Losing Neverland"Losing Neverland" ist ein sehr ehrgeiziges Projekt von Fahr Sindram, die mit dem Kleinstverlag "Butter and Cream" versucht etwas zu bewegen und zu verändern, was kaum zu erreichen ist. Mit dem Ziel gegen Shotacon und Kinderpornografie vorzugehen und ein wenig aufzurütteln und gleichermaßen aufzuklären, erschien 2006 der erste Band. In Eigenregie wurde auch eine englischsprachige und sogar eine japanische Ausgabe herausgebracht und vertrieben. Für ihr Engagement erhielt Fahr Sindram bereits jetzt mehrere Preise, obwohl bisher erst zwei Bände der Reihe erschienen sind.
Die Geschichte spielt in einem fiktiven England des 19. Jahrhunderts. Der 14-jährige Lauri ist ein Stricher, der von seinem Vater regelmäßig auf die Straße geschickt wird um anzuschaffen. Zeitgleich scheut er sich nicht davor den Jungen selbst zu misshandeln oder sein Leben im Alkohol zu ertränken. Lauri selbst ist gefangen in einer Welt aus Hass, Gewalt und Angst. Nachdem mit seiner Mutter der einzige Mensch starb, der ihm Liebe und Geborgenheit gegeben hat, ist aus dem sonst so fröhlichen Kind ein trauriger und zerstörter Junge geworden, unfähig sich zu wehren, oder sich vor seinem Vater zu schützen. Doch dann taucht der vierjährige Timmy auf und beginnt das Leben Lauris durcheinander zu bringen. Zufällig begegnet Lauri dem Kind, als dieser seine Schwester Coline in einer Menschenmenge aus den Augen verloren hat und mit Lauris Hilfe findet sich schnell die vermisste Person. Zunächst ist Coline nicht begeistert von Lauri, dem ungewöhnlichen Freund, den sich Timmy gesucht hat, doch schon bald lernt sie den Stricher besser kennen und revidiert ihre Meinung. Besonders als Timmy krank auf der Straße zusammenbricht, wird Lauri eine unschätzbare Hilfe, um den kleinen Jungen zu retten. Timmy wächst in dieser Zeit besonders Lauri ans Herz, der urplötzlich wieder geliebt wird und eine ähnliche Zuneigung zu dem kleinen Tim empfindet und sich vornimmt ihn zu beschützen. Schließlich vertraut sich Lauri Coline an und erzählt ihr seine Geschichte und wie er zu dem wurde, was er heute ist... Der 2. Band erhält zudem noch zwei Sondergeschichten, in der Welt von Losing Neverland. Ebenso bieten beide Bände zwei farbige Ausklappposter, einiges an Infomaterial und zusätzlichen Gimmicks rund um LN.
Insgesamt ist Losing Neverland ein interessanter, wenngleich ungewöhnlicher Manga. Es fällt schwer sich hundertprozentig in dieses Werk hineinzudenken, da es mir persönlich besonders schwer fällt das fiktive England nachzuvollziehen. Die Mischung aus altem historischen London und Gothic/Visual Kei ist nicht unbedingt etwas, was ich bevorzugen würde, besonders da ich historische Mangas und Geschichten mag, insofern sie realistisch gehalten sein. Die unmäßigen Rüschen, das rauschenden Kleider, die viele Motivrasterfolien sind manchmal etwas zuviel, da sie die Seiten überladen und in einigen Punkten einfach nur konfus wirken lassen. Ist man diesen Dingen nicht offen gegenüber eingestellt, sollte man um diesen Manga einen Bogen machen. Hinzukommen die Hintergründe, die teilweise nur aus nachbearbeiteten Photos bestehen, eine Sache, die ich selbst selten mag. Ich finde selbstgezeichnete Backgrounds besser, weil sich erst hier das Talent eines Zeichners richtig zeigt. Dennoch verbessert sich Fahr Sindram im Laufe der zwei Bände und bereits im Band "Moloch" wirken die Zeichnungen ausgefeilter und klarer. Der erste Band ist dahingegen teilweise schon etwas schludrig und skizzenhaft gezeichnet. Die Geschichte entwickelt sich langsam und ist absichtlich fast schon extrem klischeehaft aufgebaut. Sicherlich soll dies die Situation des Hauptcharakters unterstreichen, doch manchmal entfährt dem Leser ein Seufzen, wenn Lauri schon wieder etwas schlechtes erlebt. Dabei geht die Autorin alle Punkte einer solchen Geschichte durch- traumatische Erlebnisse, Tod der Mutter, Vergewaltigung, Misshandlung durch den Vater etc. Selbst als Timmy auftaucht kommt kaum etwas mehr Spannung in die Geschichte herein und die ewigen Tiefschläge gegen Lauri gehen mit der Zeit doch ein wenig auf die Nerven. Dementsprechend stagniert sowohl die Charakterentwicklung, als auch die Handlung, doch vielleicht versprechen die weiteren Bände endlich Abhilfe. Sicherlich ist der Hintergrund sehr ernst und im Grunde ist die Idee etwas gegen Shotacon auszurichten nicht schlecht, doch der Manga selbst verhindert es Ernst genommen zu werden. Das liegt in meinen Augen zum größten Teil an dem kruden Mix aus Historie/England und Gothic Lolita, der dem Manga jegliche Grundlage raubt und ihn seltsam inkonsistent wirken lässt. Vielleicht wäre es besser gewesen eine solche Geschichte in einem realen Umfeld spielen zu lassen oder sich an exakte historische Begebenheiten zu halten, so hat der Manga einen seltsamen Beigeschmack, der schwer zu beschreiben ist. Um ein solches Thema zu umreißen, sollte man es vermeiden es in einer fiktiven Welt anzusiedeln, die so chaotisch wirkt, dass man von dem eigentlichen Grundgedanken abgelenkt wird, denn genau hier liegt das Hauptproblem des Mangas.
Für die Idee und den Grundgedanken kann ich ohne jeden Zweifel mein Lob aussprechen und ich finde es toll, dass man auf diese Art und Weise gegen Shotacon vorgehen will, doch leider ist die Ausführung nur minder gut gelungen. Wer offen für ungewöhnliche Mangas ist und wen Gothic Lolita nicht stört, der sollte sich den Manga mal ansehen und reinlesen. Jeder der realistische Sachen vorzieht oder Wert auf historische Begebenheiten legt, sollte sich nach anderen Werken umschauen, die sich ebenfalls mit der Thematik Kindesmissbrauch beschäftigen. Insgesamt empfehle ich vor dem Kauf unbedingt reinzulesen, er dürfte nicht jedem gefallen...
Like a Dream bedankt sich beim "Butter and Cream Verlag" für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Bildcopyright: Die im Zusammenhang mit diesem Artikel verwendeten Bilder und Coverscans unterliegen dem Copyright von Butter and Cream, Fahr Sindram. |
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