Losing Neverland StorybookDer Stricherjunge Laurie lebt im viktorianischen London bei seinem gewalttätigen Vater, für den er Anschaffen gehen muss. Die einzigen Lichtblicke seines Lebens an der Armutsgrenze sind der kleine Timmy und seine Schwester Coline, die Laurie zumindest zeitweise ein warmes Plätzchen und den flüchtigen Anschein eines Zuhauses geben. Doch auch Coline hat es schwer, muss sie doch für sich und ihren kranken Bruder arbeiten. So ist für diese drei unterschiedlichen Menschen ein Weihnachtsfest nicht gleichbedeutend mit den Feierlichkeiten, die die gutbetuchte Mittelschicht kennt ...
Mit dem „Losing Neverland“ Storybook erschien beim Verlag „Butter & Cream“ eine Kurzgeschichten- und Gedichtesammlung zu Fahr Sindrams gleichnamiger Mangareihe, deren erster Band 2006 herausgekommen ist und die bisher zwei Bände umfasst. Das Storybook ist in drei Zyklen aufgeteilt (Love, Death and Rebirth), die aus jeweils einer Kurzgeschichte, sowie einer Titelillustration und einigen weiteren Einzelbildern bestehen. Am Ende des Bandes befindet sich eine Auswahl an deutschen und englischen Gedichten, die Fahr Sindram zu „Losing Neverland“ verfasst hat.
Die Kurzgeschichten geben einen weiteren Einblick in die Gedankenwelt der Charaktere, allen voran Laurie, der an einem Weihnachtsabend in der Kälte Londons nach Freiern Ausschau halten muss. Aber auch Coline, die im Manga eigentlich nur am Rande vorkommt, wird dem Leser ein wenig näher gebracht, ist die zweite Kurzgeschichte doch aus ihrer Sicht geschrieben. Dementsprechend ist der Band nur für Fans der Reihe geeignet, da man als Nichtkenner nur wenig mit den Geschichten und Charakteren anfangen kann. So besticht das „Losing Neverland Storyboard“ durch klischeebeladene Geschichten, die so extrem auf die Tränendrüse drücken, dass er schwer fällt, die einzelnen Beschreibungen und die dramatische Hintergrundgeschichte ernst zu nehmen. Laurie wirkt zu „emohaft“, suhlt sich zu sehr in Selbstmitleid, was dafür sorgt, dass es dem Leser schwer fällt, seinen Gedanken und Gefühle eine Chance zu geben, da man mit der Zeit ermüdet und das Buch am liebsten aus der Hand legen will. Das ist schade, da das Thema Kindesmissbrauch viele interessante Möglichkeiten bietet und zum Nachdenken anregen soll. Doch leider wird hier die Grundidee nicht ausgebaut, so dass der Funke nicht auf den Leser überspringt.
Stilistisch ist das Buch leider weniger gut gelungen. Fahr Sindrams Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig und schwankt zwischen gezwungen hochgestochen, altbacken, um die zeitliche Epoche, in der die Geschichten spielen, zu unterstreichen, und platt. Das merkt man ganz besonders bei der Wortwahl und dem Satzbau, wobei letzterer oftmals nicht stimmig ist. Immer wieder nutzt Fahr Sindram alltägliche Sprachwendungen und verfällt damit in eine Umgangssprache, die nicht zu den Geschichten passen will. Zudem schleichen sich viele Rechtschreibfehler ein, die das Lesen erschweren. Hier hätte ein ordentliches Lektorat die schlimmsten Fehler ausmerzen und einige unmögliche Satzbauten von vornherein eliminieren müssen. Auch stören einige Logiklücken und Ungereimtheiten den Lesefluss, ebenso offene Punkte, die planlos in die Handlung geworfen und nicht aufgelöst werden.
Die Aufmachung des kleinen Hardcover- Büchleins ist wiederum gelungen. Die Illustrationen sind sehr schön und geben den Geschichten einen passenden Rahmen. Besonders positiv und gut gelungen ist die Idee die schwarz/weiß Zeichnungen mit rosa- und goldfarbenen Akzenten aufzuwerten. Dadurch bekommen die Bilder eine besondere Wertigkeit, die gut zum Gesamtwerk passt. Auch die leicht angehauchten, goldenen Schmetterlinge im Hintergrund einiger Seiten und die schönen Rahmenlemente, die die Gedichte umfassen, sind hübsch anzusehen und runden das Erscheinungsbild ab. Allerdings hat diese Aufmachung ihren Preis: Mit 17,- Euro schlägt das gerade mal 60-seitige Storyboard zu Buche und ist damit sogar für Fans der Reihe nur bedingt empfehlenswert. Vielleicht hätte man an dieser Stelle auf eine Taschenbuchalternative zurückgreifen sollen, denn der Preis wirkt in vielerlei Hinsicht abschreckend, insbesondere da die Fans seit 2008 auf den dritten Band warten und das Storyboard für die Überbrückung der Wartezeit eher ungeeignet ist.
Alles in allem ist das „Losing Neverland Storyboard“ nur extremen Fans der Mangareihe zu empfehlen und denjenigen, die Fahr Sindrams Geschichten und Zeichnungen mögen. Den Einzelepisoden mangelt es an Kontinuität, sprachlichem Feinschliff und wirklichem Inhalt, so dass es schwer fällt die 60 Seiten des Buches in einem Stück zu lesen. Lediglich die schönen Zeichnungen und die hübsche Aufmachung werten das Büchlein auf, wenngleich dies unverhältnismäßig heftig zu Buche schlägt.
Bildcopyright: |
||||||||||||||||||