Prinzen

Die Zwillinge Indigo und Ravel Kesby gleichen sich aufs Haar. Nicht einmal ihre Eltern sind in der Lage sie optisch auseinander zu halten, weswegen sie zumeist einfach als „die Zwillinge“ vorgestellt werden. Aus diesem Grund stehen sich Indigo und Ravel sehr nahe; eine Beziehung die verstärkt wird, als ihre Eltern plötzlich verreisen und nie wieder auftauchen. Von da an leben die beiden allein, zusammen mit einem Haufen Ratten, in dem riesigen Elternhaus irgendwo in Australien. Während Indigo hin und wieder nach draußen geht, um Einzukaufen oder Rechnungen zu begleichen, verlässt Ravel das Haus gar nicht mehr. Der Strom ist schon vor einiger Zeit abgestellt, Telefon und Fernsehen funktionieren demnach nicht. Als auch noch das Geld knapper wird, scheint die Lage immer verzwickter zu werden. Ravel beschließt sich wieder nützlich zu machen, und will sich einen Job suchen, stößt damit jedoch auf heftigen Wiederstand seitens Indigos. Immerhin war Indigo als Erstgeborener immer der stärkere der beiden Brüder, der das Ruder fest in der Hand hält und sich ungern aus dieser Position verdrängen lässt.
Ravel muss bald begreifen, dass sein Wunsch zu arbeiten etwas in seinem Bruder ausgelöst hat, was ihn in tödliche Gefahr bringt. Schlagartig sind die Geldprobleme und die Hitze des australischen Sommers unwichtig; die Veränderung seines Bruders Indigo ist Ravels wahres Problem. Urplötzlich wird Ravel von Übelkeit und Schwindel heimgesucht. Allmählich wird er immer schwächer und kranker, während Indigo ihn pflegt und aufzupäppeln versucht.
Schließlich beginnt Ravel selbst nachzuspionieren, was Indigo plant und macht eine schreckliche Entdeckung. Er muss erkennen, dass Indigo jedes Mittel Recht ist, um Ravel an seiner Seite zu behalten und er sich nicht davor scheut das Leben seines Bruders aufs Spiel zu setzen. Um sich zu retten, muss Ravel schnell handeln, doch sein eigener Körper wird immer schwächer und es fällt ihm nicht leicht sich seinem Bruder entgegenzustellen, der alle Macht innerhalb des Hauses an sich zu reißen scheint…


Der Roman „Prinzen“ der australischen Autorin Sonya Hartnett erschien 2005 im Patmos Verlag. Entgegen erster Vermutungen handelt es sich keineswegs um einen Jugendroman, sondern richtet sich eher an ein erwachsenes Publikum. Auf knapp 165 Seiten lernt der Leser die Zwillinge kenne, erfährt in Rückblenden, wie Indigo und Ravel aufgewachsen sind und erfährt durch kleine erklärende Definitionen und Einschübe einiges über zentrale Themen und Hintergründe.
Die Geschichte spielt dabei komplett in dem Herrenhaus. Es handelt sich um ein düsteres Kammerstück, in dem Sonya Hartnett ein ungewöhnlich intensives und fesselndes Psychospiel inszeniert. Die einzigen Figuren, die in Erscheinung treten sind Ravel und Indigo, alle anderen tauchen nur in Rückblenden und Erzählungen auf, weswegen man als Leser eine sehr starke Bindung zu Indigo und Ravel aufbaut. Das hat zur Folge, dass man den schleichenden Wahnsinn, der beide irgendwann gefangen nimmt, sehr deutlich spürt und sich ein wenig an Hitchcock erinnert fühlt, der mit seinen Filmen ähnliche Empfindungen auslösen konnte. Neben dem unheimlichen Elementen und den Horror/ Psycho- Sequenzen begibt sich die Autorin auch noch ein wenig in Richtung Philosophie, da es sich durchaus auch um die Fragen „Wer bin ich?“ und „Was macht mich zu dem, der ich bin?“ dreht. Die intensive Beziehung zwischen den Charakteren und die extreme Bindung der Zwilling deuten zudem ein wenig die Thematik Inzest an, auch wenn man dieses Motiv nur in geringen Andeutungen findet und Sonya Hartnett selbst den Ansatz nicht weiterverfolgt.
Der Schreibstil ist fesselnd, spannend und durchgängig sehr gut geschrieben; die knapp 170 Seiten lassen sich daher einfach in einem Zug durchlesen. Sonya Hartnett versteht es auf wenigen Seiten eine spannende Geschichte zu erzählen und dabei ein überaus interessantes Anagramm zweier Jungen zu zeichnen, die nur sich selbst kennen, lieben und hassen.


Wer Psychothriller mag und düsteren Geschichten mit subtilem Horror nicht abgeneigt ist, sollte unbedingt einen Blick in „Prinzen“ werfen. Es ist ein ungewöhnlich gutes, fesselndes Buch, das mehr verspricht, als man glaubt. Leider ist es nur noch gebraucht erhältlich, lässt sich jedoch recht leicht finden. Zu empfehlen… 

 

Titel:

Prinzen
Autor: Sonya Hartnett
Genre: Drama, Mystery
Verlag: Patmos/ Sauerländer
Preis: vergriffen, gebraucht ab 1,00 Euro
ISBN: 978-3794170401
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Bildcopyright:
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