Ein perfekter Kellner

 

Erneste ist seit Jahrzehnten Kellner und in allem was er tut korrekt und tadellos. Der unauffällige Mann arbeitet schnell und dienstbeflissen und geht vollkommen in seiner Berufung auf. Als er jedoch 1966 einen Brief von seinem ehemaligen Freund und Geliebten Jakob bekommt, der ihn um Hilfe bittet, wird Ernest aus seinem einfachen Leben gerissen und seine perfekte Fassade bekommt Risse. Zuerst muss er sich einer Vergangenheit stellen, die er bisher verborgen hielt.
Zunächst ignoriert Erneste den Brief, kann jedoch nicht verhindern, dass er noch einmal sein Leben mit Jakob durchlebt und von seinen Erinnerungen geradezu überwältigt wird. Die beiden Männer lernten sich kennen und lieben, als sie kurz vor dem zweiten Weltkrieg in einem Schweizer Hotel angestellt waren und sich eine Kammer unter dem Dach teilten. Erneste verliebte sich Hals über Kopf in Jakob, der seine Gefühle ebenso feurig erwiderte. Als jedoch der Schriftsteller Klinger mit seiner Familie in das Schweizer Hotel kommt, beginnt es zu kriseln und ein Schatten fällt die Beziehung der beiden ungleichen Männer.

Als ein weiterer Brief ankommt, in dem Jakob einmal mehr Erneste um Hilfe als Freund ersucht, ist dieser Hin und Her gerissen. Er soll den greisen Schriftsteller Klinger aufsuchen und diesen um Geld bitten, damit Jakob aus den USA fliehen kann. Zunächst will Erneste seinem ehemaligen Geliebten diesen Freundschaftsdienst verweigern, ist er doch selbst Jahrzehnte nach ihrer Trennung noch immer verletzt und enttäuscht von Jakob. Immerhin hat dieser Erneste vor fast dreißig Jahren verlassen, um den Schriftsteller nach Amerika zu begleiten. Dennoch entscheidet sich Erneste dafür, Klinger aufzusuchen, um endlich mit der Sache abschließen zu können. Bei diesem wird Erneste allerdings mit einer Wahrheit konfrontiert, die alle Geschehnisse in ein neues Licht rückt. Denn nicht nur Erneste wurde von Jakob enttäuscht – auch in Klingers Familie sorgte der neue Angestellte für eine wahre Tragödie. Zudem erfahren sowohl Erneste als auch Klinger zum Schluss, was es wirklich mit Jakobs Hilfesuche auf sich hat…

 

Mit „Ein perfekter Kellner“ gelingt dem Autoren Alain Claude Sulzer ein intensiver und stilistisch hervorragender Roman, der von sehr ausgefeilten Charakteren und eine mitreißend Sprache lebt. Erneste ist dabei Perspektivträger und der Leser erlebt sein Leben in zwei verschiedenen Zeiteben mit – einmal im Jahre 1966, nachdem er den Brief von Jakob erhalten hat und einmal kurz vor dem zweiten Weltkrieg. Die Geschichte selbst ist sehr tiefgründig und logisch aufgebaut. Mit der Wahl zweier Zeitebenen, die sich immer wider abwechseln und ausgefeilten, interessanten Charakteren gelingt Alain Claude Sulzer ein sehr vielschichtiges, dramatisches Werk.
Erneste ist ein recht schlichter Charakter, der ein einfaches Leben lebt und der sich selten aus seinem alltäglichen Trott herausbewegt. Erst als Jakobs Brief auftaucht, erfährt man mehr über den Protagonisten, seine Gedanken und Gefühle und was er immer noch für seinen ehemaligen Geliebten empfindet. Mit dem alten Schriftsteller Klinger gelingt Alain Claude Sulzer jedoch eine wirklich interessante Persönlichkeit, da er auf Thomas Mann beruht und einen Teil aus Manns Leben wiederspiegelt, der fast die Grundlage für „Ein perfekter Kellner“ sein könnte. Klinger ist der passende Gegenpol für Erneste, da er nahezu das komplette Gegenteil zu dem stillen, ruhigen Mann ist. Jakob hingegen wird als sprunghafter, junger Mann dargestellt, der sich nach mehr sehnt, als nur Kellner zu sein. Indem er zwischen den Männern steht, verbindet er ihre gesellschaftlichen und geistigen Welten miteinander.

 

Alain Claud Sulzer hat einen wunderbar feinen und ausgereiften Stil. Er weiß genau, wie er die Geschichte zu Papier bringen muss und welche Hinweise er zu welchem Zeitpunkt streuen muss, um den Leser zu fesseln. Es gelingt ihm durch den Wechsel zwischen Ernestes Gegenwart und Vergangenheit den Leser niemals zu langweilen, auch wenn Ernestes Leben an und für sich sehr langweilig und eintönig ist. Mit dem Ende und der Aufklärung von Jakobs Briefen kann Sulzer ebenfalls verblüffen und zeigt, wie gut durchdacht und logisch der Roman im Grunde ist.
Die Homosexualität Ernestes wird dabei nie so sehr in den Vordergrund gestellt, dass sie platt und aufgesetzt wirkt, sondern ist einfach ein Teil von Ernestes Persönlichkeit. Sulzer nimmt auch die Probleme von Ernestes Lebensstil mit auf und zeigt auf, wie schwer ein Homosexueller es in der damalige Zeit gehabt hatte.

 

 Insgesamt ist „Ein perfekter Kellner“ ein wunderbares Buch, das jedem zu empfehlen ist. Es ist ein wahres Meisterwerk der homoerotischen Literatur, tiefgründig, bewegend und stilistisch sehr gut umgesetzt. Die Geschichte ist interessant, man erhält einem guten Einblick in die damalige Zeit und die Charaktere sind sehr tiefgründig und nachvollziehbar. Wer einen sehr guten homoerotischen Roman lesen möchte, sollte unbedingt einen Blick in Sulzers Werk werfen. Wer zudem noch ein bisschen Zeit für Recherche mitbringt, dem offenbaren sich versteckte Andeutungen…

 

Titel:

Ein perfekter Kellner
Autor: Alain Claude Sulzer
Genre: History, Drama
Verlag: Suhrkamp Verlag, 2006
Preis: 8,00 Euro
ISBN: 978-3518457412
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