Gefährlicher
Liebhaber
Jack
the Ripper hält London und die Welt in Atem. Seit Monaten schlachtet der
Whitechapel-Mörder weibliche Huren ab und mit jedem Mord steigt seine
Grausamkeit gegenüber den Opfern. Die Polizei ist überfordert, das Volk
verängstigt. Zu dieser Zeit versucht Richard St. John, Spross einer adeligen
Familie aus der Oberschicht als Inspector bei Scotland Yard Fuß zu fassen. Dass
weder die Familie, noch seine Kollegen von seinem Berufswunsch begeistert sind,
hält Richard St. John nicht davon ab, sich auf die Spur des berüchtigten Killers
zu begeben. Dabei stößt er auf die Verbrecherbande Blind Dogs, die sich mit
Erpressung, Prostitution und Entführung über Wasser hält und der sich kein
Polizeibeamter freiwillig nähert.
Richard schlägt alle Warnungen in den Wind und sucht den Anführer Kieran
O’Malley in einem Bordell auf. Sofort fühlt er sich von dem gutaussehenden Mann
angezogen und der junge Inspector hat Probleme sich auf den eigentlichen Fall zu
konzentrieren. Dabei wurde O’Malley gesehen, bevor das letzte Opfer des Rippers
ermordet wurde. Zwischen seinen Gefühlen für den Bandenchef und seiner
Verantwortung gegenüber seinen Vorgesetzten hin und her gerissen, forscht
Richard St. John weiter und stößt dabei auf O’Malleys unschöne Vergangenheit und
einem undurchsichtigen Club, in dem es keinerlei Tabus gibt …
Mit „Gefährlicher Liebhaber” erschien bereits der zweite homoerotische Roman
von Cassandra Norton bei Juicy Books, die sich auf Gay Romance und Hardcore
Erotik Romane spezialisiert haben. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich eine
bekanntere Autorin, die vorwiegend im Erotikbereich zu finden ist und bei
verschiedenen kleinen und mittelständigen Verlagen veröffentlicht.
Die Grundidee der Geschichte ist nicht uninteressant, insbesondere da das
Mysterium um Jack the Ripper viel Raum für Spekulationen und viele Möglichkeiten
für einen spannenden Handlungsbogen bietet. Allerdings gelingt es der Autorin
nicht den Leser zu überzeugen. Sowohl die Handlung, als auch die Charaktere sind
mehr als fragwürdig, teilweise unlogisch und bereits nach wenigen Seiten steht
nicht mehr der Ripperfall im Zentrum des Buches, sondern die Liebesgeschichte
zwischen St. John und O’Malley.
Sicherlich mag man anführen, dass es sich um ein Gay-Romance Werk handelt,
doch in diesem Fall hätte man auch auf den historischen Fall verzichten und die
Geschichte in einen rein fiktiven Hintergrund einbauen können. Denn jeder, der
sich mit dem Ripperfall beschäftigt und zumindest die Grundlagen kennt, wird ab
dem ersten Drittel den Kopf schütteln. Es fehlen historische Persönlichkeiten
(wie Inspector Abberline, der für die Aufklärung der Morde zuständig war),
wichtige Begebenheiten und Informationen, die im Zusammenhang mit den
Rippermorden notwendig gewesen wären. Allein die Tatsache, dass die Autorin mit
dem Mord an Cathrine Eddows einsteigt, das vorletzte Opfer, beweist, dass der
Fall eher eine untergeordnete Rolle spielt. Spätestens nach dem ersten
Auftauchen von O’Malley (den es nicht gab, ebenso wenig wie die Blind Dogs), ist
klar, in welche Richtung die Handlung geht.
Doch auch ohne die Fehler, die Cassandra Norton bei der Einarbeitung des
Ripperfalls in die Geschichte unterlaufen sind, strotzt der Roman vor
historischen Ungenauigkeiten und Logiklücken. Das fängt bei St. Johns Berufswahl
an, als Adeliger zu Scottland Yard zu gehen (ein Unding, da dies im Normalfall
den Ruf der Familie dauerhaft schädigt), geht über seine Schwester Elizabeth,
die in einer Suppenküche in den Elendsvierteln arbeitet (als Adelige, nachts in
Whitechapel, wo Frauen brutal ermordet werden?) und endet bei dem vollkommen
überzogen und unrealistischen Finale, bei dem rein gar nichts mehr stimmt. Von
der Tatsache, dass mitten in einer Lagerhalle Anfang November, eine blühende
Frühlingswiese zu finden ist, einmal abgesehen. Aufmerksame Leser, die sich
mit den historischen Hintergründen auskennen, fallen weitere Details auf, die
einfach nicht stimmen können und die man nicht in Einklang mit der
viktorianischen Zeit bringen kann. Hier mangelt es spürbar an Recherche und
Fingerspitzengefühl, insbesondere was die Homosexualität der Protagonisten
anbelangt.
Auch die Charaktere können nicht überzeugen und bleiben sehr blass, da ihe
Handlungen unrealistisch und unlogisch sind. St. John ist unausgegoren und
sprunghaft, so dass es dem Leser schwer fällt sich mit ihm zu identifizieren. Es
bleibt vollkommen offen, warum er zu Beginn O’Malley verdächtigt und sich so
extrem an dem Anführer der Blind Dogs festbeißt. Dieser ist ebenfalls in sich
nicht schlüssig und handelt seltsam verworren. Insbesondere seine Arbeit
außerhalb der Blind Dogs, die von St. John erst am Ende des Buches aufgedeckt
wirkt, ist überhaupt nicht nachvollziehbar. O’Malleys Beweggründe bleiben
zumeist komplett im Dunkeln, so dass man ihn als Leser nicht greifen kann. Es
fehlt eine wirkliche Charakterisierung und so wird man weder mit St. John, noch
mit O’Malley warm. Cassandra Nortons Versuche mit Elizabeth eine weibliche
Protagonistin einzuführen sind komplett misslungen und absolut unnötig. Sie
trägt weder zur Rahmenhandlung um den Ripperfall etwas bei, noch später, als St.
John ihr seine sexuellen Neigungen offenbart. Vielmehr scheint sie nur einem
Zweck zu dienen – dem oberflächlichen Einbau eines heterosexuellen Pärchens und
einer entsprechenden expliziten erotischen Szene (denn genau nach dieser endet
das Interesse der Autorin an der Figur, taucht Elizabeth im Anschluss nur noch
beiläufig auf). Als Leser eines Gay Romanes hätte man darauf getrost verzichten
können, insbesondere da diese Figur vollkommen unlogisch aufgebaut und für die
Handlung überhaupt nicht von Bedeutung ist.
Der Schreibstil der Autorin ist im Großen und Ganzen okay, aber wirklich
hochwertige Kost darf man nicht erwarten. Der Schreibstil ist flach und es
gelingt Cassandra Norton nicht das damalige London realistisch und bildlich
darzustellen. Weder die Beschreibungen der einzelnen Szenen, noch die Dialoge
sind lebendig und können wirklich fesseln. Die Geschichte plätschert vor sich
hin und hält sich zumeist an unwichtigen Sachen auf. Lediglich die vielen
erotischen Szenen (von denen es auf den knapp 160 Seiten wirklich genug gibt)
sind detailliert und explizit verfasst, ebenso die Beschreibungen der Kleider,
die Elizabeth und deren Mutter tragen (was vollkommen unwichtig für die Handlung
ist). Zudem gibt es unzählige Wortwiederholungen, die das Lesen zusätzlich
erschweren.
Alles in allem kann „Gefährlicher Liebhaber” weder inhaltlich noch
stilistisch überzeugen. Das Buch strotzt vor historischen Fehlern, Logiklücken
und unrealistischen Charakteren, hat so gut wie nichts mit dem Ripperfall zu tun
und ist schlecht recherchiert. Wer gute, homoerotische Romane im Gay-Bereich
sucht, sollte lieber zu den Büchern von Floortje Zwigtman („Adrian Mayfield“)
und Aline Sax („Eine Welt dazwischen“) greifen, Krimi- und Ripperfans ist
ebenfalls vom Lesen abzuraten. Selbst Gay Romance Liebhaber, sollten sich nach
Alternativen umsehen, da die Charaktere zu platt und oberflächlich sind und man
eine in sich schlüssige Liebesgeschichte vergeblich sucht. Leider nicht zu
empfehlen.
Titel:
|
Gefährlicher Liebhaber
- Jagd auf Jack the Ripper |
Autor: |
Cassandra Norton |
Genre: |
History,
Drama |
Verlag: |
Juicy Books, 2011 |
Preis: |
14,95 Euro |
ISBN: |
978-3942363044 |
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