"Dein
wahres Lächeln" von GeZ
(Genre:
Romance)
Ich
stehe am Fenster und sehe zu, wie der Schnee fällt. Leise und sacht schweben
Flöckchen um Flöckchen zu Boden, gesellen sich in ein weißes Bett. Der
ganze Weg vor unsrer Wohnung ist schneebedeckt. Ich trinke einen Schluck aus
meiner Tasse. Warmer, süßer Kakao läuft meine Kehle hinab. Es ist angenehm,
hier im gemütlichen Heim zu sein und dem kalten Schneegestöber zuzusehen.
Dabei
bin ich gerne draußen, auch im Winter. Aber Zuhause zu sein ist gerade in der
Adventszeit extrem verlockend für mich, denn ich weiß genau, wenn ich
rausgehen würde, würde ich wie von selbst zum Weihnachtsmarkt in die Stadt
laufen – ich würde zu dir gehen.
Seufzend
drehe ich mich vom Fenster weg und bereite Abendessen vor. Eine Quiche, weil
du die so gerne isst. An dem Adventskranz auf unsrem Esstisch brennen
mittlerweile schon zwei Kerzen. Die Zeit ist wieder so schnell vergangen und
irgendwie fühle ich mich noch gar nicht richtig ‚weihnachtlich‘, aber dir
sage ich das besser nicht. Du liebst dieses Fest und das Letzte, was ich will,
ist es dir das zu ruinieren.
Als
es an der Tür klingelt ist es schon fast neun Uhr. Ich muss lächeln und das
tue ich immer noch, als ich dich hereinlasse. Natürlich hast du einen Schlüssel,
aber trotzdem läutest du immer. Du sagtest, dass es so schön wäre, wenn man
zu Hause erwartet werden würde und ich fand diese Meinung früher fürchterlich
kitschig, aber mittlerweile teile ich sie. Obwohl auf mich keiner wartet, doch
selbst die zu sein, die dies tut, hat durchaus etwas für sich – schließlich
darf ich auf dich warten und nur mit dir zusammen zu sein ist schöner als die
Vorfreude, dich zu sehen.
Dich
zu sehen, dich zu berühren, dich zu riechen, dich zu schmecken… Nein, ich
brauch kein Weihnachten, ich brauche nur dich. Darum stört es mich auch gar
nicht, dass du diese blöde Mütze nicht trägst. Dafür nervt der Schnee in
deinen weichen Haaren etwas, der kalt und glitschig an meiner Wange kleben
bleibt, als wir uns umarmen. Noch ein unschuldiger Kuss, bevor wir uns trennen
und du dir die weißen Flocken aus den Haaren schüttelst und von den
Schultern streichst.
Während
du dich von deiner Wintermontur befreist, hole ich das Essen aus dem Ofen.
Obwohl du sicherlich erschöpfst bist, schenkst du mir so viel Zeit, dass mir
auch warm werden würde, wenn ich draußen im Schneegestöber wäre. Du erzählst
von deiner Arbeit, ich von meiner. Im Buchladen geht es zum Jahresende ohnehin
turbulent zu, aber heute waren die Kunden der pure Wahnsinn.
Eine
ältere Dame hatte äußerst ungern für die Enkelin ‚etwas mit Vampiren‘
gesucht und nicht unerwähnt gelassen, dass sie das gar nicht guthieß, schließlich
wären ‚solche Geschichten‘ zumeist ‚unsittlich‘ – vermutlich hätte
sie lieber eine Bibel oder ein Zuchtbuch verschenkt und wenn sie geahnt hätte,
dass ‚die freundliche Bedienung‘ mit einer anderen Frau zusammenlebte,
dann hätte sie mich sicher bedeutend weniger nett gefunden. Dagegen war die
Mutter mit dem kleinen Jungen, der sich partout nicht auf ein Bilderbuch
einigen konnte, noch richtig amüsant gewesen. Es hatte meine ganze Überredungskunst
und einen Lutscher mit Colageschmack gekostet, um ihn zum Aufstehen zu bewegen
– er hatte sich nämlich auf den Boden gelegt und geweint, nachdem seine
Mutter ihm das ‚falsche‘ Buch gekauft hatte.
Du
lachst leise über meine Geschichtchen und machst mich damit fröhlicher als
die verrückten Erlebnisse an sich es jemals könnten. Mittlerweile kuscheln
wir gemütlich auf der bequemen Couch. Nur der Glühwein und die Erzählungen
deiner Arbeit können meine gute Laune ein wenig dämpfen.
‚Last
Christmas‘ dringt an mein Ohr und ich stehe fast im Bett. Ich hasse dieses
Lied. Eigentlich nicht schlecht, dass mein Radiowecker mich damit aus den
Feder wirft, denn diese Musik motiviert mich schnell dazu, mich aufzurichten
und den Alarm auszustellen. Bei ‚Nights in white satin‘ hätte ich mich
sicher noch ein Weilchen länger in die warme Decke gekuschelt… Oder
vorzugsweise an dich.
Du
guckst mich unwirsch aus verschlafenen Augen an und nuschelst irgendwas von fünf
Minuten in dein Kissen und ich muss lachen. Du bist ein waschechter kleiner
Morgenmuffel und darum kann ich es mir manchmal einfach nicht nehmen lassen,
dich mit rauszuwerfen, wenn ich aufstehe. Ist zu süß, wie du dich dann
aufregst oder zu betteln beginnst, wobei das Feilschen um jede Minute mehr für
mich sehr einträglich sein kann – für einen kleinen Guten-Morgen-Kuss
gestehe ich schon gerne mal ein Minütchen mehr zu, für eine Viertelstunde
musst du dich schon mehr ins Zeug legen, aber meist artet es eh so aus, dass
die Zeit gänzlich weg ist und ich mich beeilen muss, um die Tram noch zu
erwischen und rechtzeitig zur Arbeit zu kommen. Ich weiß ja, dass du danach
wieder ins Bett gehst und noch dreist viel länger weiterschläfst, als du dir
eigentlich verdient hast.
Heute
Morgen ist mir allerdings nicht nach unsren Aufwach-Neckereien, weil du mich
gestern Nacht noch gebeten hast, doch mal bei deiner Arbeit vorbeizuschauen.
Du bist eben nicht blöd und das schätze ich sehr an dir, aber in dem Fall
tut es mir Leid, dass du diesbezüglich nicht über eine partielle
Begriffsstutzigkeit verfügst – du hast schon längst gemerkt, dass ich bei
der Erwähnung deiner Arbeit immer verstimmt bin. Dummerweise kann ich dir
kaum einen Wunsch abschlagen und sagte zu, was mich den ganzen Tag etwas
missgelaunt stimmte und nun stehe ich hier auf dem Weihnachtsmarkt.
Es
schneit wieder, aber die Flocken setzen sich nicht auf dein Haar. Das könnten
sie selbst dann nicht, wenn du die blöde Mütze nicht aufhättest, denn der
Stand ist überdacht. Ein Glühweinstand. Täglich kommen hier hunderte
Menschen vorbei. Mann und Frau, jung und alt. Manchen merkt man an, dass der
Stopp bei dir nicht der erste ist, den sie an einem Glühweinstand machen.
Viele machen komische Kommentare über die rote Weihnachtsmannmütze, die du
und die anderen Mitarbeiter tragen müssen. Und einige flirten mit dir…
Unwirsch
hacke ich mit meinen Schuhen an einem kleinen Schneehaufen herum. Das ist der
Grund, warum ich deine Arbeit hasse. Warum ich Glühwein eklig finde. Weshalb
diese Mütze blöde ist. Und darum Weihnachten keine so schöne Zeit für mich
ist. Ich will das nicht sehen. Will nicht zusehen, wie du auf Neckereien und
Anbändelversuche eingehst, wie du andere Leute anlachst. Ich will nach Hause.
Gerade
als ich im Begriff bin, mich umzudrehen und zu gehen, hast du mich entdeckt.
Dein von der Kälte rotwangiges Gesicht hellt sich auf, deine zarten Lippen
ziert ein strahlendes Lächeln und deine Augen glänzen vor Freude. Wie plötzlich
angefroren halte ich inne. Natürlich hast du gelacht, warst nett und
freundlich zu den ganzen anderen Menschen. Aber deine Augen haben nie
mitgelacht. Das tun sie nur jetzt, für mich.
Du
wunderst dich ein bisschen, dass ich mich nicht von der Stelle bewege und
glaubst vermutlich, dass ich dich nicht gesehen habe, darum winkst du mir wie
wild zu und langsam, ganz langsam gehe ich zu dir. Du lächelst breit und
fragst, ob ich einen Glühwein zum Aufwärmen bräuchte, was ich nur verneinen
kann. Mir ist gerade sehr warm und ich fühle mich auch ohne Alkohol wie
betrunken. Zwei Stunden lange stehe ich noch so an dem Stand, bis du endlich
Feierabend hast und wir nach Hause gehen können.
Ob
ich deine Arbeit immer noch schlimm fände, fragst du mich und ich muss leise
lachen und verneine. Jetzt nicht mehr. Jetzt nicht mehr, denn du hast mir
damit das schönste Geschenk gemacht, dass ich mir vorstellen kann. Dass
allerschönste Geschenk ist dein wahres Lachen, das nur mir gilt. Und schon
bevor sich unsre Lippen zu einem süßen Kuss treffen, weiß ich, dass es dir
genauso geht.
GeZ:
Ich
wurde 1984 in einer großen Kleinstadt geboren und habe erst den
Realschulabschluss und dann das Abitur gemacht. Weil ich danach immer noch
wissenshungrig war, entschloss ich mich für ein Studium und wohne deswegen
nun in einer kleinen Großstadt. ,D
Ich lese und schreibe gerne und engagiere mich seit Jahren ehrenamtlich, u.a.
in einer Stadtteilzeitung.
Kontakt: noirsnow@web.de
|