Nightrunner - Das Licht in den Schatten
Als
der junge Jäger Alec ohne jeglichen Grund gefangen genommen und in die Kerker
von Asengai geworfen wird, glaubt er sein Leben sei zu Ende. Doch er hat nicht
mit seinem Zellengenossen Rolan Silberblatt gerechnet, einem reisenden Barden,
der den Jungen bei seiner Flucht kurzerhand mit sich nimmt. Alec, der die Gegend
kennt, wird von Rolan als Führer angeheuert und zusammen machen sie sich auf den
Weg nach Wolde. Schon bald erfährt jener, den wahren Namen seines Retters -
Seregil - und dass der Mann genauso viele Namen wie Gesichter besitzt. Zudem
arbeitet er als Spion und Dieb und da sein Kompagnon sehr geschickt ist und über
eine hohe Auffassungsgabe verfügt, nimmt Seregil den Jungen in die Lehre. Ihre noch junge
Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt, als Seregil Lord Mardus, einem
Adeligen aus dem kriegerischen und feindlichen Plenimar, eine seltsame
Holzscheibe entwendet und sich mit dieser auf den Weg nach Rhiminee, der
Hauptstadt Skalas, macht. Denn auf dem Weg verschlechtert sich Seregils Zustand
dramatisch und Alec hat alle Hände voll zu tun, den jungen Mann lebend in die
Stadt zu bringen. Dort wird er bereits von Sergils Freund Nysander, einem alten
und mächtigen Zauberer erwartet, der gesteigertes Interesse an dem Diebesgut
hat. Hier erfährt der ehemalige Jäger auch, dass sein Freund zu der geheimen
Gruppe der Beobachter (Nightrunner) gehört, Spionen die direkt für Nysander und
Idrilain, der Königin des Landes arbeiten. Da sich Alec als vertrauenswürdig
erwiesen hat, wird er in den Kreis aufgenommen und damit Seregils fester
Begleiter und Schüler. In den kommenden Wochen
lebt sich Alec in der fremden Stadt ein und erlernt von Seregil das
Diebeshandwerk, den Schwertkampf und die gesellschaftliche Etikette. Zudem wird
er Seregils Begleiter, wenn es um Einbrüche und Spionageaufträge geht. Doch die
friedlichen Tage verblassen, als Plenimar zum Krieg rüstet und die
königsfeindlichen Leraner ein Komplett gegen Königin Idrilain schmieden. Zudem
scheint Mardus Holzscheibe doch nicht ganz so harmlos zu sein, wie ursprünglich
angenommen, doch Nysander verweigert jegliche Auskunft … Mit "Die Schattengilde -
Das Licht in den Schatten" von Lynn Flewelling erschien bereits Mitte der 90er
Jahre der erste Band der "Nightrunner" Serie bei Bastei Lübbe und markiert den
Beginn einer Serie, die noch heute fortgeführt wird. Dabei führen die jeweiligen
Romane durchaus die wichtigsten Handlungsstränge zu Ende und können für sich
stehen. Dennoch sollte man die Bücher kontinuierlich lesen, da die Geschichten
aufeinander aufbauen. Insbesondere die ersten beiden Geschichten gehören
zusammen, da diese von der Autorin ursprünglich als ein Buch verfasst wurden.
Aufgrund der Liebesbeziehung, die sich im Laufe der Bände zwischen Alec und
Seregil entwickelt, hat die Reihe eine stetig wachsende, weltweite Fanbase, mit
deren Mithilfe Lynn Flewelling 2010 sogar den Kurzgeschichtenband "Glimpses"
schrieb, der 4 Kurzgeschichten und etliche Fanarts enthält. Lynn Flewelling baut
eine sehr komplexe, vielschichtige Handlung auf, die besonders durch ihre
liebenswerten Charaktere und die gut strukturierte Fantasywelt zu punkten weiß.
Letztere ist zeitlich ungefähr in der Renaissance angesiedelt und bis ins
kleinste Detail geplant, seien es nun politische Hintergründe, der
Götterglauben, die existierenden Rassen und Wesen oder die gesellschaftlichen
Strukturen - die Autorin hat einen Hang dazu ihre Welt bis ins kleinste Detail
zu beleuchten. Mitunter schleichen sich hierbei allerdings die ersten Mankos
ein, da viele Nebensächlichkeiten zu ausschweifend beschrieben werden und
dadurch die Spannung immer wieder abfällt. Dadurch zieht sich die Geschichte
immer wieder ein wenig, was schade ist, da die Grundgeschichte alles andere als
uninteressant ist. Dafür erhält der Leser einen tiefen Einblick, so dass es
nicht schwer fällt, sich die Orte und Länder vorzustellen. Zudem ist es
angenehm, dass Lynn Flewelling auf die üblichen Fantasyrassen wie Zwerge, Elfen
und Orks verzichtet. So existieren zwar die langlebigen Faie und Magier, doch
diese sind von ihrem Grundkonzept her sehr interessant und ungewöhnlich
aufgebaut. Die ungewöhnlichen und
interessanten Charaktere sind ein weiterer Pluspunkt, da ihnen im Laufe der
Geschichte besonders viel Zeit für eine Entwicklung gewährt wird. Dieser Punkt
mag vielen nicht gefallen, da die eigentliche Rahmenhandlung stellenweise
Hunderte von Seiten lang stagniert, doch in dieser Zeit lernt der Leser die
Charaktere kennen und lieben. Lynn Flewelling hat ein charakterlastiges
Fantasywerk geschaffen. Sie räumt Alec, Seregil und ihren Freunden viel Platz
ein, um sich weiterzuentwickeln. Besonders Alec verändert sich im Laufe der
Geschichte, reift heran und findet einen Platz im Leben. Seregil, der als
Aurënfaie wesentlich älter ist, als es den Anschein hat und einige Geheimnisse
hütet, steht seinem jungen Freund dahingehend in nichts nach. Auch er reift im
Laufe der Handlung, wenngleich er in Rhiminee mehr als ein Leben führt. An
dieser Stelle sei erwähnt, dass Seregil zwar auch an Frauen interessiert ist,
jedoch eher männliche Liebhaber bevorzugt. Dies ist in Lynn
Flewellings Welt vollkommen normal - Homosexualität ist weder ungewöhnlich noch
verpönt. Im Laufe der Zeit wird zunehmend klar, dass Alec und Seregil mehr
verbindet als bloße Freundschaft. Zwar entwickelt sich die Beziehung der beiden
erst im zweiten Band, doch sie bleibt durchweg natürlich und realistisch, ohne
von der eigentlichen Geschichte abzulenken. Es ist bewundernswert, dass es Lynn
Flewelling bereits der 90er Jahre gelang in einem solchen Genre einen
bisexuellen Hauptcharakter zu etablieren. Wahrscheinlich liegt das daran, dass
sie Seregils Vorlieben keinen allzu großen Spielraum gibt, sondern sich
hauptsächlich auf die eigentliche Geschichte konzentriert. Stilistisch ist "Das
Licht in den Schatten" Geschmackssache. Lynn Flewelling hat eine sehr
ausschweifende Schreibe, liebt es ihre Welt bis ins kleinste Detail zu
präsentieren und verliert sich manchmal allzu sehr in Seitensträngen oder
Randcharakteren. Zudem sind einige Seitenfiguren sehr stereotyp geraten, allen
voran Beka Cavish, die Tochter von Seregils Freund Micum, oder der weise Magier
Nysander. Auch wird die Welt zu sehr in schwarz und weiß klassifiziert, was auf
die Dauer doch ein wenig nervend ist. Die Plenimaraner sind einfach nur "die
Bösen", ohne dass diese näher beleuchtet werden. Was auch nicht unbedingt
angenehm ist, sind die vielen Perspektivwechsel innerhalb der Geschichte. Lynn
Flewelling springt munter zwischen den Figuren hin und her - mal wird aus Alecs
Sicht erzählt, dann wird zu Seregil oder Nysander übergeschenkt. Das macht es
mitunter schwer sich mit einer Figur zu identifizieren.
Alles in allem ist „Die
Schattengilde - Das Licht in den Schatten“ ein interessanter Auftakt einer
längeren Fantasyreihe, der besonders durch seine detaillierte Welt, das Mantel
und Degen - Feeling und die liebenswerten Charaktere zu punkten weiß. Wer
Charakterfantasy mag und sich nicht von den ausschweifenden Beschreibungen und
den vielen Perspektivwechseln stören lässt, sollte einen Blick riskieren. „Die
Schattengilde“ ist fesselnd und macht Lust auf mehr. Es ist schade, dass die
deutsche Fassung nicht mehr so einfach zu finden ist. Doch da die Übersetzung
sowieso stark hinkt, empfehle ich jedem zum Original zu greifen. Im Vergleich zu
den deutschen Bänden sind die englischen Romane wesentlich besser … Nichtsdestotrotz lässt
sich das Buch nur schwer aus der Hand legen. Lynn Flewelling hat ein Händchen
dafür den Leser bei der Stange zu halten und streut an den passenden Stellen
eine Prise Humor ein, um das Geschehen aufzulockern. Das beweist, dass sie
durchaus ihr Handwerk versteht. Das größte Manko an "Das
Licht in den Schatten" ist jedoch die deutsche Fassung. Die Übersetzung strotzt
nur so vor Fehlern (insbesondere Rechtschreib - und Zeichenfehler),
kompliziertem Satzbau und unnötigen Eindeutschungen von Orten und Namen. So
wurde beispielsweise der Titel "Luck in the Shadows" mit "Licht in den Schatten"
übersetzt, was vollkommen unpassend ist, da der Originaltitel eine geflügelte
Bezeichnung innerhalb der Bücher ist. Da in den Folgebänden andere Übersetzer am
Werk waren, wird vieles anders ausgedrückt, so dass hier eindeutig die
Kontinuität fehlt. Da die Bücher unterdessen vergriffen sind, bleibt zu hoffen,
dass es bei einer Neuauflage auch zu einer Neuübersetzung kommt, um die vielen
Fehler auszumerzen. Alles in allem ist "Die
Schattengilde - Das Licht in den Schatten" ein interessanter Auftakt einer
längeren Fantasyreihe, der besonders durch seine detaillierte Welt, das Mantel
und Degen - Feeling und die liebenswerten Charaktere zu punkten weiß. Wer
Charakterfantasy mag und sich nicht von den ausschweifenden Beschreibungen und
den vielen perspektivwechseln stören lässt, sollte einen Blick riskieren. "Die
Schattengilde" ist fesselnd und macht Lust auf mehr. Es ist schade, dass die
deutsche Fassung nicht mehr so einfach zu finden ist. Doch da die Übersetzung
sowieso stark hinkt, empfehle ich jedem zum Original zu greifen. Im Vergleich zu
den deutschen Bänden sind die englischen Romane wesentlich besser …
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