Der alte
Mann im Mond (Gastrezension: Tanja Meurer)
Christy
lebt mit seinem großen Bruder Azzel und seiner trunksüchtigen Mutter zusammen in
einem verlebten Haus. Die Verhältnisse sind schlecht, insbesondere weil Azzel
seinen kleinen (Halb-) Bruder permanent missbraucht, ihn demütigt und auf ihn
herab sieht, da Christy ein Halbblut ist (ein indianisch negroider Mischling).
Um den Ansprüchen Azzels zu entsprechen, lässt Christy alles mit sich machen. Im
Gegenzug dafür erzählt ihm sein Bruder viele der alten Geschichten, die die
Geheimnisse der Welt beinhalten. Trotzdem will Christy mehr. Die Sitaution
eskaliert für ihn, ale er einen halbgerzigen Versuch unternimmt, seine Freundin
Tini zu vergewaltigen, wobei er sie versehentlich mit einem Knüppel erschlägt.
Vollkommen entsetzt bittet er Azzel um Hilfe. Der geht darauf ein und bestattet
zusammen mit Christy das tote Mädchen. Der Kleine verwindet Tinis Tod nicht gut.
Erst als er die Bekanntschaft der bereits erwachsenen und sehr mütterlichen
Maria macht, findet er ein wenig Ruhe. Nur hat er nicht damit
gerechnet, dass sie auf seiner Spur ist. Als Azzel seine Mutter im Affekt tötet,
eskaliert die Situation…
Der Comic „Der Alte Mann im Mond“ besteht aus
vielen einzelnen Episoden, die sich „Die Söhne der
Schlange“„Weihnachtsgeschichte“, „Exodus“, die Prüfung“ und „Der Alte Mann im
Mond“ nennen. Zusammengefasst ergeben sie ein sehr komplexes 244-seitiges Album,
in dem es eher vordergründig um Erniedrigung, Missbrauch und Mord geht. In
Azzels Geschichten finden sich verschiedene biblische Hintergründe wieder,
flotter und sehr viel moderner erzählt, fern der verstaubten Moralvorstellung
und sehr eindrücklich. Andi beschreibt in den Geschichten die Überlappung der
Weltreligionen und der heidnischen Götterkulte (die sich wirklich in vielen
Punkten überlappen, gleichen, oder Parallelverläufe nehmen). Er erschaft damit
ein Multiversum, was schnörkelfrei, wenig heilig und sehr real herüber kommt.
Aber in erster Linie beschäftigt sich das Album mit der Frage der Schuld und der
Überlegung: was eine Seele ist.
Wie Punkrock Heartland ist der Comic sehr
dynamisch, manchmal etwas schwer zu lesen,
weil
einige Szenen zu kurz ausgearbeitet wurden, aber im Fazit weitaus
philosophischer, als viele andere Comics, Novellen, Alben und Mangas. Ähnlich
zu Punkrock Heartland springt Andi auch hier in den Zeitebenen der Erzählung. Zu
Anfang ist Christy noch ein recht junger Teen, während er zu Ende des Albums ein
erwachsener Mann ist. Die Geschichte macht Sprünge von 3 – 4, aber auch 10
Jahren. Christys Entwicklung ist dabei besonders beeindruckend, weil man einen
Eindruck dessen bekommt, woran er glaubt und was sein ständiger Antrieb ist.
Der Comic beinhaltet viele Querverweise und lehnt sich an das Christentum
an, genauso findet man als Basis Hindu-Kult und indianische Naturreligionen.
Insgesamt tritt Christy oft als Protagonist hinter die Philosophie der Novelle
zurück. Mit diesem Werk hat Andi etwas sehr Eigenes geschaffen, was entweder
fesselt oder abstößt. Wahrscheinlich wird es kaum eine Meinung im
Mittelfeld geben. Es mag auch sein, dass viele Leser sich an den expliziten
Sexszenen und dem Inzest zwischen den Halbbrüdern stören, aber der Comic regt
zum Nachdenken an und schillert – obwohl in flüchtigen, teils aggressiven
(besonders bei den Vergewaltigungsszenen), teils sehr liebevollen
Schwarz-Weiß-Bildern gehalten – in sehr eigenen, interessanten Farben.
Insgesamt unterstützt der Stil die Erzählung und heizt die Emotionen stark an.
Die Rahmenhandlung mit Inzest, Gewalt und Religionen steht letztlich hinter
einer Grundfrage zurück: wie schwer wiegt die Schuld, wenn man alles bereit ist
zu tun, um ein Verbrechen ungeschehen zu machen. Die zweite, sehr interessant
und schillernd gelöste Frage ist: was ist eine Seele und wo nimmt sie ihren
Anfang.
Dieses Album ist leider nur Online erhältlich über folgende
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Titel:
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Der
alte Mann im Mond
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Zeichner/
Autor:
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Andi
Lirium
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Genre:
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Fantasy/ Sci-Fi
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Verlag:
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Carlsen
Comics, 1992
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Preis:
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ISBN:
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Bildcopyright:
Die im Zusammenhang mit diesem Artikel verwendeten Bilder und Coverscans
unterliegen dem Copyright von Andi Lirium
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