Im Zimmer wird es still

Peter und Andreas sind trotz des immensen Altersunterschiedes von 20 Jahren und von den üblichen Beziehungsproblemen abgesehen glücklich miteinander. Als die Ärzte bei Peter Krebs im Endstadium feststellen und sogar die Behandlung aufgeben, entschließt sie Andreas seinen Job aufzugeben und Freund im gemeinsamen Haus zu pflegen.

Diese Entscheidung bringt etliche Neuerungen und Probleme mit sich, denn der Grundtenor ihres gemeinsamen Lebens hat sich verändert. Sowohl Peter, als auch sein Freund kämpfen mit ihren eigenen Sorgen und Ängsten, und wenngleich sich ihre Gefühle füreinander nicht wandeln, lernen sie sich neu kennen und beschließen sich endgültig aneinander zu binden, als sich Peters Zustand verschlechtert …

Mit „Im Zimmer wird es still“ legt Jana Walther ihren zweiten Roman vor, der unter dem Pseudonym Jan Walther beim Bruno Gmünder Verlag erschien. Erneut entführt die Autorin die Leser in eine Geschichte, die rein von alltäglichen Handlungen und dem Denken und Fühlen der Charaktere bestimmt wird. Eine wirkliche Handlung gibt es nicht. Die Geschichte ist von Einblicken in das von Krankheit geprägte Leben der Protagonisten geprägt, aufgelockert von Erinnerungseinschüben und Ereignissen aus der Vergangenheit. Damit mutet Jana Walthers Buch vielmehr wie ein Kammerspiel an, läuft doch alles in einem kleinen Raum ab. Lediglich die vielen eingestreuten Rückblenden entführen Leser und Charakter aus der zwanghaften Enge und der bedrückenden Atmosphäre in eine Zeit, in der Peter noch gesund und ihr gemeinsames Leben richtig glücklich war.

Jana Walther erschafft sehr realistische, starke Charaktere, die in eine nahezu ausweglose Situation gebracht werden. Andreas, der wesentlich jünger und zu Beginn der Beziehung sehr verunsichert ist, obliegt die Pflege eines Mannes, der sich kaum noch bewegen kann. Auf der anderen Seite steht Peter, an Jahren reifer und immer der Aktive innerhalb ihres Zusammenseins, der sich plötzlich in einer Rolle wiederfindet, die so gar nicht seiner Natur entspricht. Die Verantwortlichkeiten verschieben sich und beide Männer entwickeln sich weiter, auch im Laufe des Buches, obwohl die Autorin nur wenige Tage im Leben der beiden gewährt. Doch innerhalb dieser kurzen Zeitspanne verändert sich etwas zwischen den beiden Männern, lässt sie näher zusammenrücken und sich ihrer Gefühle füreinander sicher sein.
Der Leser erlebt dies in einer Art und Weise mit, die unter die Haut geht. Scheinen die Protagonisten zu Beginn noch fremd und kaum greifbar und wirkt ihre Liebe abgekühlt, so revidiert man diese Meinung schnell. Man bemerkt erst mit der Zeit, wie tief die Gefühle der beiden Männer eigentlich reichen, welche Höhen und Tiefen sie bereits überwunden haben. Angefangen von den Problemen, die ihr Altersunterschied mit sich brachte, über ihre Familien und Freunde bis hin zu Andreas Ängsten vor Berührung und Zärtlichkeiten. All dies erreicht Jana Walther über Rückblenden, mal aus Peters Sicht, mal aus Andreas’ und jedes Mal lernt man die beiden Männer besser kennen und verstehen.

Jana Walthers Stil ist sehr einfühlsam und eindringlich, überschreitet trotz des heiklen Themas niemals die Grenze zum Kitsch auf der einen oder zum tränenreichen Drama auf der anderen Seite. Wie schon bei ihrem Debüt „Benjamins Gärten“ gelingt es ihr eine realistische Geschichte zu erzählen, ohne sich bei einer einzigen Stelle zu verzetteln oder in eine künstlich dramatische / romantische Szene abzurutschen. Trotz des Themas Krebs und Tod wirkt „Im Zimmer wird es still“ niemals so deprimierend, das man nach Taschentüchern greift oder Peter bedauert. Stattdessen erfreut man sich an den kleinen Gesten und Berührungen zwischen den beiden Männern, ihr Vertrauen ineinander und ihrem Wunsch zusammen zu bleiben.
Stilistisch ist das Buch dennoch Geschmackssache, ist es Jana Walthers Schreibe sehr belletristisch und in vielen Punkten gewöhnungsbedürftig. Man muss sich beim Lesen durchaus auf die Geschichte konzentrieren, insbesondere da ihre Art und Weise, wie sie Präsens für die Gegenwartsszenen und Präteritum für die Vergangenheit miteinander vermischt teilweise schwer nachvollziehbar ist. Auch die Tatsache, dass sie zwei Perspektivträger hat und dadurch auf die Ich-Perspektive verzichten muss, sorgt immer wieder für Verwirrung, wenn sie das Personalpronom mal auf Andreas, mal auf Peter bezieht.

Nichtsdestotrotz sollte man sich auf die kleine, stille Perle deutscher schwuler Literatur einlassen und dem Büchlein eine Chance geben. „Im Zimmer wird es still“ ist ein ehrliches, realistisches Werk, das die Themen Krankheit, Tod, Vertrauen und Liebe auf eine vollkommen unromantische, dafür umso besser nachvollziehbarere Art und Weise behandelt. Der Roman hinterlässt sogar ein gutes Gefühl, da er trotz des nahenden Todes relativ offen endet und sowohl Peter als auch Andreas ihren inneren Frieden gefunden haben.


Jana Walther gelingt mit „Im Zimmer wird es still“ einmal mehr ein belletristisches Kleinod, das trotz der teilweise schwierigen Schreibe ins Herz trifft und einen tiefen und nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Sehr zu empfehlen.

Titel:

Im Zimmer wird es still
Autor: Jana Walther
Genre: Drama, Gegenwart
Verlag: Bruno Gmünder Verlag, 2011
Preis: 17,95 Euro
ISBN: 978-3867871846
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