In einem Leben wie diesem

Der Roman „In einem Land wie diesem“ setzt dort an wo „Eine Welt dazwischen“ aufgehört hat. Wer also dieses Buch lesen möchte, dem sei der erste Roman „Eine Welt dazwischen“ dringend ans Herz gelegt. Hier erfährt man nämlich den Anfang von Adrians Abenteuern und seine Reise nach New York. Dementsprechend spoilert dieser Bericht den Ausgang des ersten Bandes der Reihe. Ob sich noch ein drittes Buch anschließt, ist bisher nicht bekannt. Eine Fortsetzung wäre durchaus möglich, ist allerdings nicht unbedingt notwendig.

 

Die Geschichte spielt zwei Jahre nach den Ereignissen in „Eine Welt dazwischen“. Endlich erfährt der Leser, für wen sich Adrian entschieden hat- seinen Bruder oder Jack. Wie nicht anders zu erwarten ist Adrian bei Jack und damit in New York geblieben und hat daher mit seinem Bruder gebrochen. Adrians Versuche sich mit Alexander auszusöhnen scheiterten und Adrian hat sich damit abgefunden, da er immer noch Jack an seiner Seite hat. Binnen der zwei Jahre gewöhnte er sich an das Leben in New York und passte sich der Stadt an. Auch ist er ein fester Bestandteil des Freundeskreises um Jack geworden und hat sich fest in die versteckt lebende schwule Szene New Yorks eingegliedert. Er kennt die sicheren Orte, weiß, wie man sich zu verhalten hat und welche versteckten Symbole es für homosexuelle Menschen gibt. Jack arbeitet immer noch als Portier und Adrian ist schon seit Jahren bei der kleinen Bar „The Little Cat“ als Kellner angestellt.
Sein Leben verläuft ruhig, sicher und Adrian ist glücklich, doch alles ändert sich als Robert, ein Freund von Jack und ihm „The Little Cat“ von dem vorherigen Besitzer kauft und selbst weiterführen will. Frenchy, der ebenfalls dort Kellner ist, Adrian und die Fairy (Bezeichnung für einen sehr offen lebenden Schwulen) Casey werden Teilhaber und sie planen eine vollkommen neue Bar. Es soll ein Treffpunkt für Schwule werden, ohne dass diese sich vor Razzien, Polizei und Übergriffe fürchten müssen. Gemeinsam schmieden sie den Plan mit der Bar „The Fancy Cat“ reich zu werden und schnell stecken der farbenfrohe Casey und der lebenslustige, offene Frenchy die Gruppe mit ihren Ideen an. Doch eine solch neue Bar, braucht einen neuen Anstrich und dieser ist nicht billig. Ausgerechnet Casey besorgt die notwendigen Gelder, um die Bar zu renovieren und alles von Grund auf neu zu gestalten. Harwood, ein reicher Mann aus der Mittelschicht, verspricht die Schulden zu begleichen, wenn die Bar ein Erfolg wird.
Freudig packen Adrian und seine Freunde an, und als sie fertig sind, kann sich die Bar sehen lassen. Schon die Eröffnung ist ein riesiger Erfolg, doch die ausgelassene Stimmung wird merklich getrübt, als Francis auftaucht- Harwoods neuster Fang. Der Junge erzählt der geschockten Gruppe, dass Harwood und er auf frischer Tat ertappt wurden. Nicht nur dass Harwood verhaftet wurde, nun hat die Gruppe auch das Problem, dass niemand die Schulden begleichen kann, die Casey bereits am nächsten Tag zurückzahlen muss.
Schlagartig ist das Glück vorbei und bereits am nächsten Tag ändert sich Adrians Leben für immer. Frenchy und er finden am späten Abend nach Schließung des Ladens den übel zugerichteten Casey, der kurz darauf stirbt und eine Botschaft an der Scheibe des „Fancy Cat“. 1.200 Dollar sollen sie nun bis zum 01. Januar auftreiben, um die Schulden zu begleichen, sonst würde der nächste daran glauben müssen. Adrian wird klar, dass sie sich mit gefährlichen Männern angelegt haben und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Gerade einmal drei Monate bleiben ihnen, um „The Fancy Cat“ und ihr eigenes Leben zu retten.
Jack unterstützt sie und schnell wird klar, dass man diese Geldmenge nicht auf legalem Wege zusammen bringen kann. Kleinere Überfälle, Raubzüge und Erpressungen folgen und Adrian wird nach und nach immer mehr zu etwas, was er nicht sein möchte- ein Verbrecher. Immer öfter zieht er zusammen mit Jack und Frenchy los, doch schon bald wird gerade Frenchy immer rücksichtsloser und hasserfüllter den normalen Bürgern gegenüber. Sie rächen sich an jedem, der die Schuld an ihrer Misere hat- demjenigen, der Harwood an die Polizei verraten hatte; Männer, die Casey verspotteten. Doch Adrian bemerkt bald, dass sein Weg mit Schuldgefühlen, Ängsten und Verlusten gepflastert ist. Denn je mehr Verbrechen er mit den anderen begeht, umso mehr entfernt er sich von dem Mann, der er eigentlich sein will. Es gelingt ihm kaum noch sein Gewissen zu beruhigen und sich selbst davon überzeugen, dass er das Richtige tut. Dass sich gerade Jack mehr von seinem Hass leiten lässt und sich immer öfters mit Frenchy abgibt, entfremdet ihn zusätzlich von Adrian.
Zudem bereitet es Adrian Probleme, dass Frenchy sich irgendwann in der Wohnung von Jack und ihm einnistet und fast immer bei ihnen ist. Auch JoAnne ist gezwungen sich bei dem Paar einzuquartieren, da ihr Zuhause durch ein Feuer bis auf die Grundmauern niederbrannte.


Als sie das Geld zusammenbekommen und ihre Schuld begleichen können, scheint sich alles zum Besten zu wenden und Adrian beginnt sich wieder sicher zu fühlen. Doch als sie herausfinden, wer Casey wirklich getötet hat und Frenchy den Mörder umbringt, beginnt ein tiefer Fall, der für die Gruppe mit einem schmerzhaften Aufprall in der Gosse New Yorks endet. Ausgerechnet der Pellucci-Clan ist auf einmal hinter ihnen her und Adrians Welt beginnt endgültig auseinander zu brechen. Lediglich seine Liebe zu Jack und seine Freundschaft zu Frenchy und JoAnne sind ihm geblieben, doch reicht dies aus, um die Schwierigkeiten zu überwinden und wirklich glücklich zu werden?


„In einem Leben wie diesem“ spielt im Jahr 1912 und beleuchtet das weitere Leben von Adrian. Dabei spielt die Beziehung zwischen Jack und Adrian eine untergeordnete Rolle, da sie ins sich gefestigt ist und keinerlei Entwicklung mehr bedarf- zumindest am Anfang der Geschichte. Aline Sax konzentriert sich auf den Fall Adrians, der vom eigentlich durchschnittlichen, „normalen“ Bürger zu etwas wird, dass er selbst nicht sein möchte. Der Begriff Verbrecher ist hierbei vielleicht nicht ganz korrekt, da Adrian zumeist eher der typische Mitläufer ist. Er selbst hat nie direkt einen Plan, um Leute zu bestehlen oder zu erpressen, sondern ist vielmehr Mittelsmann. Nur einmal kommt er selbst zum Zuge, ansonsten sind Frenchy und Jack für die Aktionen verantwortlich. Das zeigt dem Leser jedoch, wie schwach und hilflos Adrian charakterlich eigentlich ist. Er stellt sich nie zwischen seine Freunde und ihren Plänen, auch wenn er sie nicht befürwortet, aus Angst Jack und die anderen zu verlieren. Zu oft ordnet er sich unter und ist dadurch ein recht blasser, beinahe schon langweiliger Protagonist. Ihm fehlt die aktive Stärke, das Selbstbewusstsein und der eigene Stolz. Erst zum Ende hin entwickelt Adrian ein wenig mehr Selbstachtung und Mut, das auszusprechen, was in ihm vorgeht. Sicherlich ist der Charakter von Anfang an darauf ausgelegt, still und leise zu sein, eher introvertiert zu handeln und sich nur selten von seinen Gefühlen beherrschen zu lassen, doch mit der Zeit nervt sein Verhalten einfach. Auch Jack verändert sich in eine Richtung, die man kaum nachvollziehen kann, war er doch im ersten Buch, sehr vorsichtig und ernsthaft, wenn es um sein schwules Leben geht. Hat er in „Eine Welt dazwischen“ noch normale Freunde und ein Leben außerhalb des schwulen Umfeldes, so ist dieses auf einmal vollkommen verschwunden. Das wirkt unverständlich, da gerade Jack derjenige war, der niemals auf dieses offene Leben verzichten wollte, um Ärger aus dem Weg zu gehen.
Die Geschichte wirkt leider an vielen Punkten unstimmig und aufgesetzt. Die inneren Gedankengänge und der Wandel Adrians, kombiniert mit seiner Zerrissenheit und den Gewissensproblemen, die er durchlebt sind sehr schön dargestellt und ausgearbeitet worden, doch die Rahmenhandlung wirkt unstimmig. Oftmals handeln die Charaktere unsinnig und der Leser fragt sich, ob nicht auch andere Reaktionen auf ihre Taten folgen müssten. Immerhin bestehlen und erpressen Adrian und seine Freunde fremde Leute. Wo bleibt die Polizei, die Ermittlungen aufnimmt? Warum verbreiten sich nicht entsprechende Neuigkeiten in New York, dass immer wieder Leute ausgeraubt werden? Zu oft und auch zu einfach entkommen die drei und schnell wird klar, dass sie das Geld ohne Probleme zusammen kratzen können. Dadurch verliert das Buch extrem an Schwung und gerade der mittlere Teil zieht sich unendlich in die Länge, da er aus vielen, sich wiederholenden Einzelkapiteln besteht und es keine fortlaufende Handlung gibt. Wie schon im ersten Buch laufen die Kapitel nicht ineinander über und die Zeitsprünge machen das Buch zäh und langweilig. Zudem fehlt die passende Dramatik und Action, die Aline Sax mit der Auseinandersetzung mit einem Mafiaclan eigentlich anbringen müsste. Die Geschichte soll natürlich Adrians inneren Kampf dokumentieren, doch eigentlich wären auch die äußeren Umstände wichtig gewesen.


Und leider sind bei „In einem Leben wie diesem“ das Abbrechen von Höhepunkten durch ein Kapitelende ein großes Problem. Wie schon im ersten Band werden wichtige Dialoge abgebogen, interessante Geschichtshöhepunkte verlaufen im Sande, einfach nur weil ein Kapitel endet und die Handlung erst ein paar Tage später wieder einsetzt. Auf diese Art und Weise umschifft Aline Sax viel zu oft wirklich interessante Passagen und nimmt dem Buch unglaublich viel Dynamik und Spannung. Man ist fast versucht das Buch in die Ecke zu werfen, da sich Erwartungen auf diesem Weg einfach nicht erfüllen.


Insgesamt ist „In einem Leben wie diesem“ ein deutlich schwächeres Jugendbuch, als sein Vorgänger. Zu oft nimmt Aline Sax selbst den Schwung aus der Handlung und auch die Charaktere sind irgendwann kaum noch nachvollziehbar. Schade, man hätte viel aus der Grundidee und den Charakterkonstellationen herausholen können. Wer „Eine Welt dazwischen“ mochte und wissen möchte, wie es weitergeht, der wird um den zweiten Band nicht herumkommen, alle anderen sollten vielleicht erst mal reinschnuppern, bevor sie sich den Roman zulegen.

 

Titel:

In einem Leben wie diesem
Autor: Aline Sax
Genre: History, Jugendbuch, Drama
Verlag: Arena Verlag, 2007
Preis: 7,50 Euro
ISBN: 978-3401501451
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