Phillips Bilder
Phillip
ist zwanzig Jahre alt, schwul und weiß nicht so recht wohin er in seinem Leben
will. Da ihm das Fotografieren gefällt, erwägt er ein entsprechendes Studium,
während sein Vater darauf hofft, dass sein Sohn eine Ausbildung in seinem
Fotogeschäft macht, um dieses irgendwann zu übernehmen. Mit sich selbst
unzufrieden, geht er einer Entscheidung aus dem Weg und nistet sich für einige
Tage bei Benjamin und dessen Lebenspartner David ein, die er nur flüchtig aus
seiner Kindheit kennt.
In Benjamins Garten trifft er auf den unkomplizierten Seth, den nicht nur einige
Geheimnisse umgeben, sondern der ihn über die Maße fasziniert. Ohne über die
Konsequenzen nachzudenken beginnt er eine Affäre mit Seth, doch er bemerkt
schnell, dass er den jungen Mann nicht dauerhaft an sich binden kann. Zudem ist
er noch immer von Benjamin und David fasziniert, was für zusätzliches
Gefühlschaos sorgt …
Mit „Phillips Bilder“ legt Jana Walther eine lose Fortsetzung von „Benjamins
Gärten“ vor und entführt den Leser erneut in das sommerliche Dorf, in dem auch
ihr Debütroman spielte. Man muss „Benjamins Gärten“ nicht zwingend kennen, doch
es ist durchaus hilfreich, um die Querverbindungen und die vielen Andeutungen
und Hintergründe besser verstehen zu können. Für diejenigen, die Jana Walters
erstes Buch bereits kennen, ist es eine schöne Fortsetzung, die aufklärt, wie es
Benjamin in den letzten Jahren ergangen ist, immerhin ist dieser unterdessen
Mitte 20 und steht mit beiden Beinen im Leben. Dennoch ist er nicht der
Hauptcharakter der Geschichte. Wie der Titel schon suggeriert geht es um Phillip
– Benjamin und David sind eher wichtige Nebenrollen, die einen stimmungsvollen
Rahmen für Phillips Entwicklung geben.
„Phillips Bilder“ ist eine sehr schöne, intensive Coming-of-the-Age Story, in
der es viel wichtiger ist, wie sich der Hauptcharakter entwickelt.
Dementsprechend intensiv sind die Beschreibungen seiner Gefühle und Gedanken.
Der Leser erfährt viel über Phillip, seine Probleme und seine
Orientierungslosigkeit, die wahrscheinlich viele junge Leute in seinem Alter
plagt. Wie schon bei „Benjamins Gärten“ ist die Geschichte ruhig, in sich
stimmig und sehr atmosphärisch. Jana Walther legt weniger Wert auf eine
kontinuierliche Handlung, als auf die Entwicklung ihrer Charaktere, so dass auf
den ersten Blick nicht viel passiert. Der Roman umfasst grob die Zeitspanne
einer Woche und in dieser Zeit lässt sich Phillip vorwiegend treiben, sinniert
über sein Leben und versucht eine Entscheidung zu treffen. Sein Kontakt zu Seth
bringt seine Gefühlswelt gehörig durcheinander, doch niemals wird Jana Walther
kitschig oder unrealistisch. Wie schon in ihren anderen Romanen gelingt es der
Autorin die Charaktere gänzlich normal und nachvollziehbar zu gestalten. Es gibt
weder große Liebesschwüre noch ausgewalzte Sexszenen. Alles kommt natürlich und
still daher, ohne dass dieser Part der Geschichte unnötig ausgedehnt wird. Auf
diesem Weg baut die Autorin durchaus eine ruhige Romanze in die Handlung ein,
ohne ihren Charakter und dessen Entwicklung aus den Augen zu verlieren. Denn
Phillips Gefühlswelt umfasst nicht nur Seth und sein Interesse an Benjamin und
David, sondern auch seine Unentschlossenheit hinsichtlich seiner Zukunft, den
Tod seiner Mutter und das gespannte Verhältnis zu seinem Vater.
Phillip, der Ich-Erzähler der Geschichte, wirkt ein wenig unnahbar, ziellos und
antriebslos. Dies ändert sich im Laufe der Zeit, als er wieder beginnt zu
Fotografieren und seine Umgebung mit anderen Augen wahrzunehmen. Er entwickelt
sich spürbar weiter, auch wenn dies nur durch kleine Andeutungen und indirekte
Hinweise erfolgt. Der Leser muss bei Phillip durchaus zwischen den Zeilen lesen,
um seinen Charakter und seine Gedanken vollständig zu erfassen. Mit Seth
stellt die Autorin einen ungewöhnlichen jungen Mann vor, der frei in den Tag
hineinlebt ohne sich um jemanden Gedanken zu machen. Er ist in seiner Freiheit
und Ungezwungenheit in gewisser Weise das Gegenteil von Phillip, wenngleich es
viele Aspekte gibt, in denen sich die beiden komplett unterscheiden. Dies macht
das Zusammenspiel der beiden interessant und sorgt für eine ganz besondere
Dynamik. Auch die anderen Figuren sind interessant und tiefgründig. Benjamin,
der man als unsicheren und ziellosen jungen Mann in „Benjamins Gärten“
kennengelernt hat, hat seinen Platz im Leben gefunden. Für den Leser ist es
spannend ihn aus Phillips Sicht neu kennenzulernen. Auch David, der in Jana
Walthers Debüt nur am Rande vorkam, ist eine interessante neue Figur, die sich
sehr gut in die kleine, idyllische Welt einfügt.
Wer Jana Walthers Bücher kennt, weiß um ihren eleganten, ungewöhnlichen Stil,
der auch „Phillips Bilder“ angenehm aus der breiten Maße heraushebt. Sicherlich
ist ihr Schreibstil Geschmackssache, weswegen es sich empfiehlt im Vorfeld einen
Blick in die Leseprobe zu werfen, doch er passt sehr gut zum Thema und den
Figuren. Die Autorin arbeitet mit kurzen, stimmungsvollen Sätzen, verzichtet auf
übermäßige Schnörkel und erzählt die Geschichte unverblümt und direkt. Hin und
wieder verwirrt der Wechsel zwischen zweiter und dritter Person, wenn Phillip
Seth beschreibt (sprich mal als du, mal als er), doch daran gewöhnt man sich
schnell, da Jana Walther dieses Stilmittel öfter benutzt, um zu zeigen, wann
Phillip sich Seth besonders nahe fühlt und wann er ihn distanzierter wahrnimmt.
Neben den sehr stimmungsvollen, atmosphärischen Szenen und Dialogen zwischen den
Figuren, verliert sich die Autorin oftmals in den Beschreibungen der
Örtlichkeiten, so dass man sich sowohl Benjamins Haus und Garten, als auch die
alte Fabrik und die Umgebung sehr gut vorstellen kann. Jana Walther erweckt mit
einfachen, treffenden Worten das sommerliche Dorf zum Leben. Als Leser spürt man
die Hitze der Sonne, hört den Wind in den Bäumen und den Kater Jurek im Gras.
Wie schon bei „Benjamins Gärten“ erlebt man die Geschichte sehr nah und
intensiv, was „Phillips Bilder“ zu einer sehr guten Fortsetzung und einem
wundervoll geschrieben Roman macht.
Mit „Phillips Bilder“ gelingt Jana Walther eine stimmungsvolle, atmosphärisch
dichte und überzeugende Fortsetzung ihres Debüts, bei dem einmal mehr die
Charaktere und deren Entwicklung im Zentrum stehen. Dank des eleganten,
anspruchsvollen Schreibstils und der ruhigen Thematik ist der Roman eher etwas
für Fans anspruchsvollerer Literatur, im Stil von André Aciman und Alain Claude
Sulzer. Zu empfehlen.
Titel:
|
Phillips Bilder |
Autor: |
Jana Walther |
Genre: |
Alltag, Drama |
Verlag: |
Dead Soft Verlag, 2013 |
Preis: |
12,95 Euro |
ISBN: |
978-3944737027 |
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Bildcopyright:
Die im Zusammenhang mit diesem Artikel verwendeten Bilder und Coverscans
unterliegen dem Copyright von Dead Soft Verlag / Jana Walther.
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