingen überredet, die Max nie getan hat. Dabei erfährt Max nach und nach, dass Noah innerhalb seiner Familie eher Hass und Zorn entgegengebracht wird, als familiäre Unterstützung und Liebe. Insbesondere Abel, der Max einiges über Noah und seine Eltern verschweigt, kann seinen jüngeren Bruder nicht ausstehen, zumal sich Noah nicht zum Geschäftsmann oder Manager eignet. Vielmehr schlummert ein Künstler in ihm und Max entscheidet sich, Noah zu helfen, damit dieser Kunst studieren kann. Dass er das eigentlich für Abel tut und um die Familie seines Freundes wieder zu vereinen, wird immer mehr zum Vorwand und Max muss sich nach und nach eingestehen, dass ihm Noah sehr am Herzen liegt.
Auch seine Freunde registrieren den Wandel, der in Max vonstatten geht und Freda lässt keine Chance aus, um Max ins Gewissen zu reden. Als Noah mit einem Trick Max dazu überredet für ihn Modell zu stehen, kommen sich die beiden immer näher. Zudem kriselt es in der Beziehung zwischen Abel und Max, da Abel keinerlei Interesse an Max’ Freundeskreis zeigt und sich kaum für Max’ eigene Meinung interessiert.


Doch Max zögert eine Beziehung mit Noah einzugehen. Zu groß ist die Angst einen Fehler zu begehen, da Max nicht nur seinen Ruf verlieren, sondern auch seinen Job bei der Werbeagentur der Steiners verlieren könnte. Allerdings liegen Max nicht nur seine eigenen Liebesprobleme schwer im Magen, sondern auch der Gesundheitszustand Fredas, der immer mehr abbaut… 


„Harlekin“ ist der Debütroman von Katja Kober, die bereits durch zahlreiche Fanfictions im Internet auf sich aufmerksam gemacht hat. Sie erzählt eine Alltagsgeschichte, die mit fast 500 Seiten sehr umfangreich geworden ist, und präsentiert einen durchaus soliden Roman, der mit interessanten Punkten und witzigen Dialogen zu fesseln weiß. Die Geschichte ist dabei nicht wirklich neu und hat auch keinen nennenswerten Höhepunkte, da man bereits nach dem ersten Treffen zwischen Noah und Max weiß, wie die Geschichte ausgehen wird. Die üblichen dramatischen Elemente sind ebenfalls dabei, so dass „Harlekin“ ab einem gewissen Zeitpunkt doch langweilt, da leider alles zu stereotyp abläuft. Das ganze wird aus der Ich-Perspektive von Max geschildert und man lernt gerade diesen Charakter sehr genau kennen. Die Charakterisierung der Figuren ist ein großer Pluspunkt des Romanes, da sich die Autorin Zeit lässt und allen Figuren Leben einhaucht. Sowohl Max, als auch Noah, Abel, Freda und die vielen Nebencharaktere sind nachvollziehbar und gut in Szene gesetzt. Lediglich Max wirkt teilweise inkonsistent, da er auf der einen Seite eher als Zwangsneurotiker dargestellt wird, der Perfektion und Ordentlichkeit liebt, auf der anderen Seite jedoch einen solch ungewöhnlichen Freundeskreis hat, der so gar nicht zu ihm zu passen scheint. Insbesondere Freda als schillernder Transvestit, ist eher das genaue Gegenteil von Max. Das ist zwar spannend und bietet viel Platz für weitere Geschichten und Seitenstränge, trotzdem wirkt es seltsam zusammengewürfelt.

Freda ist dabei ein absolutes Unikat, der ohne Probleme sämtliche Charaktere an die Wand spielt. Die Dialoge mit ihm sind witzig, ironisch und machen Spaß. Man kann sich nur sehr schwer der spritzigen und lebensfrohen Transe entziehen, was Freda zu dem besten Charakter im ganzen Roman macht. Katja Kober versteht es jeder Figur ihren Freiraum und genügend Platz zum Weiterentwickeln zu geben, da ihr gerade Dialoge sehr leicht von der Hand gehen und diese sehr mitreißend und lebensnah geschrieben sind.
Leider gelingt ihr dies nicht bei den Beschreibungen und dem eigentlichen Erzählen der Geschichte. In extrem ausufernder Weise, wird bis ins kleinste Detail die Umgebung beschrieben, ebenso Max’ Gefühle und Gedanken. Was mich dabei besonders stört ist die Tatsache, dass die Geschichte von aus Sicht eines Zwangsneurotiker erzählt wird, der kaum einen Blick für seine Umwelt und Außergewöhnliches hat. Einem solchen Menschen traue ich solche Beschreibungen und die vielen Detailerklärungen einfach nicht zu, da er viel rationaler ist und eher mit Scheuklappen durch die Gegend läuft. Damit ist die Ich-Perspektive mit Max als Perspektivträger eher ungünstig gewählt, da der Stil und der Charakter nicht zueinander passen.
Schade ist auch, dass Freda und seinen Problemen nur so wenig Platz eingeräumt wird, dabei ist seine Geschichte wesentlich interessanter, als die von Max und Noah, die man sowieso schon kennt und von der man das Ende ganz genau weiß. Hier wird viel Potential verschenkt, da man sich nur auf die Liebesgeschichte konzentriert.


Der Schreibstil der Autorin ist Geschmackssache. Am Anfang hat man das Gefühl, dass sich der Roman wie Kaugummi in die Länge zieht: Es gibt unendlich viele Wiederholungen und man will vor lauter Langeweile das Buch zur Seite legen, weil es einfach nicht vorangeht. Es ist einfach zuviel des guten. Nicht jeder mag solche ausschweifenden Beschreibungen, zumal sie dem Buch unheimlich viel Dynamik und Fahrt wegnehmen. Um ehrlich zu sein, hätten 250 Seiten für die Story ausgereicht und selbst das wäre noch zuviel gewesen! Besonders schlimm fällt es bei einem Cliffhanger am Ende eines Kapitels auf – der Autorin gelingt ein spannender Schluss – nur um dann fünf Seiten lang die Inneneinrichtung des Krankenhauses zu beschreiben. Das ist für die Handlung absolut unwichtig und nimmt einfach sämtliche Spannung und Dynamik. Da mangelt es einfach an einem guten Lektorat, das solche Anfängerfehler sofort angemerkt und korrigiert hätte. Zudem schleichen sich immer wieder Logiklücken ins Buch (beispielsweise hat Max Höhenangst, reicht dann aber von einem Speicher aus Kisten nach unten).
Am schlimmsten fallen die unendlich vielen Anaphern auf, die sich auf nahezu jeder Zeile tummeln. Die Autorin hat einen Hang dafür die Anfänge von Sätzen in den Folgesätzen zu wiederholen. Das mag hin und wieder ein schönes Stilmittel sein, ist aber wesentlich zu oft eingesetzt wurden, so dass es eher störend auffällt. Zudem liebt Katja Kober kurze Sätze, um einige Worte und Passagen hervorzuheben. Doch auch dieses Stilmittel wird zu häufig eingesetzt, als das diese Abschnitte noch wirken könnten und zeugen eher von einem schlechten Stil, da der Einsatz zu wahllos und unüberlegt erfolgt. Vielmehr wirken die kurzen Sätze wie Aufzählungen, die den Lesefluss hemmen. Schade, dabei kann man durchaus sagen, dass Katja Kobe schreiben kann, jedoch fehlt ihr das richtige Gespür, um bestimmte Stilmittel passend einzusetzen.


„Harlekin“ enthält zudem einige Illustrationen von Janine Sander, die sehr schön geworden sind und gut zur Geschichte passen. Es ist schade, dass es so wenige Bilder sind und noch unglücklicher ist für mich die Tatsache, dass man sich nicht an eine Darstellung von Freda gewagt hat! Für mich ist dieser Charakter wichtig, doch scheinbar war es der Künstlerin zu schwierig einen Transvestiten zu zeichnen, oder der Verlag wollte ihn nicht bildlich dabei haben, was sehr schade ist. Mir fällt es negativ auf, dass er nicht mit einer Illustration gewürdigt wurde.


Insgesamt ist „Harlekin“ eine Novel, die durchaus ihre Höhepunkte hat (Freda, Noah) und besonders durch die Charaktere und Dialoge zu punkten weiß. Die Geschichte selbst ist wenig spannend und leider sehr vorhersehbar, doch wer sich daran nicht stört und einen deutschen Boys Love Roman lesen will, kann gerne zugreifen. Für einen Preis von nicht mal 10,- Euro ist „Harlekin“ sehr günstig zu erwerben und bietet zumindest kurzweiliges Vergnügen. Wer richtige Gay Romane sucht und wirklich realistische Geschichten, sollte sich nach anderen Werken umsehen…

 

Like a Dream bedankt sich beim "Cursed Side Verlag" für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

 

Titel:

Harlekin
Autor: Katja "LibbyReads" Kober
Illustrator: Janine Sander
Genre: Romance
Verlag: Cursed Side, 2011
Preis: 9,95 Euro
ISBN: 978-3942451017
Bestellen: Amazon

 

Bildcopyright:
Die im Zusammenhang mit diesem Artikel verwendeten Bilder und Coverscans unterliegen dem Copyright von Cursed Side, Katja "LibbyReads" Kober/ Janine Sander.