"Macht der Worte" von Anna Maske
Genre: Drama
Italien. Der Duft von Olivenbäumen, die Landschaft und nicht
zuletzt die Mentalität der Menschen. Und doch hätte Isabella niemals gedacht unter solch
düsteren Umständen wieder hierher zurück zu kehren.
Als
das Flugzeug auf dem Neapler Flughafen landete krampfte sich alles in ihrem
Magen zusammen. Zwölf Jahre war sie nun schon nicht mehr hier gewesen. Nicht das
sie nicht gewollt hätte. Nur zog sie ihren Job immer wieder ihren Urlaubsplänen
vor und so wurde aus einem anfänglichen Studium in Deutschland ein Leben ohne
Italien, ohne ihren Onkel und ihre Tante und nicht zuletzt ohne ihre Cousine
Maria.
Eine sanfte Brise umwehte die junge Frau, als sie vor
den Haupteingang trat. Sie steuerte das nächstgelegene Taxi an und nannte dem
Fahrer die Adresse.
Das Haus ihrer Tante und des Onkels lag etwas Abseits
der Stadt nahe dem Vesuv. Von ihm aus hatte man einen wundervollen Blick auf den
Golf von Neapel und obwohl es Oktober war, wehte ein angenehmer Wind vom Meer
hinauf in den Olivenhain, welcher sich rechts und links neben dem Haus
erstreckte.
Der Fahrer hielt vor dem Tor und Isabella gab ihm ein
großzügiges Trinkgeld. Dem Gesicht des Fahrers nach zu urteilen, hatte sie ihm
eindeutig zu viel gegeben, doch das war ihr in diesem Moment egal. Der Mann half
ihr ihren Koffer die Einfahrt hinaufzutragen und tippte sich an die Mütze um
sich zu verabschieden.
Das Haus lag still in der Dämmerung. Isabella ging die
Treppen hinauf und läutete - niemand reagierte. Sie stellte den Koffer neben die Tür und umrundete das
Haus. Keine Menschenseele war zu sehen, weder im Garten noch im Olivenhain. Es
wurde immer dunkler und auch die Luft kühlte merklich ab
Isabella hörte das Geräusch
von Reifen auf dem Kiesweg und eilte wieder nach vorne. In diesem Moment hielt
ein schon etwas in die Jahre gekommener Wagen in der Einfahrt, aus dem ein
älterer Herr stieg. Es war Vincenzo, der Gärtner der sich schon solange sie sich
zurück erinnern konnte, um die Pflanzen und die Olivenbäume kümmerte
„Isabella, meine Liebe.“,
grüßte er sie und kam auf sie zu. Er schloss sie in die Arme und drückte sie
herzlich. „Ich freue mich so, dass du hier bist, auch wenn ich gehofft habe,
dass wir uns unter weniger traurigen Umständen wiedersehen.“ Die junge Frau nickte nur und
erwiderte die Umarmung kraftlos. „Du wirst sicher müde sein. Verzeih, dass ich mich
verspätet habe. Ich werde dir aufschließen.“
Das Haus roch verlassen.
Es sah durchaus nicht
danach aus. Weder Staub auf den Flächen, noch ungeöffnete Post im Flur und doch
wirkte das Haus als würde es sich in einem tiefen Schlaf befinden. Isabella blieb im Eingangsbereich stehen und schaute
sich um. Nichts hatte
sich verändert, seit sie nach Deutschland gegangen war. Alles stand noch so, wie
sie es in Erinnerung hatte. Die weiße Kommode im Flur auf der ihr Onkel immer
seinen Hut abgelegt hatte, die Jacken und Mäntel am Ständer daneben. Alte, an
den Rändern schon vergilbte Fotos hingen wie ein Mosaik an den langen Wänden.
Auf ihnen zu sehen waren, Menschen bei der Arbeit, Kinder beim herumtollen
zwischen den noch jungen Olivenbäumen, lachende Pärchen auf einem Fest oder das
wunderschöne Panorama des Vesuvs und des Meeres. „Bist du sicher, dass du heute hier schlafen willst?
Wir haben noch ein Gästezimmer frei und meine Frau hat es extra für dich
hergerichtet.“ Vincenzo
trat vor Isabella und legte ihr mitfühlend die Hand auf die Schulter. „Es ist
doch sicherlich sehr schwer für dich nun ganz alleine hier zu sein.“ „Es geht schon …“, murmelte
Isabella. „Ich werde hier bleiben und mich um alles wichtige kümmern. Morgen
fahre ich in das Krankenhaus um nach Maria zu sehen.“ „Wie du willst. Ich habe meine
Telefonnummer neben das Telefon gelegt. Wenn irgendetwas sein sollte, ruf an.
Soll ich dich morgen in die Stadt fahren?“ „Nicht nötig, ich rufe mir ein Taxi.“ „Wie du willst.“ Der Mann strich Isabella noch einmal
über die Schulter.
Am nächsten Morgen rief sich Isabella ein Taxi. Die
Fahrt zur Stadt verlief ereignislos und schweigend. Vom Golf her zogen einige
Nebelschwaden herauf, die jedoch schnell von der Sonne verscheucht wurden.
Isabella hatte wenig geschlafen und noch immer konnte sie nicht glauben, was
passiert war.
Nach der Rückkehr von einer Berichterstattung, für die
sie einige Tage in den USA verbracht hatte, erreichte sie ein Brief von einem
Notar in Neapel, der ihr eröffnete, dass ihr Onkel und ihre Tante bei einem
Bootsunglück umgekommen seien. Ihre jüngere Cousine Maria konnte wie durch ein
Wunder gerettet werden und läge nun in einem Hospital in Neapel. Ihr Zustand sei
stabil, hieß es, doch sie reagiere auf nichts. Aus diesem Grund fiele es nun
Isabella zu, den Nachlass von Marias Eltern zu regeln und eben darum war sie
jetzt hier.
Im Krankenhaus herrschte trotz der frühen
Morgenstunden schon reger Betrieb. Schwestern und Ärzte hetzten für die
morgendliche Visite mit Klemmbrettern unter den Armen von einem Zimmer in das
nächste, warfen rasche blicke auf die Akten der Patienten, sprachen einige, wie
sie meinten aufmunternden Floskeln, und wandten sich dem nächsten Patienten zu.
Isabella beobachtete die ganze Szenerie ohne großes Interesse. Sie ließ sich von
der Schwester am Empfang die Zimmernummer ihrer jungen Cousine geben und
versuchte den Tumult um sich herum so gut es ging zu ignorieren
Marias Zimmer war hell und
einladend. Wären die Monitore, welche die Herz- und Hirnströme maßen, sowie der
Tropf nicht gewesen, durch welchen das Mädchen künstlich ernährt wurde, hätte
man meinen können, man befinde sich in einem Hotelzimmer. Durch das Fenster
hatte man einen Blick über die Grünanlagen des Krankenhauses, hinter welchen der
Golf von Neapel glitzerte. Die Wände waren in einem angenehmen, hellen Gelb
gestrichen und strahlten nicht diese unpersönliche Sterilität aus, wie der Rest
des Gebäudes.
Eine ganze Weile stand Isabella in der Tür und schaute
zu dem blassen Mädchen hinüber, welches auf dem Bett lag. Ihre hellblauen Augen
waren auf das Fenster gerichtet, allerdings bezweifelte Isabella, dass ihre
Cousine etwas bestimmtes ansah. Seit dem Unfall hatte das Mädchen keinen Ton
mehr gesagt, keine Regung mehr gezeigt. Ihr Körper glich einer lehren Hülle,
ohne Gefühle, ohne Leben. Sie reagierte nicht auf andere Menschen, nahm nicht
mehr am Leben teil und wenn sie nicht künstlich ernährt werden würde, würde sie
verhungern. Einzig die Monitore zeigten, dass das junge Mädchen noch am Leben
war.
Langsam ging Isabella hinüber zum Bett und setzte sich
ihrer Cousine gegenüber auf einen Korbsessel. „Hallo Kleines …“, flüsterte sie und nahm Marias Hand.
Sie fühlte sich warm an und Isabella strich leicht darüber.
Stumm
schaute Isabella ihre Cousine an. Es gab so vieles was sie ihr sagen wollte, so
vieles, wofür sie sich entschuldigen wollte, doch sie fand keine Worte dafür.
Alles was ihr in den Sinn, klang plump und banal und drückte nicht im
entferntesten das aus, was sie wirklich fühlte. Schweigend saß sie ihrer Cousine
gegenüber und schaute in die leeren, blauen Augen des Mädchens, das einst so
voller Energie und Leben gewesen war
Es klopfte und eine Schwester
trat ein. „Oh, guten
Morgen. Ich wusste nicht, dass Signora Maria Besuch hat. Wenn sie erlauben. Es
ist Zeit für Signoras Bad und ihre Übungen.“ „Natürlich.“ Isabella lächelte und stand auf.
„Erlauben sie, dass ich bleibe? Ich werde sie nicht behindern.“ „Ich denke, da spricht nichts
gegen.“, meinte die junge Schwester. „Ich wette Signora Maria freut sich sehr
über ihren Besuch. Seit sie hier ist, waren nur der Anwalt ihrer verstorbenen
Eltern und einige Male der alte Gärtner mit seiner Frau hier.“ Mit geübten
Griffen hob die Schwester Maria aus dem Bett und setzte sie in einen Rollstuhl.
„Sie sind ihre Cousine, nicht wahr?“ Isabella nickte. „Es ist schön zu sehen, dass Signora Maria noch
Familie hat. Die Arme muss sich schrecklich einsam gefühlt haben. Aber jetzt
sind sie ja da.“
Das warmherzige Lächeln der Schwester fühlte sich an
wie ein Dolch in Isabellas Herzen. Sie fühlte sich elend und wertlos. Warum hatte sie es in den
letzten 12 Jahren nicht einmal geschafft nach Italien zu ihrer Familie zu
fahren? Wegen der Arbeit?
Immer wieder schob sie ihren Job vor. Zu Geburtstagen
und zu Weihnachten gab es nur per Post geschickte kleine Präsente und
Glückwünsche. Telefoniert wurde immer seltener und schon bald war für Isabella
das Leben in Italien wie ein früheres Leben, dass immer mehr wie ein Traum
erschien, als dass es tatsächlich real gewesen war
Anfangs hatte Maria ihr noch
regelmäßig geschrieben.
Die süße, kleine Maria. Sie war 9 Jahre alt, als Isabella ihr Studium in
Deutschland begann. Wie hat die Kleine geweint, als Isabella ging. Sie waren
mehr als Cousinen, sogar mehr noch als Schwestern. Jede Woche kam ein Brief von
Maria. Im laufe der Zeit wurden die Briefe spärlicher und deren Inhalt
unpersönlicher, bis Maria schließlich gar nicht mehr schrieb. Doch Isabella war nicht ganz unschuldig daran, im
Gegenteil. Sie musste
sich eingestehen, dass Maria sich nur durch ihr zutun entfremdet hatte. Auf die
liebevollen Zeilen ihrer Cousine antwortete Isabella hastig und oftmals
unpersönlich. Sie entschuldigte dies zwar damit, dass ihr Studium sie sehr in
Anspruch nahm, doch tief in ihrem Herzen wusste sie, das dies nicht die ganze
Wahrheit war.
Wie kam es nur, dass die Menschen, die ihr einst so
lieb und teuer waren, immer mehr in den Hintergrund rückten und Job und Karriere
Isabellas Leben in Beschlag nahmen. Das konnte ja auf die Dauer nicht gut gehen!
Die Schwester brachte Maria
ins Bad und begann sie zu waschen. Die junge Frau ließ alles wort- und
regungslos über sich ergehen. Ihr Blick verlor sich an einem weit entfernten
Punkt und niemand vermochte zu sagen, ob Maria tatsächlich mitbekam, was in
diesem Moment um sie herum geschah
„Das wichtigste ist im Moment,
dass Signora Maria eine ihr vertraute Umgebung kommt. Rein körperlich ist sie
gesund, es ist ihre Seele, die mir Sorgen bereitet. Zweifelsohne hat der Tod
ihrer Eltern sie in diesen Schockzustand versetzt.“ Der behandelnde Arzt saß
hinter seinem Schreibtisch, vor ihm ausgebreitet einige Unterlagen. „Ich
empfehle ihnen, nun dass sie da sind, die junge Signora nach Hause zu bringen.
Sie braucht eine vertraute Umgebung und ihr vertraute Gesichter um sich.
Vielleicht entkommt sie so ihrer Lethargie.“ „Meinen sie wirklich, es wäre gut Maria in das Haus zu
bringen, in dem sie vor kurzem noch mit ihren Eltern gelebt hat?“, meinte
Isabella, nachdem sie sich den Bericht des behandelnden Arztes angehört hatte. „Es ist auf jeden Fall besser, als diese, ihr fremde
Umgebung. Wie schon gesagt, rein körperlich geht es ihrer Cousine gut. Wir gehen
auch langsam dazu über, sie mit normaler Nahrung zu versorgen.“ „Aber ich kann mich doch unmöglich um sie kümmern, ich
weiß doch gar nicht, wie ich das anstellen soll.“, wandte Isabella hilflos ein. „Für die medizinische Versorgung, kann ich ihnen gerne
die Adresse eines mobilen Pflegedienstes geben. Ich kann allerdings nur wieder
betonen, dass für Signora Maria jetzt eine vertraute Umgebung wesentlich
fördernder wäre als ein unpersönliches Krankenzimmer.“ „Aber ich habe einen Job, zu
dem ich zurück muss. Ich hatte nicht vor, hier in Italien zu bleiben.“ Im selben Moment, in dem
Isabella dies sagte, bereute sie es auch wieder. Warum um alles in der Welt
sagte sie das? War ihr ihre Cousine, die letzte Familie, die sie noch hatte,
denn so egal? War ihr Job und ihre Karriere tatsächlich wichtiger als Maria? „Nun …“, sagte der Arzt nach einer Weile. „… es ist
natürlich unverantwortlich von mir zu verlangen, dass sie ihre Karriere aufs
Spiel setzen. Ich weiß wohl, wie schwer es ist in einem Beruf soweit Fuß zu
fassen, dass man einen festen Stand hat. Aber überlegen sie es sich.
Isabella hatte sich einen Wagen gemietet. Die Worte und nicht zuletzt der unterschwellig
anklagende Ton des Arztes verfolgten sie noch immer. War ihr der Job wirklich
wichtiger als Maria?
Immer wieder stellte sie sich diese Frage, doch auf eine eindeutige Antwort kam
sie nicht.
Groß und leer lag das Haus vor ihr auf dem Hügel.
Isabella hielt den Wagen in der Einfahrt und blickte zu dem alten Gebäude auf.
Dies war der Ort an dem
sie ihre Kindheit verbrachte, seit ihr Onkel und ihre Tante sie zu sich geholt
hatten.
Damals war Isabella drei Jahre alt. Erst verschwand ihr Vater,
einige Zeit später ihre Mutter. Isabella wusste nicht sehr viel über die Beiden, nur,
dass sie finanziell nicht sehr gut da standen. Ihre Mutter hatte mit der Familie
gebrochen und ihren Vater geheiratet. Als sie dann merkte, was für ein Mann er
war, war es bereits zu spät. Kurz bevor Isabella ein Jahr alt wurde verließ ihr
Vater sie und ihre Mutter; als sie drei war, verschwand ihre Mutter schließlich
auch. Den Verlust ihres Mannes hatte sie nie ganz überwunden und schließlich gab
sie Isabella zu ihrem Bruder, Isabellas Onkel, und verschwand
Ihr Onkel und ihre Tante
hatten Isabella aufgenommen und sie groß gezogen. Die ganze Zeit über hatten sie
nach ihrer Mutter gesucht, doch die Suche blieb erfolglos. Isabellas Mutter
blieb verschwunden.
Mit einer Tasse Tee saß die junge Frau am Fenster und
blickte nach draußen. Mittlerweile war es dunkel und Isabella konnte nur ihr
Spiegelbild im Fenster erkennen. Der Tee in ihrer Hand war längst erkaltet, und
die Tasse noch immer voll. Hunderte Gedanken gingen der jungen Frau durch den
Kopf. Immer wieder versuchte sie ihre Entscheidungen zu rekapitulieren, zur
ergründen, warum sie sich so entschieden hatte, wie sie es tat, doch oftmals
konnte sie es nicht verstehen. Es war beinahe so, als ob die junge Frau, die
jetzt am Fenster saß und die Frau, die nach Deutschland ging um Journalistik zu
studieren, zwei vollkommen verschiedene Personen waren
Die Beerdigung sollte noch vor
Dezember stattfinden. Bis zum Termin waren es noch knapp 2 Wochen. Isabella
hatte alle Hände voll zu tun. Die Planung verschaffte ihr jedoch die Möglichkeit
sich ganz auf eine Sache konzentrieren zu können. Auch wenn es eine so traurige
war, konnte sie doch den Gedanken an ihr Leben und ihre Entscheidungen
unterdrücken und sich nur ihrer Aufgabe widmen.
Die Trauerfeier fand nur im
engen Familien- und Freundeskreis statt. Isabellas Tante und Onkel wurden im
Familiengrab hinter dem Olivenhain beerdigt. Von dort aus hatte man einen
wunderbaren Blick auf den Vesuv und einen Teil des Meeres.
Auch
Maria war anwesend, obgleich sie wahrscheinlich nicht sehr viel mitbekam. Isabella hatte sie zu sich
geholt und wollte sie bis ins neue Jahr dort behalten. Der Probe halber, hatte sie dem Arzt gesagt, damit sie
sehen konnte, ob sie einer solchen Verantwortung auch gewachsen war
Jeden Morgen kam eine Dame vom
mobilen Pflegedienst und half Isabella ihre Cousine zu waschen und mit ihr die
Übungen zu machen. Felicitas hieß die Frau. Sie war Ende dreißig und ein
herzensguter Mensch. Unermüdlich erklärte sie Isabella all die Dinge, die man
beachten musste, wenn man sich um eine Person wie Maria kümmerte. Wie man sie
hochhebt, ohne das es Schmerzen verursacht, welche Übungen für welche Muskeln am
besten geeignet waren und warum man mit den Personen reden sollte, auch wenn sie
einen vermutlich nicht registrierten. Isabella fand dies zu keinem Zeitpunkt merkwürdig.
Immerhin war sie Journalistin und war es gewohnt zu reden. Zuerst redete sie
über alltägliche Dinge. Erzählte von ihren Jobs in den USA oder Südamerika.
Später fing sie an über ihre Träume zu sprechen. Immer phantastischer wurden sie
und schon bald träumte Isabella wieder ganze Geschichten
Früher hatte Isabella eine
lebhafte Phantasie gehabt, doch mit der Zeit wurde sie von rationalem Denken
verdrängt. Erst jetzt kam sie nach und nach wieder zum Vorschein und all die
fantastischen Geschichten, die Maria als Kind so sehr geliebt hatte, fielen
Isabella nun wieder ein.
Sie erzählte von den Abenteuern der beiden Mädchen
während ihrer Fahrt mit der Nautilus, von der turbulenten Reise mit Phineas Fog
in 80 Tage um die Welt und nicht zuletzt wie es Frodo dank ihnen gelungen war
den Ring der Macht in den feuern des Schicksalsberges zu vernichten. Auch neue Geschichten dachte
sie sich aus, inspiriert von ihren Träumen
Jeden Tag gab es eine andere
Geschichte, wie in einem Adventskalender. Jeden Tag ein neues Abenteuer der beiden Frauen in
einer Welt aus Märchen und Legenden
Täglich nahm Isabella ihre
Cousine mit nach draußen, legte ihr eine warme Decke über die Beine und schob
sie in ihrem Rollstuhl durch den Olivenhain, hinauf zum Grab ihrer Eltern, wo
sie eine Blume ablegten.
Maria allerdings blieb weiterhin stumm und
lethargisch. Noch immer war ihr Blick in die Ferne gerichtet und niemals gab sie
Anzeichen dafür, dass sie wusste, was um sie herum passierte, geschweige denn,
wer bei ihr war.
Schließlich stand Weihnachten vor der Tür. Felicitas hatte über die
Feiertage frei bekommen. Erst wollte die Agentur jemand anderes schicken, doch
Isabella hatte abgelehnt. Sie war sich sicher genug um für 3 Tage alleine auf
Maria acht geben zu können und sollte widererwartend etwas unvorhergesehenes
passieren, hatte sie genügend Notfallnummern
Vincenzo und seine Frau kamen
zum Weihnachtsessen und brachten einen wundervollen Braten mit. Im Anschluss
fuhren sie alle zusammen ins Dorf hinunter um am abendlichen Gottesdienst
teilzunehmen.
1 Jahr später …
Es läutete. Die Tür wurde geöffnet und ein
älterer Mann, mit einem großen Paket auf dem Arm stand davor. „Signora Isabella Tratini?“,
fragte er etwas gepresst. Isabella nickte. „Ich habe hier ein Packet für sie, wo soll ich es
abstellen?“ „Stellen
sie es hier ab, bitte.“ Isabella deutete auf die weiße Kommode im Flur. Keuchend
trug der Bote das Packet in den Flur. Nachdem er es abgestellt hatte, wischte er
sich mit einem Taschentuch über Stirn und Nacken und zog dann ein Gerät hervor,
auf welchem Isabella unterschreiben sollte. „Einen schönen Tag wünsche ich noch, Signora.“ Der
Bote tippte sich mit dem Finger an den Hut und verschwand wieder
Isabella drehte sich um und
sah Maria im Rollstuhl auf sich zurollen. Ein neugieriger, fragender Ausdruck
lag auf ihrem Gesicht.
Isabella zögerte, das Packet zu öffnen. Maria stellte sich neben sie und legte
ihr mit einem sanften lächeln die Hand auf den Arm. „Ein bisschen mulmig ist mir schon …“ flüsterte
Isabella und schaute erst zu Maria, dann wieder zu dem großen Packet auf der
Kommode. Maria drückte leicht ihre Hand und nickte ihr aufmunternd zu. „Also gut!“ Isabella atmete
tief durch und holte die Schere aus einer der Schubladen. Schnell zerschnitt sie
das Klebeband und öffnete den Karton. Sie griff hinein und holte einen
Briefumschlag heraus. Einen Moment lang schaute sie ihn an, dann öffnete sie ihn
sorgfältig und holte den gefalteten Brief heraus
> Signora Isabella Ich freue mich Ihnen die ersten Exemplare ihres Buches
zusenden zu können.
Weihnachten ist zwar erst in einem Monat, aber ich denke, gegen ein verfrühtes
Weihnachtsgeschenk wird das Christkind nichts einzuwenden haben, besonders dann
nicht, wenn es sich um ein so schönes Buch wie das Ihre handelt
Ich wünsche ihnen viel Spaß
mit ihrem ersten eigenen Buch und hoffe, schon bald den nächsten Band von ihnen
zu lesen.
Liebe, vorweihnachtliche Grüße auch an Signora Maria. Ihre Verlegerin, Miriam <
Isabella legte den Brief
beiseite und holte ein nagelneues Buch heraus. Auf dem Cover waren Olivenbäume
abgebildet, in dessen Schatten die Siluetten zweier Mädchen zu sehen waren.
Eines der beiden Mädchen saß im Rollstuhl und der Wind spielte mit ihren Haaren.
Im Hintergrund ragte der Vesuv empor und der Golf von Neapel glitzerte in der
Sonne. >Magisches
Italien< war auf dem Cover zu lesen. Und darunter >Band 1: Die Feen im
Olivenhain<
Ein Schlüssel drehte sich im Schloss und Felicitas
stand in der Tür, in der Hand eine Flasche Champagner. „Ich habe den Postboten auf meinem Weg hierher
gesehen. Ist das Packet endlich da?“ Sie stieß einen Jubelschrei aus, als sie
das Buch in Isabellas Händen erblickte. „Es ist da! Oh Isabella, ich freu mich so für dich.
Eurer Buch ist endlich erschienen!“ Stürmisch umarmte sie die beiden jüngeren
Frauen. „Lasst uns
feiern! Ich habe extra Champagner gekauft!“ Felicitas ging in die Küche und fing an nach den guten
Gläsern zu suchen.
„Nur dank dir konnte ich es schreiben …“, flüsterte
Isabella, doch Maria schüttelte nur den Kopf und schaute ihr mit einem warmen
Lächeln in die Augen. Sie hob die Hand und strich Isabella leicht über die
Wange. „Ich hab die
Gläser gefunden! Wo bleibt ihr denn?“ rief Felicitas aufgeregt und streckte
ihren Kopf aus der Küchentür. „Wie kommen schon.“ Isabella winkte kurz. Zärtlich nahm sie Marias Hand und hauchte einen
kleinen Kuss auf die Innenfläche.
Anna Maske
Im April 1984 geschlüpft und aufgewachsen in der
wunderschönen Mecklenburgischen Schweiz.
Ich lese, schreibe und zeichne gerne. Im Moment hole ich mein Abitur in der Abendschule
nach und jobbe Tagsüber bei McPaper. Ich habe ein schöne, große Altbauwohnung in
Wiesbaden, die ich mir mit zwei Ratten und einer Häsin teile. Nebenbei arbeite ich, sodenn
es meine Freizeit zulässt, an einem Buchprojekt; doch worum es geht wird
allerdings noch nicht verraten. Ich liebe ChaiTee und Zartbitterschokolade und
natürlich Nostalgiekonsolen wie den SupeNintendo, an den ich mich von Zeit zu
Zeit hocke um Zelda oder LufiaII zu spielen.
Meine Lieblingsfarbe ist
Preußisch Blau und meine Lieblingstiere Frösche und Ratten.
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