"Trau-Schau-Wem!" von W. Berner

Genre: Comedy, Alltag

 

Eine Geschäftsreise! Ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit! Und dann auch noch nach Frankfurt am Main!
Begeistert zeigte ich mich nicht gerade, als mein Chef mich dazu verdonnerte. Aber es hießt: „Sie sind alleinstehend, ungebunden, also erste Wahl. Und die eine Woche wird sie schon nicht umbringen!“
Zähneknirschend stimmte ich zu. Was sollte ich auch anderes machen? Sicher – zur Zeit stand ich tatsächlich in keiner festen Beziehung. Meine letzte Freundin und ich hatten nach geraumer Zeit festgestellt, dass wir im Leben nicht das gleiche wollten, und sind im Guten auseinander gegangen. Und trotzdem! Natürlich hatte ich ein Privatleben, Freunde und Familie. Ich liebte die besinnliche Adventszeit, die kostbaren Stunden, die ich mit mir lieben Menschen gemeinsam verbrachte. Das Weihnachtsshopping, Glühwein und Lebkuchenduft. Und nun hatte ich das Gefühl, um eine Woche davon betrogen zu werden.
Seufzend, und nicht gerade bester Laune, trat ich schließlich in der dritten Adventswoche meine Dienstreise an. Ich hatte ein angenehmes Zimmer in einem komfortablen Hotel, wurde gut verköstigt – doch es war natürlich nicht das Gleiche, was ich um diese Jahreszeit normalerweise zu Hause tat. Nicht einmal die Gelegenheit zum Besuch des Frankfurter Weihnachtsmarkte ergab sich, so voll gepackt mit Termine und Konferenzen hatte man diese Woche. Mein Kopf schwirrte vor Daten, trockenen Fakten und jeder Menge Zahlen. Gedanken an etwas anderes zu verschwenden, dafür hatte ich beim besten Willen keine Zeit übrig. Und nach irgendwelchen amourösen Abenteuern gelüstete es mich zu diesem Zeitpunkt auch nicht.
Dann aber entwickelten sich die Umstände so günstig, dass alle wichtigen Gespräche und Verhandlungen einen ganzen Tag früher als geplant abgeschlossen werden konnten. In mir herrschte Hochstimmung, denn es war mir gelungen, etliche wertvolle Verträge unter Dach und Fach zu bringen, was für mich nicht unerkleckliche Provisionen bedeutete.
Die Aussicht auf die verdiente Entschädigung für meine entgangenen Weihnachtsfreuden sorgte für eine ausgesprochene Feierlaune bei mir. Grund genug für mich, zu beschließen, mich ein wenig in das Frankfurter Nachtleben zu stürzen, um den Kopf frei zu bekommen, und bei einem guten Glas Alkohol zu entspannen.
Also zog ich los. Ein Geschäftspartner hatte mir Sachsenhausen ans Herz gelegt, um diese Jahreszeit weihnachtlich geschmückt und sehr hübsch anzusehen. Da stand Kneipe an Kneipe, Bar an Bar, Lokal an Lokal. Begeistert registrierte ich die immense Auswahl, wo sich wirklich für jeden Geschmack etwas finden ließ.
Die beißende Winterkälte trieb mich in die nächstgelegene Bar, denn mir stand der Sinn nach einem (oder mehreren) fruchtigen Cocktail. Bald stand ich an der Theke des „Fidelen Heinrich“, schlürfte aus einem Strohhalm meinen Tequila Sunrise, schaute mich dabei neugierig ein wenig in dem Lokal um, und studierte die anderen Gäste, leider fast ausschließlich Männer. „Ziehen denn in Frankfurt keine Frauen um die Häuser?“, murmelte ich dabei etwas enttäuscht vor mich hin.
Da fing mein Blick eine weibliche Gestalt ein – und ich erstarrte förmlich! Mein Herz begann wie wild zu pochen und mit einem Schlag hatte ich feuchte Hände bekommen.
Vor mir stand eine Frau, genau, wie ich sie mir immer in meinen wildesten Träumen vorgestellt hatte: Schlank, etwa 1.78m groß, strahlend blaue Augen, und mit unwahrscheinlich blond glänzenden, gelockten, schulterlangen Haaren. Unter ihrem eng anliegenden, Nachtblauen Kleid, zeichnete sich eine perfekte Figur mit kleinen, festen Brüsten ab. In diesem Moment erblickte die Traumfrau auch mich. Sie fing meinen Blick auf und ein Lächeln flog über ihr makelloses Gesicht. Aufmunternd zwinkerte sie mir zu. Wie hypnotisiert setzte ich mich in Bewegung. Ich folgte ihr aus dem Lokal, durch einen schmalen, dunklen Gang zwischen zwei Bars hindurch zu einem genau so engen Treppenhaus, welches in ein älteres, etwas heruntergekommen wirkendes Gebäude führte. So gelangten wir in ein kleines, aber sehr geschmackvoll eingerichtetes Zimmer. Meine Traumfrau ließ sich auf ein breites Messingbett sinken, das fast die gesamte Fläche des kleinen Raumes einnahm. Ich zögerte noch einen Moment.
"Äh ... eigentlich wollte ich ... ich...", begann ich stotternd wie ein kleiner Schuljunge. Am liebsten wäre ich daraufhin im Boden versunken. Was mochte dieses fantastische Wesen nun bloß von mir denken! Doch die unbekannte Schönheit stand nur mit einer einzigen, geschmeidig wirkenden Bewegung auf. Sie legte ihren Zeigefinger auf ihre vollen, sinnlich-roten Lippen, und bedeutete mir so, zu schweigen. Dann ergriff sie meine linke Hand und zog mich zu dem breiten Messingbett hin. Gemeinsam sanken wir auf die mit einem Rosafarbenen, seidig glänzenden Laken überzogene Matratze. Unsere Lippen fanden sich und verschmolzen zu einem langen, sehr intensiven, brennend leidenschaftlichen Kuss. Wie flüssiges Feuer brannte ihre Lust auf meinen Lippen. Ein kaum auszuhaltendes Kribbeln erwartungsvoller Erregung durchrieselte meinen ganzen Körper. Mein Atem ging schneller. Ihre schlanken, grazilen Finger streichelten an meinem Oberkörper entlang, knöpften mein Hemd auf und entfernten schließlich diese lästigen Barrieren zwischen ihr und meiner Haut. Mit ihrer Zungenspitze liebkoste sie meine Brustwarzen.
Ich hatte nie geahnt, dass ein Mann dort eine derartige Lust verspüren konnte. Schauer um Schauer lustvoller Erregung durchrieselten mich, liefen meinen Körper rauf und runter. Meine eigene Lust wuchs von Minute zu Minute, und das war wörtlich zu nehmen! Ihre Hände, mit den schlanken Fingern und den Rot lackierten Fingernägeln arbeiteten sich jetzt langsam an meinem Körper nach unten weiter. Meine Hose, die letzte Bastion, fiel, und nun näherte sie sich mit ihrem sinnlichen Mund zielstrebig dem Zentrum meiner Sexualität, das unter der zarten Massage ihrer Finger zwischenzeitlich zur vollen Größe erblüht war. Und was ihre Hände nun zusammen mit ihrem Mund vollbrachten, das war einfach unbeschreiblich, unglaublich, geradezu Phänomenal! Von ihren Lippen schienen heiße Wellen auf mich überzugreifen, die meine Gefühle, meine Libido, einem immer stärkeren, gigantischen Höhepunkt zustreben ließen. Leise stöhnend kommentierte ich ihr Werk. Sie war einfach eine Göttin, eine Meisterin. Was sie vollbrachte, das hatte ich noch nicht erlebt! Und dann explodierte ich!
In Sekunden wurde ich von Gefühlen durchflutet, die ich dieser Intensität noch nie zuvor in meinem Leben empfunden hatte. Mit lautem, genussvollem Schrei entlud sich, was sich in all den vergangenen Minuten angestaut hatte. Welle um Welle durchrieselte meinen Körper!
Irgendwann war es dann vorüber. Ermattet und völlig entspannt blieb ich erst einmal ruhig auf dem Bett liegen und atmete heftig durch. Solch einen Höhepunkt hatte ich noch nie erlebt!
"Wahnsinn!", flüsterte ich begeistert. "Einfach phantastisch, Mädchen!"
Ich blickte ihr in ihr hübsches Gesicht. Sie lächelte geheimnisvoll.
"Ich freue mich, dass es dir so gut gefallen hat", erwiderte sie augenzwinkernd und – mit einer tiefen Bassstimme!
Ein eisiger Schreck durchfuhr mich, und ich erstarrte förmlich. Sie bemerkte es und lachte auf. Sie?
"Ich bin allerdings in der Tat keine Frau", sagte Sie ... nein Er, immer noch lachend.
"Ich glaube, ich werde auf der Stelle verrückt!“, stammelte ich vor mich hin und griff mir entgeistert an die Stirn.
Unfassbar! 'Sie' war gar keine Frau! Ich bin mit einem Mann ins Bett gegangen! Das durfte ich zu Hause niemandem erzählen! Damit wäre ich das Gespött des ganzen Ortes geworden! Das so etwas ausgerechnet mir passieren musste! Hastig kleidete ich mich wieder an und setzte mich auf die Bettkante. Einige Sekunden warf ich Ihr/Ihm böse Blicke zu. Wilde Gedanken tobten durch meinen Kopf. Doch dann kam mir alles mit einem Mal recht komisch vor. Ich begann zu grinsen und schließlich lachte ich lauthals heraus.
"Du, Du … ach, mir fällt nichts Passendes ein!" rief ich, nach Luft japsend. "Aber ich muss zugebe, schön ist es gewesen!“, fügte ich hinzu. „Nächstes Mal werde ich mir aber meine 'Partnerin' doch etwas genauer ansehen". Ich wischte mir die Lachtränen aus dem Gesicht.
"Zieh dich um ...", sagte ich dann zu ihm, "… ich lade dich noch zu einem Bier ein".
Der Typ im Fummel lachte ebenfalls laut auf und klopfte mir kameradschaftlich auf meine Schulter. Etwas später gingen wir dann gemeinsam zurück in die Bar, wo wir uns getroffen hatten, um noch etwas zusammen zu trinken, und wo ich mich wieder ein wenig besinnen konnte.
Frankfurt in der Weihnachtszeit, in der ich mein persönliches 'Weihnachtswunder' erlebt hatte, würde ich gewiss nicht so schnell aus meinem Gedächtnis streichen können. Und wer weiß, was passieren würde, wenn ich wieder einmal nach Frankfurt käme … ich sage nur: lasst und froh und munter sein! In diesem Sinne: fröhliche Weihnachten!
 



 W. Berner


 W.Berner, geboren 1963, verfasste die ersten Kurzgeschichten in den Jahren 1980 bis 1988. Danach folgte eine längere Schaffenspause, zu der eine Vielzahl von Umständen führten. Im Jahr 2004 kam es zu einem recht erfolgreichen Neustart. So erscheint im Magazin "XUN - fantastische Geschichten" (ISSN 1862-7552) sowie in der Taschenbuchreihe „XUN präsentiert“ die SF- Serie 'Nebelmond' aus seiner Feder, und, nach seiner Idee, die Horror- Serie 'Crystal'. Weitere Publikationen gab und gibt es in den Anthologien der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte, in "Welt der Geschichten", im Bully- Magazin, auf der PERRY RHODAN Homepage, im VSS- Verlag (Der Lauf der Zeit) und bei hary-production. Dort ist er Co-Autor der Heftromanserie "STAR GATE - das Original", und eine weitere SF-Serie aus seiner Feder, TERRA FUTURA, wird ebenfalls dort publiziert. In diversen weiteren Publikationen und auch in eBooks erschienen etliche Kurzgeschichten des Autoren. Weitere Romane, Serien und Kurzgeschichten sind in Arbeit oder Vorbereitung.
Mehr Informationen zum Autoren und seine Veröffentlichungen finden sich auch auf der Autorenhomepage www.w-berner-online.de“