Mecklenburger Winter
Nicht
einmal der kälteste Winter und spiegelglatte Fahrbahnen können den Triathleten
und Sportfanatiker Kai davon abhalten sein tägliches Trainingsprogramm zu
absolvieren. Das endet eines Tages mitten in einer Schneewehe, als ihn der Wind
samt Fahrrad von der Straße drängt. Zum Glück hilft ihm der 17-jährige Leonard,
der Kais Missgeschick vom Auto aus beobachtet hat. Die beiden ungleichen Männer
lernen sich kennen und Kai, der offen schwul lebt, findet Gefallen an seinem
Retter. Dieser kann zunächst nichts mit den Avancen des Sportlers anfangen,
findet in Kai jedoch einen Freund, der für all seine Probleme ein offenes Ohr
hat. Und davon hat Leon dank seines homophoben Vaters eine Menge, da er aufgrund
seines schmalen Körperbaus permanent als Schwuchtel tituliert wird und dank der
Arbeit auf dem Reiterhof seiner Familie kaum Freunde hat. Aus diesem Grund gilt
seine ganze Aufmerksamkeit seinem Springpferd Bella, mit der er bereits einige
Turniere für sich entscheiden konnte. Dementsprechend schlecht stehen Kais
Chancen zunächst den jungen Mann für sich zu gewinnen, doch mit viel Geduld und
Ausdauer erkämpft er sich einen Platz als Freund an Leons Seite. Nach und nach
vertieft sich die Freundschaft der beiden und es wird offensichtlich, dass Leon
ebenfalls nur an Männern interessiert ist. Aus Angst vor seinem Vater und davor
als Schwuchtel in der ländlichen Gegend endgültig als Außenseiter dazustehen,
verleugnet Leon jedoch seine Gefühle und will nichts davon wissen. Kai muss all
seine Geduld aufbringen, um seinen Freund behutsam aus seinem Schneckenhaus zu
locken und eine zarte Beziehung aufzubauen. Doch damit beginnen erst ihre
Probleme, denn Leon weigert sich offen zu Kai zu stehen und sich vor seiner
Familie zu outen, zumal unter der Oberfläche einige Geheimnisse schlummern, die
Leons Eltern immer vor ihrem Sohn geheim gehalten haben …
Mit „Mecklenburger Winter“ legt die in der homoerotischen
Literatur bekannte und beliebte Autorin Chris P. Rolls ihren ersten
umfangreichen Roman vor. Waren ihre ersten Bücher lediglich 200-300 Seiten lang,
so erwartet den Leser hier ein 500 Seiten Schmöcker, der tief in die ländliche
Gegend Mecklenburgs entführt und deutlich zeigt, wie eng die Autorin mit der
Gegend verwurzelt ist. Die Geschichte bietet nicht unbedingt etwas Neues –
eine typische Coming-Out Story mit viel (stellenweise kitschiger) Romantik und
einer gehörigen Portion Dramatik. Das erste Drittel des Buches zieht sich ein
wenig, da sich die Beziehung zwischen Kai und Leon nur sehr langsam entwickelt
und es Geduld erfordert, bis es endlich vorangeht. Wer durchhält wird belohnt,
denn ab dem 20. Kapitel geht es Schlag auf Schlag und es fällt zunehmend
schwerer das Buch aus der Hand zu legen. Der Vergleich mit einem Triathlon ist
an dieser Stelle gar nicht mal verkehrt, da „Mecklenburger Winter“ vom Aufbau
her sehr an einen solchen Wettkampf erinnert. Ein großer Pluspunkt sind die
Protagonisten, die sehr einfühlsam und realistisch in Szene gesetzt sind. Sowohl
Kai, der dem Leser schnell durch seine offene und lockere Art and Herz wächst,
als auch Leon, der im Laufe der Geschichte immer weiter aufblüht und spürbar
erwachsen wird, sind sehr überzeugend und nachvollziehbar dargestellt. Man kann
sich in beide Figuren hineinversetzen, obwohl das Buch komplett aus Kais Sicht
erzählt wird. Auch die Nebenfiguren wirken weder aufgesetzt, noch unrealistisch.
Es ist schön, dass sich die Autorin auch damit befasst hat, wieso Leons Vater so
homophob ist und welche Ereignisse zu dessen Verhalten führen. Dies verleiht dem
Buch eine zusätzliche Tiefe, da der „Böse“ nicht einfach nur böse ist, weil er
diese Rolle zugewiesen bekommen hat.
Stilistisch kann „Mecklenburger Winter“ ebenfalls voll und
ganz überzeugen. Der Roman lässt sich angenehm lesen und Chris P. Rolls
Schreibstil ist flüssig, egal ob sie die winterliche Landschaft Mecklenburgs,
die sportlichen Übungen und Wettkämpfe von Leon oder Kai oder die erotischen
Spiele zwischen den beiden beschreibt. Dank ihres großen Wortschatzes wird es
nie langweilig, auch wenn sich hin und wieder Wiederholungen (gerade, wenn es um
Erklärungen einiger Begrifflichkeiten geht) und kleine Rechtschreibfehler
einschleichen. Dafür hat sich die Autorin wirklich über das Reiten, den
Triathlon und die sportlichen Fachbegriffe informiert und kann daher den
Sportfanatiker Kai sehr gut in Szene setzen. Nur hin und wieder tauchen einige
Ungereimtheiten auf (z.B. Kais Ernährung, die zwar leistungssportgerecht
beschrieben ist, er aber zu Beginn zu oft zur Tiefkühlpizza greift), die den
Leser stutzen lassen.
Insgesamt ist „Mecklenburger Winter“ ein sehr schönes,
stimmungsvolles Buch, das durch seine realistischen Figuren und den fesselnden
Schreibstil punkten kann. Die Geschichte bietet zwar nichts Neues, macht jedoch
Spaß und neugierig auf andere Projekte von Chris P. Rolls, insbesondere da
Charaktere aus anderen Romanen einen Gastauftritt in „Mecklenburger Winter“
erhalten. Wer realistische, alltägliche Bücher sucht und keine Probleme mit
kitschigen und erotischen Szenen hat, sollte zugreifen. Es lohnt sich.
Like a Dream bedankt sich herzlich bei Chris P. Rolls für das
Rezensionsexemplar.
Titel:
|
Mecklenburger Winter |
Autor: |
Chris P. Rolls |
Genre: |
Romance/Yaoi |
Verlag: |
Createspace
(Eigenverlag), 2012 |
Preis: |
14,95 Euro |
ISBN: |
978-1481871310 |
Bestellen: |
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Bildcopyright:
Die im Zusammenhang mit diesem Artikel verwendeten Bilder und Coverscans
unterliegen dem Copyright von Chris P. Rolls.
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