Eine Welt dazwischen

Aline Sax’ Roman „Eine Welt dazwischen“ erschien 2006 in den Niederlanden und schon ein Jahr später in Deutschland beim Arena Verlag. Nicht nur, dass das Buch für mehrere Preise nominiert wurde und einige auch gewann, es erschien bereits ein Jahr später die Fortsetzung unter dem Titel „In einem Leben wie diesem“.


Eigentlich ist Adrian De Belder der Letzte, der nach Amerika auswandern möchte. Er liebt den kleinen Hof und die Abgeschiedenheit, in der die kleine Familie in Belgien lebt. Doch leider brachten die letzten Missernten und der ewig nagende Hunger seine Eltern nahe an den Ruin, so dass sich Adrians Vater dazu entschlossen hat, die Chancen in dem neuen, unbekannten Amerika zu nutzen und dort nach den Sternen greifen möchte. So bricht Adrian zusammen mit seinem Zwillingsbruder Alexander, seiner Schwester Charlotte und seinen beiden Eltern auf ins neue Land, auf der Suche nach Glück und Wohlstand. Mit viel Mühe sammelte die Familie das Geld für die Überfahrt und eines morgens startet die Reise ins Ungewisse. Doch schon in Antwerpen werden der Familie die ersten Steine in den Weg geworfen. Bei der ärztlichen Untersuchung, der sich alle Auswanderer unterziehen müssen, wird festgestellt, dass Charlotte eine Lungenentzündung hat und daher das Schiff nicht betreten kann. Adrians Mutter, die neben ihrem Sohn am Allerwenigsten Belgien verlassen will, weigert sich ihre Tochter allein zu lassen und bleibt zusammen mit ihr zurück. Sie verspricht nachzukommen, wenn Charlotte wieder gesund ist. Adrian ist entsetzt, doch da Alexander und sein Vater dabei sein werden, besteigen sie zu dritt das Schiff. Zehn Tage dauert die Überfahrt und während sein Vater von Seekrankheit geplagt wird, erkunden Alexander und Adrian das Schiff. Als Reisende dritter Klasse ist ihre Überfahrt schwer und extrem unangenehm, doch die beiden ungleichen Brüder wissen sich ein wenig abzulenken. Es gelingt ihnen sogar, sich in die erste Klasse zu schleichen.
Der nächste Schock, erwartet die Auswanderer, als sie in New York ankommen. Eine erneute ärztliche Untersuchung trennt Adrian und Alexander von ihrem Vater. Aufgrund der Sprachbarriere ist es den beiden jungen Männern fast unmöglich herauszufinden, was passiert ist und schließlich legt sich der temperamentvolle Alexander auch noch mit einem Italiener an. Die Zwillinge werden nach dem Zwischenfall getrennt und Adrian erfährt erst einige Tage später, dass sein Vater krank ist und sein Bruder als aggressiv und gewalttätig eingestuft wird. Beiden verweigert man die Einreise in die USA- lediglich Adrian darf bleiben. Adrian will mit dem Schiff ebenfalls zurück nach Belgien, doch die Behörden weigern sich eine Überfahrt zu zahlen, für jemanden der durch die Kontrolle gekommen ist.

 

So wird Adrian gegen seinen Willen an Land gebracht und ist vollkommen auf sich allein gestellt. Ohne seine Familie und seinen Zwillingsbruder und ohne Kenntnisse über die englische Sprache, taucht Adrian in das geschäftige Leben New Yorks ein- eine Stadt, die Adrian aus tiefstem Herzen hasst. Ziellos irrt er durch die Straßen und zu allem Überfluss werden ihm am ersten Tag auch noch seine Habseligkeiten gestohlen. Niedergeschlagen ist er zufällig zur richtigen Zeit in der Nähe eines Hotels, als ein Küchenjunge entlassen wird und schon hat Adrian eine Arbeit gefunden. Glücklicherweise findet er dort jemanden, der niederländisch spricht und ihm die englische Sprache näher bringt. Zudem hilft ihm der Portier des Hotels dabei eine preiswerte Unterkunft zu finden und so beginnt Adrians Leben in der niemals schlafenden Stadt. Adrians Arbeit ist hart und das Leben alles andere als angenehm, doch er beißt sich durch und versucht von seinem Verdienst etwas zu sparen, um nach Belgien zu können.
Er lernt in seiner Unterkunft die junge Tänzerin JoAnne kennen, mit der er sich ein wenig anfreundet und beginnt nach und nach die Sprache zu lernen. Leider ist ein Ausflug mit JoAnne daran Schuld, dass Adrian eines Tages zu spät zur Arbeit kommt und diese wieder los ist. Adrian ist verzweifelt und wieder einmal ist es der Portier, der ihm hilft. Er bietet ihm an, bei ihm unterzukommen und schon am Abend nimmt Adrian das Angebot des fremden Mannes an, der sich ihm als Jack vorstellt. Jack wird Adrians bester Freund und eine unersetzliche Stütze für den jungen Auswanderer, der ihm in allen Lebenslagen hilft. Er zeigt ihm New York, bringt ihm englisch bei und erklärt ihm den Umgang mit Geld. Zudem führt er Adrian in seinen Freundeskreis ein und schon bald entwickelt sich aus seiner Freundschaft zu Jack mehr. Und auch dieser scheint Interesse an Adrian zu haben. Doch als die beiden zusammenfinden, beginnen ihre Probleme erst. Adrian zweifelt an der Richtigkeit ihrer Taten, weiß er doch, dass es falsch ist sich in einen Mann zu verlieben. Doch Jack nimmt ihn erneut mit sich und zeigt ihm seine wirklichen Freunde, sein zweites Leben und Adrian taucht in ein vollkommen neues New York ein. Casey und Frenchy werden neue Bekannte und auch JoAnne gehört zu diesem Freundeskreis.
Als Adrian einen Brief von Alexander erhält und erfährt, dass dieser erneut auf dem Weg nach New York ist, ist Adrian überglücklich, doch zeitgleich stellt sich ihm die Frage, wie er seinem Zwillingsbruder begreiflich machen soll, was er für Jack empfindet…


„Eine Welt dazwischen“ ist ein, bis auf einige Schnitzer, gut recherchierter, historischer Jugendroman, der sich der Thematik Auswanderer im Jahr 1910 verschrieben hat. Sehr schön sind die Passagen auf dem Schiff geworden und auch die Träume und der Glauben an ein besseres Leben, dass wohl damals in den Köpfen der Menschen geherrscht haben muss, die nach Amerika aufbrachen. Auf diesen knapp 150 Seiten wirkt „Eine Welt dazwischen“ so authentisch und realistisch, dass man das Gefühl hat selbst an Bord des Schiffes zu sein. Auch die Anfangstage Adrians, seine Schwierigkeiten mit der Hektik und Sprache der Großstadt und seine Einsamkeit sind sehr schön geschrieben. Man kann das Buch kaum aus der Hand legen und hofft, dass der Protagonist irgendwann einmal Glück hat. 
Mit Jack wird die erste große Wende eingeleitet und der Leser lernt zusammen mit Adrian ein neues New York kennen. Doch an diesem Punkt verliert der Roman plötzlich eine Menge Schwung. Ähnlich wie auch Adrian dabei ist zu stagnieren und sich treiben zu lassen, gerät die Geschichte ins Stocken. Sicherlich entwickelt sich die Beziehung zwischen Adrian und Jack weiter, dennoch gelingt es Aline Sax nicht mehr die Atmosphäre, die zu Beginn des Buches herrschte, einzufangen. Vielleicht liegt das daran, dass es über die schwule Kultur im Jahre 1910 kaum Bücher und Geschichten gibt und eine Recherche dahingehend schwierig gewesen sein dürfte. Erst als Alexander in New York auftaucht, wird das Buch wieder spannend.
Charakterlich ist Adrian ein denkbar unpassender Hauptcharakter, da er ein sehr stiller und ruhiger junger Mann ist, der sich zu leicht unterordnet und sich selten gegen etwas auflehnt. Er ist nicht wie sein Bruder Alexander, der temperamentvoll und voller Träume seinen Weg beschreitet, sondern definiert sich sehr oft über andere. Man zweifelt zwar nicht daran, dass Adrian Jack aufrichtig liebt, doch immer wieder wünscht man sich, dass Adrian ein wenig aktiver in die Handlung der Geschichte eingreift. Zu oft lässt er sich treiben, nimmt alles hin und verlässt sich auf Jack, der in der Beziehung in jeglicher Hinsicht der aktive Part ist.

Was beim Lesen zudem noch negativ auffällt, sind die Zeitsprünge der Kapitel. Gerade zum Ende hin, schließen sich etliche neue Kapitel nicht an das Ende des Vorgängers an, so dass es Sprünge in der Handlung gibt. Die Kontinuität fehlt und Aline Sax begeht den Fehler oftmals spannende Handlungsbögen, wie beispielsweise wichtige Gespräche der Charaktere, zu verhindern, indem das Kapitel noch vor der Aussprache endet. Im nächsten Abschnitt ist das Gespräch zumeist schon vorüber und wird lediglich als Rückblick betrachtet. Damit nimmt sie merklich den Schwung aus dem Text, was sehr schade ist. Damit verschenkt Aline Sax viel Potential, da sie gerade Adrian die Möglichkeit nimmt, sich weiter zu entwickeln.


Ansonsten hat Aline Sax einen sehr schönen, einfachen Schreibstil, der sich nicht mit langen Beschreibungen und Hintergrundinformationen aufhält. Sie beleuchtet lieber Adrians Gefühle und seine Gedankenwelt.


Insgesamt ist „Eine Welt dazwischen“ ein empfehlenswertes historisches Jugendbuch, das zwar einige Schwächen innerhalb der Recherche und der Kontinuität aufweist, jedoch ansonsten sehr schön und stimmungsvoll geschrieben ist. Ein Vergleich mit Floortje Zwigtmans „Adrian Mayfield“ – Reihe liegt sehr nahe, nicht nur weil in beiden Fällen die Protagonisten Adrian heißen und es sich um historische Bücher handelt. Im Vergleich zu Floortje Zwigtman ist Aline Sax’ Geschichte zwar noch nicht so ausgereift und fesselnd, doch wer bereits „Adrian Mayfield“ mochte, der kann mit „Eine Welt dazwischen“ nicht viel falsch machen. Zu empfehlen, jedem der homoerotische, historische Entwicklungsromane und Jugendbücher mag…


Hinweis: Die Geschichte wird in dem Buch „In einem Leben wie diesem“ fortgesetzt.

 

Titel:

Die Welt dazwischen
Autor: Aline Sax
Genre: History, Jugendbuch, Drama
Verlag: Arena Verlag, 2007
Preis: 7,50 Euro
ISBN: 978-3401500430
Bestellen: Amazon